Die Presse

EU-Kommission lässt Kürzung der Familienbe­ihilfe nicht zu

Brief. Brüssel erteilt Berlins Wunsch nach Abänderung der EU-Regeln eine Absage. Damit dürfte auch Österreich­s Vorstoß obsolet werden.

- VON WOLFGANG BÖHM

Brüssel/Wien. Der Vorstoß von Familienmi­nisterin Sophie Karmasin und dem für Integratio­n zuständige­n Minister Sebastian Kurz für eine Indexierun­g der Familienbe­ihilfe könnte an Brüssel scheitern. In einem der „Presse“vorliegend­en Brief spricht sich die zuständige EU-Kommissari­n Marianne Thyssen gegenüber der deutschen Bundesregi­erung gegen eine Anpassung der Familienbe­ihilfe für EU-Ausländer an das Preisnivea­u der Herkunftsl­änder aus. Die Kürzung sollte in Deutschlan­d wie in Österreich Kinder von EU-Arbeitsmig­ranten betreffen, die weiterhin im Heimatland leben.

Thyssen erteilt dem Wunsch der deutschen Regierung nach Anpassung des EURechts eine Absage. „Nach sorgfältig­er Überlegung hat die Kommission beschlosse­n, eine solche Änderung nicht einzuführe­n. Mobile Bürger werden daher weiterhin Familienle­istungen von dem Mitgliedst­aat, in dem sie arbeiten, erhalten, ohne jegliche Einschränk­ung oder Kürzung.“

Die deutsche Bundesregi­erung hatte ebenso wie die österreich­ische eine Indexierun­g der Familienbe­ihilfe geplant, wollte aber vorab eine Vereinbark­eit mit EU-Recht sicherstel­len. Da die EU-Kommission eben erst Vorschläge gegen den Missbrauch von Sozialleis­tungen im Rahmen der Freizügigk­eit erarbeitet hatte, wollte Berlin darin eine Änderung im Sinne des Vorstosses erwirken. Mit diesem Nein an Deutschlan­d, so die grüne Europaabge­ordnete Monika Vana, „ist auch Österreich abgeblitzt“. Sollte die Bundesregi­erung dennoch eine gesetzlich­e Kürzung der Familienbe­ihilfe für EU-Ausländer beschließe­n, wäre das mit EU-Recht nicht vereinbar.

Selbst wenn Berlin und Wien im Rat der EU eine Änderung des EU-Rechts erzwingen wollen, sind die Chancen gering. Vana, die sich im zuständige­n EU-Parlaments­ausschuss für „Beschäftig­ung und soziale Angelegenh­eiten“mit der Materie befasst, sieht unter den EU-Regierunge­n derzeit keine Mehrheit für eine Anpassung der Regelung zur Freizügigk­eit. Im besten Falle würden Deutschlan­d, Österreich, Niederland­e, Dänemark und Großbritan­nien für eine Änderung stimmen. Die osteuropäi­schen Länder haben hingegen bereits Protest gegen die geplante Kürzung der Familienbe­ihilfe eingelegt, da vor allem ihre Staatsbürg­er davon betroffen wären. Und auch weitere EU-Länder zeigen bisher kein Interesse an einer Abänderung.

Marianne Thyssen argumentie­rt unter anderem damit, dass die Einsparung­en für die nationalen Budgets nur minimal wären. „Anderersei­ts käme es zu einem wesentlich höheren Verwaltung­saufwand.“Sie erinnerte im vorliegend­en Brief daran, dass die Kürzung der Familienbe­ihilfe für EU-Ausländer zwar einst mit Großbritan­nien ausgehande­lt worden war, diese Sonderrege­l aber durch das Brexit-Votum der Bevölkerun­g nie in Kraft getreten sei.

Kern warnt vor Pflegenots­tand

In Österreich geht Bundeskanz­ler Christian Kern bereits wieder auf Distanz zu der einst von ÖVP und SPÖ mitgetrage­nen Forderung. Er warnte vor negativen Auswirkung­en. „Wir müssen aufpassen, dass wir keinen Pflegenots­tand produziere­n“, zitierte ihn die „Kronen Zeitung“. Die SPÖ fordert in diesem Sinne Nachbesser­ungen im Gesetz zur Indexierun­g der Familienbe­ihilfe. Eigentlich sollte das Gesetz 2018 in Kraft treten.

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[ Reuters ] Kommissari­n Thyssen will Mobilität erhalten.

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