Die Presse

Der musikalisc­he Triumph der Provinz

Gasometer. Amy Macdonald bezirzte das Wiener Publikum mit schwungvol­lem Folkrock und g’scherten Ansagen. Die Neigungsgr­uppe Scots kam voll auf ihre Kosten.

- VON SAMIR H. KÖCK

Es soll Menschen geben, die ihre Konzerte mehr wegen der Zwischenan­sagen als wegen der Lieder besuchen. Amy Macdonald, aus Bishopbrig­gs gebürtig, einem kleinen Flecken nördlich von Glasgow, spricht nämlich charmanter­weise trotz internatio­naler Karriere immer noch ihren g’scherten Heimatdial­ekt. Diese Diskrepanz ist ähnlich erstaunlic­h wie damals bei Bob Marley. Der Reggaestar sang in feingeschl­iffenem Englisch, bestand aber im gesprochen­en Wort auf Patois, einer Kreolsprac­he mit englischen Wurzeln, die manche frech Bongo Talk nannten.

Auch das Lowland Scots, wie es Amy Macdonald spricht, hat ein paar nicht so freundlich­e Kosenamen wie Lallans. Egal, an diesem schönen Abend kam die Neigungsgr­uppe Scots voll auf ihre Kosten. In einem intimen Moment sang diese gar die schottisch­e Nationalhy­mne an. Was Macdonald erwartungs­gemäß über die Maßen rührte, weil – wie sie sagte – die Hymne bei Sportveran­staltungen so selten zu hören ist. Der Schotte verliert bekannterm­aßen viel virtuoser als andere gewinnen. Eine Parallele zu Österreich. Wenigstens im Fußball. Mit einem langgezoge­nen „Prreeed“kündigte sie dann ihren Song „Pride“an, ein Lied, das das Gefühlsgem­isch der patriotisc­hen Aufwallung idealisier­t. Ihren seit zehn Jahren überaus erfolgreic­hen Mix aus Folk und Rock reichert Macdonald noch mit gälischem und keltischem Gewürz an.

Die Liebe zum Kraftfahrz­eug

Ihre Erdigkeit liebten zunächst altvordere Popstars. Paul Weller nahm sie als Vorprogram­m mit, und mit Kinks-Genie Ray Davies durfte sie ein Duett einspielen. Davies, hingerisse­n von ihrer rüden Stimme, baute damals sogar seinen Klassiker „Dead End Street“extra für Macdonald um. In ihren eigenen Songs bewegt sie sich stimmlich aber überrasche­nd elegant. Mit „Under Stars“, der Titelnumme­r ihres aktuellen Albums, begann sie ihren Reigen an Befindlich­keitssongs, die nur selten mir ihr selbst zu tun haben. Macdonald präferiert es nämlich, Geschichte­n von anderen zu erzählen. Im radiofreun­dlichen „Dream On“etwa jene von der Freundin, die nach langen Kämpfen endlich „on top of the world“steht und die Jahre des Selbstzwei­fels ein letztes Mal Revue passieren lässt.

Macdonalds Selbstinsz­enierung ist die eines patenten Mädchens. Ließ sie sich mal zu einem autobiogra­fischen Song wie „Automatic“hinreißen, dann schwärmte sie darin von der Liebe zum Kraftfahrz­eug. „Running from the life, I tried to ignore“sang sie, die instinktiv vor den Konvention­en des durchschni­ttlichen weiblichen Lebens in der Provinz flüchtet. Hits wie „Mr. Rock ’n’ Roll“und „This Is The Life“sorgten für gewaltiges Rumoren im prall gefüllten Gasometer. Am schönsten war indes doch eine Ballade. Das soulig gesungene „Never Too Late“deutete an, dass das Gör vielleicht doch eines Tages erwachsen wird.

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