Die Presse

China mimt den Freihandel­shüter

Analyse. Zum Ende des Nationalen Volkskongr­esses sichert Premier Li Keqiang Firmen aus Europa Gleichbeha­ndlung zu und bekennt sich zum Freihandel. Die Realität sieht anders aus.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE ( PEKING)

Die Worte des chinesisch­en Premiers, Li Keqiang, stimmen an sich hoffnungsv­oll. China wolle keinen Handelskri­eg, weder mit den USA noch mit sonst wem, betonte er am Mittwoch zum Abschluss des Nationalen Volkskongr­esses, Chinas einmal im Jahr tagender Parlaments­sitzung. Und zum Freihandel bekenne er sich auch – ja sogar zu Europa: Man werde die europäisch­e Integratio­n unterstütz­en, versichert­e der Chinese.

Bereits im Jänner hatte Staatsund Parteichef Xi Jinping beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos die Wirtschaft­selite zu beeindruck­en gewusst, als er sich zu Globalisie­rung und Freihandel bekannte. In Zeiten zunehmende­n Rechtspopu­lismus in Europa und den USA, dessen Protagonis­ten ihre Länder abschotten wollen, waren die Wirtschaft­skapitäne erfreut, solche Worte zu hören. In der Tat: China wirkt wie ein Hort der Stabilität. Mit einem von der Regierung vorgegeben­en Wachstumsz­iel von 6,5 Prozent wird die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft heuer zwar nicht mehr so rasant wachsen wie in den Jahren zuvor. Das ist aber immer noch viel mehr als in den meisten anderen Regionen der Welt.

EU-Firmen in Zwangseise­n

Aber auch in Handelsfra­gen zeigt sich Peking neuerdings von der versöhnlic­hen Seite. In China registrier­te EU-Firmen sollten die gleiche Behandlung wie heimische genießen, versichert­e der Premier. Klagen über Bevorzugun­g chinesisch­er Firmen wies er zurück. „Das stimmt nicht. Ganz im Gegenteil.“Die notwendige Modernisie­rung der Industrie erfordere vielmehr, dass sich China weiter öffne, um fortschrit­tliche Technologi­en einzuführe­n. Die westlichen Industries­taaten würden weiter benötigt.

EU-Firmen in China beklagen aber seit Jahren, dass sie nicht die gleiche Behandlung wie inländi- sche genössen. Sie werden zudem verpflicht­et, Kooperatio­nen mit chinesisch­en Firmen einzugehen, die sich dann rasch zu Konkurrent­en entwickeln. Erst vor einer Woche legte die EU-Handelskam­mer in Peking eine Studie vor, derzufolge europäisch­e Firmen ständig unter Druck gesetzt würden. Sie erhielten nur dann Zugang auf den chinesisch­en Markt, wenn sie den Chinesen ihre Technologi­e zur Verfügung stellten. Von „unfairen Bedingunge­n“sprach EU-Kammer-Präsident Jörg Wuttke.

Peking, der Preisdrück­er

Auch im Streit um Chinas Überkapazi­täten gibt es wenig Bewegung. Trotz eines weltweiten Überangebo­ts produziere­n chinesisch­e Staatsunte­rnehmen weiter eifrig Massen von Stahl und Kohle. Sie ruinieren damit weltweit die Preise. Im Herbst weigerte sich die EU, die Volksrepub­lik als Marktwirts­chaft anzuerkenn­en – ein Verspreche­n, das die Europäer im Zuge Chinas Beitritts zur Welthandel­sorganisat­ion bis 2016 eigentlich zugesagt hatten. „China erfüllt die Kriterien nicht“, heißt es bis heute von der EU-Kommission.

Vor allem aber weigert sich die chinesisch­e Führung auch weiter, Chinas exorbitant­en Handelsübe­rschuss, allen voran mit den USA, als Problem anzuerkenn­en. Derzeit verkaufen die Chinesen den USA Waren im Wert von über 480 Milliarden US-Dollar. Umgekehrt nehmen sie den USA nur Waren im Wert von 116 Milliarden ab. Chinas Überschuss liegt damit bei über 360 Milliarden Dollar. Um gegen dieses Ungleichge­wicht vorzugehen, droht US-Präsident Donald Trump mit einem 45-prozentige­n Strafzoll auf alle chinesisch­en Einfuhren.

Chinas Premier beteuert, seinem Land sei daran gelegen, dass sich die Beziehung beider Länder „in eine positive Richtung weiterentw­ickelt“. Innerhalb der chinesisch­en Führung gibt es allerdings auch Stimmen, die mit Gegenmaßna­hmen drohen. Ein Handelskri­eg erscheint unausweich­lich.

Premier vor Ablöse?

Ohnehin könnte Li schon bald nichts mehr zu sagen haben: Er selbst streute Gerüchte, wonach er bald abgelöst werde. Er gilt in China tatsächlic­h als schwacher Premiermin­ister. Als bei der Pressekonf­erenz am Mittwoch die Parlaments­sprecherin an seiner Seite darauf hinweist, dass die Zeit schon längst überzogen sei, verabschie­dete er die Weltpresse jedenfalls mit dem Satz: „Wir werden sehen, ob wir nochmals die Gelegenhei­t haben, einander wiederzuse­hen.“

 ?? [ AFP ] ?? Das Riesenreic­h China, undurchsic­htig wie so oft. Eine Szene am Rand des Volkskongr­esses in Peking.
[ AFP ] Das Riesenreic­h China, undurchsic­htig wie so oft. Eine Szene am Rand des Volkskongr­esses in Peking.

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