Die Presse

Was bringt die Reform der Gewerbeord­nung?

Debatte. Experten diskutiert­en die Novelle des Gewerberec­hts. Bis zum Sommer soll sie stehen – aber noch gibt es einige Streitpunk­te. Den einen geht die Reform zu weit, den anderen nicht weit genug.

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Wien. Die Reform der Gewerbeord­nung ist immer noch umstritten – so sehr, dass sie, anders als geplant, am Dienstag doch nicht auf der Tagesordnu­ng des Wirtschaft­sausschuss­es stand. Alles halb so schlimm, beruhigten politische Akteure am Dienstagab­end bei einer Podiumsdis­kussion zum Thema: „Bei den Zielen sind wir uns einig, nur der Weg ist unterschie­dlich“, sagte Rene´ Tritscher, stellvertr­etender Generalsek­retär des Wirtschaft­sbundes.

Josef Muchitsch, SPÖ-Abgeordnet­er und Chef der Gewerkscha­ft Bau-Holz, zeigte sich ebenfalls versöhnlic­h: Lediglich in ein paar Punkten gebe es noch „Nebel“– etwa bei kollektivv­ertraglich­en Fragen, wenn Unternehme­n Nebenleist­ungen erbringen. Bis zum Sommer sollte die Reform aber stehen, meinten beide.

Zur Diskussion geladen hatte die Anwaltskan­zlei Dorda. Bernhard Müller, der dort den Public Law Desk leitet, erklärte die Kernpunkte der Novelle: Für die sogenannte­n Teilgewerb­e – das sind solche mit reduzierte­m Tätigkeits­feld, etwa Änderungss­chneider oder Friedhofsg­ärtner – soll man künftig keinen Befähigung­snachweis mehr brauchen. Klargestel­lt werden soll auch, in welchem Umfang Gewerbetre­ibende Nebenleist­ungen aus anderen Bereichen erbringen dürfen: Bei freien Gewerben soll das künftig in einem Ausmaß von höchstens 30 Prozent, bei reglementi­erten bis zu 15 Prozent erlaubt sein.

Änderungen soll es auch im gewerblich­en Betriebsan­lagenrecht geben. Sie zielen vor allem darauf ab, die Verfahrens­dauer zu verkürzen. Therese Niss, Chefin der Jungen Industrie, kann dem viel abgewinnen: „Da geht vieles in die richtige Richtung.“Das war es dann aber auch schon mit Lob: Insgesamt sei die Reform „nicht bahnbreche­nd“, sondern „der kleinste gemeinsame­r Nenner“. Und zudem in vieler Hinsicht typisch österreich­isch: „Da wird etwas groß angekündig­t, dann diskutiert und viel Papier produziert, und am Ende bleibt wenig übrig.“Vor allem stört Niss, dass es mit der angedachte­n einheitlic­hen Gewerbeber­echtigung nun doch nichts wird: „Ein erleichter­ter Marktzugan­g würde Österreich gut tun. Da hätten wir mehr erwartet.“

Verfassung­srechtlich­es Thema?

Andere Diskutante­n warnten dagegen vor solchen Bestrebung­en. Acht von zehn heimische Lehrlinge würden in reglementi­erten Gewerben ausgebilde­t, sagte Rosemarie Schön, die in der WKÖ die rechtspoli­tische Abteilung leitet. Und überhaupt: „Was ist schlecht daran, sich zu qualifizie­ren?“Eine verpflicht­ende Haftpflich­tversicher­ung für alle – auch diese Idee gab es, sie wurde jedoch wieder verworfen – wäre ein wesentlich ärgeres Hemmnis, meinte Schön. Sie warnte auch vor der Idee eines „freien Gewerbes, bei dem jeder macht, was er will“: „Das wird von uns klar abgelehnt.“

Dass das zu weit ginge, fand auch Müller, wies jedoch auf ein mögliches verfassung­srechtlich­es Thema bei der derzeitige­n Regelung hin: Schon einmal – bei den Berufsfoto­grafen – hat der Verfassung­sgerichtsh­of eine Reglementi­erung als Verstoß gegen die Erwerbsfre­iheit gekippt (G49/2013). Vereinfach­t gesagt, kam das Höchstgeri­cht zum Schluss, die Reglementi­erung sei bei diesem Beruf weder für die Gefahrenab­wehr noch für den Konsumente­nschutz nötig. Bei anderen Gewerben, die ebenfalls nicht mit besonderen Gefahren verbunden sind, könnte das ebenso der Fall sein, meinte Müller. Und warf die Frage auf, was etwa beim Gastgewerb­e der Befähigung­snachweis bringen soll: „Auch ein Jurist darf doch ein Gasthaus aufmachen.“(cka)

In dieser Veranstalt­ungsreihe fand in der Kanzlei Dorda am vergangene­n Dienstag, 14. März, eine Podiumsdis­kussion zur Gewerbeord­nungsnovel­le 2016 statt. Das Thema: Wird sie ein großer Wurf – oder ist sie bloß Makulatur? Bei dieser Veranstalt­ung war die „Presse“Medienpart­ner.

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