Kopftuchverbot: Firmen müssen sich deklarieren
Religiöse Symbole. Unternehmen dürfen diese in bestimmten Fällen verbieten – aber worauf kommt es dabei an? Und würden frühere gerichtliche Streitfälle jetzt anders ausgehen?
Wien. „Wir sind froh, dass der EuGH das klar ausgesprochen hat.“Ingomar Stupar, in der Wirtschaftskammer Österreich für Sozialpolitik zuständig, begrüßt die am Dienstag ergangenen EuGH-Entscheidungen zum islamischen Kopftuch (C-157/15, C-188/15). Der EuGH entschied, dass zwar eine Kundenbeschwerde nicht zur Entlassung einer Kopftuchträgerin berechtigt, Arbeitgeber aber das Tragen sichtbarer religiöser oder weltanschaulicher Symbole beim Kontakt mit Kunden verbieten können. Der Gerichtshof habe „unternehmerische Freiheit gegen Religionsausübung abgewogen“, sagt Stupar. Klar sei damit auch, dass „nicht jede Stellenabsage wegen eines Kopftuchs verbotene Diskriminierung sein muss“.
Worauf kommt es aber an, wenn Firmen ein neutrales Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter wollen? „Es muss im Unternehmen eine Richtlinie geben, die alle religiösen Symbole verbietet“, sagt Stefan Kühteubl, Partner bei Schönherr Rechtsanwälte. Und zwar nur für Mitarbeiter mit Kundenkontakt – „dann ist es haltbar“. Ein Arbeitgeber, der „keine klare Linie fährt“, mache sich jedoch weiterhin angreifbar.
OGH: Gesichtsschleier geht zu weit
Einzelne Streitfälle gab es in Österreich schon – Stupar meint, durch die neue EuGH-Judikatur wären sie wohl gelöst. Würde manches im Lichte der aktuellen Urteile sogar anders ausgehen? Rechtsanwältin Katharina Körber verweist auf den Fall eines Notars, der den Dienstvertrag mit einer Muslimin kündigte, weil diese im Dienst einen Gesichtsschleier tragen woll- te. Die Kündigung sei zwar rechtens gewesen, entschied der OGH – das Gesicht unverhüllt zu lassen, zähle „in Österreich zu den unbestrittenen Grundregeln zwischenmenschlicher Kommunikation“. In einem anderen Punkt sah das Höchstgericht jedoch die Frau im Recht: Bereits zuvor hatte sie Kopftuch und Abaya getragen, ihr Chef hatte ihr deshalb nur Klienten mit Migrationshintergrund zugewiesen. Laut OGH war das diskriminierend (9 ObA 117/15v).
Nach dem EuGH-Urteil wäre ein solches Vorgehen des Arbeitgebers jedoch geradezu erwünscht: Zu prüfen sei, ob es dem Unternehmen, „ohne eine zusätzliche Belastung zu tragen, möglich gewesen wäre, der Mitarbeiterin einen Arbeitsplatz ohne Sichtkontakt mit Kunden anzubieten, statt sie zu entlassen“, heißt es da. Die entscheidende Frage bleibt dennoch: Hat es schon vorher in dem Unternehmen eine generelle, kohärente „Policy der Neutralität“gegeben? „Unternehmen müssen sich überlegen: Was wollen wir?“rät die Juristin.
In Ausnahmefällen kann freilich selbst eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein – laut Unionsrecht dann, wenn „ein bestimmtes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt“(etwa ein bestimmtes Religionsbekenntnis bei einem Religionslehrer). Ließe sich so auch ein Kopftuchverbot begründen – ohne gleich alle religiösen Symbole zu verbieten? „Bei einem Frisurenmodel schon“, sagt Körber, „vielleicht auch generell beim Modelberuf. Aber das ist wohl der einzige Fall. Wer sonst muss unbedingt seine Haare zeigen?“
Mehr zum Thema – den öffentlichen Dienst betreffend – siehe Seite 8.