Dunkle Himmelsmächte werden immer dunkler
Astronomie. Die dunkle Materie hatte im frühen Universum weniger Einfluss auf die sichtbare als heute, das zeigen Beobachtungen alter Galaxien. Ähnlich gewandelt haben könnte sich auch die dunkle Energie.
Am Himmel bzw. in den Köpfen, die ihn verstehen wollen, geht es drunter und drüber. Und das spätestens seit 1933: Da bemerkte der Astronom Fritz Zwicky, dass die einzelnen Galaxien im Coma-Galaxienhaufen so rasch flogen, dass sie den Haufen zerreißen hätten müssen. Aber irgendetwas, was man nicht sehen konnte, hielt ihn mit Gravitation zusammen. Zwicky nannte die dunkle Macht „dunkle Materie“, er wurde verlacht.
Aber in den 60er Jahren zeigte sich das Phänomen wieder, diesmal an rotierenden Galaxien: Außen müsste die Umlaufgeschwindigkeit der Sterne viel niedriger sein, als sie ist, irgendetwas muss sie in Schwung halten, wieder durch Gravitation. Die zeigte später als eine Art negative eine noch viel stärkere Wirkung: Irgendetwas treibt das ganze Universum auseinander, das nannte man „dunkle Energie“. So blieb vom Himmel ein kläglicher Rest: Sichtbar sind ganze 4,9 Prozent, die dunkle Materie bildet 26,8 und die dunkle Energie 68,3. Bei Letzterer hat man keine Ahnung, woraus sie bestehen könnte, bei dunkler Materie gibt es Ideen, bestätigt werden konnte noch keine.
Immerhin ging man davon aus, dass beide immer gleich wirken, sich nicht verändern. Diese Sicht erodiert bei der dunklen Energie seit einiger Zeit: Unterschiedliche Messmethoden bringen unterschiedliche Ausd eh nungs geschwindigkeiten des Uni- versums: Die eine liest die Geschichte von heute zurück – über die Fluchtgeschwindigkeit von Sternen –, die andere rekonstruiert sie umgekehrt, über kosmische Hintergrundstrahlung, die noch vom Urknall da ist. Zum Beseitigen des Widerspruchs hat man deshalb gerade noch etwas postuliert: „phantom dark energy“, die im Lauf der Zeit immer stärker wird (Science 355, S. 1014).
Ist es bei der dunklen Materie auch so? Dass Galaxien außen so rasch rotieren, dass es nur von dunkler Materie kommen kann, hat man an jungen Galaxien beobachtet. Jetzt hat eine internationale Gruppe um Reinhard Genzel (MPI extraterrestrische Physik) sechs Galaxien in den Blick genommen, die zehn Milliarden Jahre alt sind – und außen langsamer rotieren als innen. In ihnen kann gerade keine dunkle Energie am Werk sein: Es war also keine da, oder zumindest viel weniger (Nature 15. 3.). Wie das zugeht, liegt völlig im Dunkeln: Entweder es gab im frühen Universum – es ist 14,5 Milliarden Jahre alt – keine/kaum dunkle Materie. Oder es gab sie nicht dort, wo die sichtbare Materie sich zu Galaxien zusammen zog.