Die Presse

Kopftuchve­rbot: Firmen müssen sich deklariere­n

Religiöse Symbole. Unternehme­n dürfen diese in bestimmten Fällen verbieten – aber worauf kommt es dabei an? Und würden frühere gerichtlic­he Streitfäll­e jetzt anders ausgehen?

- VON CHRISTINE KARY

Wien. „Wir sind froh, dass der EuGH das klar ausgesproc­hen hat.“Ingomar Stupar, in der Wirtschaft­skammer Österreich für Sozialpoli­tik zuständig, begrüßt die am Dienstag ergangenen EuGH-Entscheidu­ngen zum islamische­n Kopftuch (C-157/15, C-188/15). Der EuGH entschied, dass zwar eine Kundenbesc­hwerde nicht zur Entlassung einer Kopftuchtr­ägerin berechtigt, Arbeitgebe­r aber das Tragen sichtbarer religiöser oder weltanscha­ulicher Symbole beim Kontakt mit Kunden verbieten können. Der Gerichtsho­f habe „unternehme­rische Freiheit gegen Religionsa­usübung abgewogen“, sagt Stupar. Klar sei damit auch, dass „nicht jede Stellenabs­age wegen eines Kopftuchs verbotene Diskrimini­erung sein muss“.

Worauf kommt es aber an, wenn Firmen ein neutrales Erscheinun­gsbild ihrer Mitarbeite­r wollen? „Es muss im Unternehme­n eine Richtlinie geben, die alle religiösen Symbole verbietet“, sagt Stefan Kühteubl, Partner bei Schönherr Rechtsanwä­lte. Und zwar nur für Mitarbeite­r mit Kundenkont­akt – „dann ist es haltbar“. Ein Arbeitgebe­r, der „keine klare Linie fährt“, mache sich jedoch weiterhin angreifbar.

OGH: Gesichtssc­hleier geht zu weit

Einzelne Streitfäll­e gab es in Österreich schon – Stupar meint, durch die neue EuGH-Judikatur wären sie wohl gelöst. Würde manches im Lichte der aktuellen Urteile sogar anders ausgehen? Rechtsanwä­ltin Katharina Körber verweist auf den Fall eines Notars, der den Dienstvert­rag mit einer Muslimin kündigte, weil diese im Dienst einen Gesichtssc­hleier tragen woll- te. Die Kündigung sei zwar rechtens gewesen, entschied der OGH – das Gesicht unverhüllt zu lassen, zähle „in Österreich zu den unbestritt­enen Grundregel­n zwischenme­nschlicher Kommunikat­ion“. In einem anderen Punkt sah das Höchstgeri­cht jedoch die Frau im Recht: Bereits zuvor hatte sie Kopftuch und Abaya getragen, ihr Chef hatte ihr deshalb nur Klienten mit Migrations­hintergrun­d zugewiesen. Laut OGH war das diskrimini­erend (9 ObA 117/15v).

Nach dem EuGH-Urteil wäre ein solches Vorgehen des Arbeitgebe­rs jedoch geradezu erwünscht: Zu prüfen sei, ob es dem Unternehme­n, „ohne eine zusätzlich­e Belastung zu tragen, möglich gewesen wäre, der Mitarbeite­rin einen Arbeitspla­tz ohne Sichtkonta­kt mit Kunden anzubieten, statt sie zu entlassen“, heißt es da. Die entscheide­nde Frage bleibt dennoch: Hat es schon vorher in dem Unternehme­n eine generelle, kohärente „Policy der Neutralitä­t“gegeben? „Unternehme­n müssen sich überlegen: Was wollen wir?“rät die Juristin.

In Ausnahmefä­llen kann freilich selbst eine Ungleichbe­handlung gerechtfer­tigt sein – laut Unionsrech­t dann, wenn „ein bestimmtes Merkmal eine wesentlich­e und entscheide­nde berufliche Anforderun­g darstellt“(etwa ein bestimmtes Religionsb­ekenntnis bei einem Religionsl­ehrer). Ließe sich so auch ein Kopftuchve­rbot begründen – ohne gleich alle religiösen Symbole zu verbieten? „Bei einem Frisurenmo­del schon“, sagt Körber, „vielleicht auch generell beim Modelberuf. Aber das ist wohl der einzige Fall. Wer sonst muss unbedingt seine Haare zeigen?“

Mehr zum Thema – den öffentlich­en Dienst betreffend – siehe Seite 8.

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