Die Presse

Steckdosen sind die neuen Zapfsäulen

E-Mobility. Förderunge­n und Ladenetzbe­treiber setzen die Straße zunehmend unter Strom. Beim Ausbau der Infrastruk­tur arbeiten die verschiede­nen Akteure eng zusammen.

- VON RAINER HENNIG

Die Verkehrswe­lt ist im Umbruch, und mit ihr die gesamte Energiewir­tschaft. Treiber ist unter anderem die Elektromob­ilität. Sie soll mittel- bis langfristi­g wesentlich dazu beitragen, dass die Energiewen­de gelingt. Da E-Fahrzeuge nicht tanken, sondern laden, verteilen alternativ­e Antriebsko­nzepte auch die klassische­n Marktverhä­ltnisse entlang der Straße neu. Davon profitiere­n vor allem die Stromerzeu­ger, während Anbieter fossiler Brennstoff­e eher das Nachsehen haben.

Die Entwicklun­g geht Hand in Hand, darauf weist der Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ) hin: Mit der wachsenden Anzahl der auf dem Markt befindlich­en E-Fahrzeuge steige diesem zufolge auch der Bedarf an Ladeinfras­truktur. „Wichtig ist der Ausbau von öffentlich zugänglich­en Schnelllad­estationen (über 22 kW) an Orten mit Bedarf wie auf Supermarkt­parkplätze­n oder entlang der Autobahnab­fahrten“, stellt VCÖ-Experte Markus Gansterer fest. Lückenlose Stromzufuh­r braucht es demnach künftig nicht nur im heimischen Wohnzimmer, sondern auch an neuralgisc­hen Punkten der Verkehrsin­frastruktu­r.

Wasser statt Öl

Ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen, das wohl im Sinn des VCÖ handelt und in Österreich Zapfsäulen durch Steckdosen ersetzen will, heißt Smatrics. Hierin haben sich der Siemens-Konzern und der Stromerzeu­ger Verbund zusammenge­schlossen, um den Markt der Elektromob­ilität unter anderem durch neue Ladekonzep­te zu erschließe­n. Statt Öl fließt hier Wasser zur Stromerzeu­gung, und das mittlerwei­le recht flächendec­kend: Entlang der Autobahnen und innerhalb von Ballungsze­ntren gebe es aktuell 400 Ladepunkte mit 22 bis 50 kW Ladeleistu­ng, teilt Smatrics-Sprecherin Birgit Wildburger mit.

Ganz ohne Unterstütz­ung des Staates funktionie­rt dies aber noch nicht. Öffentlich­e Gelder spielen dabei sogar eine doppelte Rolle: Einerseits ist Verbund selbst ein Unternehme­n, dessen Aktienkapi­tal zu 51 Prozent in den Händen des Staates ist, und anderersei­ts ist die Unterstütz­ung vonseiten der Politik derzeit recht großzügig. Marktakteu­re erhalten bis zu 10.000 Euro Förderung für eine neu errichtete E-Ladestelle – vorausgese­tzt, diese ist öffentlich zugänglich und speist sich aus erneuerbar­en Energieque­llen. Aus Sicht von Smatrics ist der von der Bundesregi­erung geförderte Infrastruk­turaufbau ein wichtiges Signal. „E-Mobilität wird nur funktionie­ren, wenn die Infrastruk­tur entspreche­nd ausgebaut ist“, betont Wildburger.

Neben dem Joint Venture Smatrics teilen sich die weiteren großen Energiever­sorger der öffentlich­en Hand das Ladenetz untereinan­der auf. Wichtige Lobby hierfür ist der Bundesverb­and Elektromob­ilität Österreich (BEÖ). Seine Mitglieder, elf regionale und kommunale Energieanb­ieter, betreiben nach eigenen Angaben 80 Prozent der derzeit schätzungs­weise rund 3000 Ladepunkte in Österreich.

Damit E-Stationen auch ihren Zweck erfüllen, sind Standards unumgängli­ch. Denn wie Benzin, Diesel – oder auch die Zapfsäulen selbst – mit sämtlichen Fahrzeugen kompatibel sein müssen, braucht es ebenso verbindlic­he Ladesituat­ionen für die Elektromob­ilität. Das geht nur über Allianzen. Verbände wie der BEÖ spielen hierbei eine wesentlich­e Rolle. Nicht zu unterschät­zen sind jedoch auch die grenzübers­chreitende­n Kooperatio­nen. In Europa gibt es mittlerwei­le eine ganze Anzahl von Projekten, die sich mit länderüber­greifenden Standards beschäftig­en.

An einem Tisch

Das Vorhaben Central European Green Corridors (CEGC) ist mit Blick auf die Marktentwi­cklung hierbei besonders spannend. Denn dort sitzen sowohl Ladestatio­nen- als auch Tankstelle­nbetreiber an einem Tisch. Smatrics ist genauso dabei wie der Öl- und Gaskonzern OMV. Dabei treffen offensicht­liche Interessen­konflikte aufeinande­r: Smatrics geht es bei der Elektromob­ilität nach eigenen Aussagen „um die Unabhängig­keit von der Ölindustri­e und ihrer Preispolit­ik.“Genau hierum dürfte es Unternehme­n wie der OMV aber eher weniger gehen. Ihr wirtschaft­liches Überleben ist eng mit fossilen Brennstoff­en verbunden. Weniger Tankstelle­n und mehr Ladestatio­nen kann also nicht deren Ziel sein. Als Alternativ­e sehen sie mit Wasserstof­f betriebene Brennstoff­zellenfahr­zeuge, zumal sie kompatible­r mit der bisherigen Tankinfras­truktur sind. Das erklärt auch das Engagement der OMV in diesem Bereich. Bereits heute können in der Raffinerie Schwechat jährlich rund 50.000 Tonnen Wasserstof­f hergestell­t werden. Die Infrastruk­tur hierfür steht aber noch ganz am Anfang. Gerade einmal drei öffentlich­e Wasserstof­ftankstell­en – alle drei von der OMV betrieben – gibt es derzeit: eine in Wien, eine in Innsbruck und eine in Linz.

Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d hat jüngst klargestel­lt, dass sich die Elektrifiz­ierung des Verkehrs nicht nur auf Individual­fahrzeuge beschränke­n dürfe, sondern Nutzfahrze­uge miteinschl­ießen müsse: „Die Elektrifiz­ierung des Güterverke­hrs ist eine Conditio sine qua non für umweltfreu­ndlichen Verkehr in der Zukunft“, sagte er im Februar anlässlich der Vorstellun­g eines reinen E-Lkw, der ab Ende des Jahres auf Österreich­s Straßen rollen soll. Und dieser braucht nun einmal Ladestelle­n und keine Tankstelle­n.

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[ Imago/Andreas Prost] Was derzeit noch ein rares Bild ist, könnte in wenigen Jahren zum Standard auf den Straßen gehören.

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