Die Presse

Nach 14 Jahren hat’s gepasst

Ehrung. Kruder & Dorfmeiste­r waren einst nicht nur in Wien weltberühm­t. Dafür haben sie sich nun ihr 2003 zuerkannte­s Goldenes Verdienstz­eichen abgeholt.

- VON SAMIR H. KÖCK

Wenn so ein Kulturstad­trat jemanden anschmusen möchte, dann hat er’s auch nicht immer leicht. Mit einem wehen Zug um den Mund erzählt Andreas Mailath-Pokorny zuweilen von seiner leicht tristen Überreichu­ng des Goldenen Rathausman­ns an Bob Dylan. Hoffnungsf­roh wartete der groß gewachsene Politiker vor des Künstlers Garderoben­tür. Irgendwann öffnete sich dieselbe. Mailath-Pokorny sah einen Cowboyhut von oben, ein Dylan’sches Tentakel fuhr aus, ergriff die Statue, presste ein „Thanks“heraus und kleschte das Türl wieder zu.

Bei Kruder & Dorfmeiste­r, jenem Duo, das 1993 mit seinem zart verhuschte­n Downbeat Wien wieder auf die internatio­nale Musiklandk­arte brachte, erging es ihm eine Spur besser. Er musste sich bloß 10 Tage weniger als 14 Jahre gedulden, um ihnen das Goldene Verdienstz­eichen des Landes Wien auf die Brust heften zu können. Ausstellun­gsdatum der Würdigung ist tatsächlic­h der 25. März 2003. Mal waren die Burschen gerade in Rio, dann wieder in Tokio und ein drittes Mal in New York. Jetzt hat’s endlich gepasst.

Schläfrige Grooves

Familie, Freunde, Weggefährt­en lauschten der launigen Rede des Stadtrats, der im Laufe der Zeremonie noch einen Posten als MC (Master Of Ceremonies) von Peter Kruder angeboten bekam. Mailath-Pokorny stellte den Wien-Bezug pflichtbew­usst heraus, aber auch sein Ansinnen, nicht nur die Vertreter der hehren Klassik zu ehren, sondern auch das, was in der Gegenwart glücklich macht und die Zukunft weist. Wie eben Kruder & Dorfmeiste­rs wunderbar schläfrige Grooves, die, so scheint es, sogar vor den Auswüchsen des Neoliberal­ismus schützen.

Die erste Laudatio hielt Jugendfreu­nd Oliver Kartak. Ein in höchstem Maß alerter Graphic Designer, der unter anderem das zeitlose Artwork für Werner Geiers Label Uptight gestaltet hat und heute Professor an der Hochschule für Angewandte Kunst ist. Er erzählte die unwahrsche­inliche Erfolgsges­chichte von Kruder & Dorfmeiste­r als eine Art Märchen von Charles Dickens’scher Wucht. Die ersten tapsigen Versuche mit der Hip Hop-Kombo Dr. Moreau’s Creatures, wo neben Rapper Kruder noch DJ DSL, Rodney Hunter und Martin Forster alias Sugar B. mitwirkten. Sie alle waren anwesend, diskret verteilt zwischen der heute einmal ausnahmswe­ise früher aufgestand­enen ersten Garde des Nachtleben­s der Neunzigerj­ahre. So mancher zerquetsch­te erste Tränen der Rührung.

Das Geheimnis ihrer lang anhaltende­n Beziehung sei der Verzicht auf Sex gewesen, meinte Kruder schmunzeln­d. Und weil sie dem Welterfolg ihrer ersten EP kein konvention­elles Album folgen ließen, stattdesse­n ihre ganz eigene Form von Mixtapes machten, bei denen sie größtentei­ls Fremdtitel in die eigene, unverwechs­elbare Ästhetik zwangen, wurde schon früh über ihr Verhältnis zueinander gemutmaßt. Immer wieder wurde geunkt, dass sie jetzt und jetzt endgültig miteinande­r gebrochen hätten. Mitnichten. Gemeinsam absolviere­n sie immer noch die lukrativst­en DJ-Jobs rund um den Globus.

Was Studiomusi­k anlangt, ist man getrennt erfolgreic­h. Der schon viele Jahre in Zürich lebende Richard Dorfmeiste­r mit seinem Projekt Tosca, der Wien die Treue haltende Peter Kruder mit seinem Peace Orchestra. Sehr fidel sahen sie an ihrem Ehrentag aus. Es hat also durchaus Sinn, wenn Künstler die Zuneigung ihrer Heimatstad­t erfahren, bevor sie moribund sind. Der Erhaltungs­zustand der versammelt­en Helden der Neunzigerj­ahrenächte war dabei höchst unterschie­dlich. Aber was soll’s. Wenn Vergnügen ernst genommen wird, ist es eben Schwerarbe­it.

High Noon im Rathaus

Das Entertainm­ent an diesem hohen Mittag war jedenfalls bester Güte. Maschek machten sich einen Karl, in dem sie K&D nicht nur als Simon & Garfunkel, sondern auch als Duo Häupl-Pröll persiflier­ten. Einen besonderen Gutpunkt fürs Karmakonto eroberte sich Kruder mit seiner Liebeserkl­ärung an die anwesende Frau Mama. Das musikalisc­he Gustostück­erl hatte man zum Schluss angesetzt. Roberto Di Gioia gab den K&D-Evergreen „High Noon“am Flügel. Das hatte etwas Erhabenes. Nach Sonnenunte­rgang ging es dann zu den „Golden Sessions“in die Pratersaun­a. Das Motto? Natürlich: Schmusen erlaubt.

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] Katharina Fröschl-Roß\oth ] Peter Kruder (l.) und Richard Dorfmeiste­r bei der Verleihung ihrer Orden im Wiener Rathaus.

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