Ein Roman wie ein Songbook
Roman-Revue. Attwenger-Texter und -Sänger Markus Binder hat einen Roman geschrieben. Ein rasanter Reisebericht, fast wie von einem anderen Planeten.
Liest man Markus Binders „Teilzeitrevue“, man hat fast unweigerlich seine Attwenger-Stimme im Ohr. Den unverkennbaren Sound, Schlagzeug, Harmonika, Dialekt (Sprech-)Gesang. Ein Roman, teils aus Songtexten und Gedichten, die ebenso Lyrics seines Duos Attwenger sein könnten. „Wo wohnt das Gewohnheitstier? Mir kommt es vor, es wohnt in dir. Ganz genau so gut in mir. So gesehen: Zoos sind wir. Zoos für das Gewohnheitstier.“Oder: „Ein Junge stand am Straßenrand, Geld, das fiel ihm aus der Hand, die Sonne schien wie ein Revolver“, zitiert Binder beim Gespräch im Kaffee Alt Wien zwei Lieblingsstellen.
Es sind kleine Gedichte, alltägliche Beobachtungen, Reflexionen über die Absurditäten des Lebens, einmal verstörte, einmal begeisterte Betrachtungen über das tägliche Chaos, durch das sich moderne Menschen bewegen, mitunter verpackt in Haikus – denn die, sagt Binder, seien eine seiner besonderen Leidenschaften, und zitiert sein Liebstes: „Den Mond im Fenster hat der Dieb zurückgelassen.“
Aber es sollte um sein Buch gehen: Das ist eine wilde Mischung, eingebettet in eine Reise zweier Protagonisten, die man auf 230 Seiten kaum kennenlernt. Ohne Namen oder Berufe sind sie, „eher Träger von Gedanken, um Reflexionen und Geschichten zu organisieren“, sagt er. Wessen Dialogen oder Gedanken man gerade folgt, ist oft nicht klar – und auch nicht wesentlich. Binder spielt mit Sprache, Beobachtungen, Missverständnissen. Er nennt „Teilzeitrevue“einen Hybridroman – ein Roman, „von verschiedenen literarischen Formen angetrieben“, Prosa, Gedichte, Songtexte. Einige davon hat er auch als Songs vertont.
Zwölf Jahre hat Markus Binder daran geschrieben. Begonnen habe er nach seinem ersten Roman „Testsiegerstraße“. Über die Jahre hat er, meist auf Reisen, Texte und Fragmente verfasst – übrigens am Handy, er schreibe, sagt er, fast nur per iPhone-Notizfunktion – und dann zum Roman zusammengefügt (das dann nicht am Handy).
Zwölf Jahre? „Schreiben findet auf einem Parallelplaneten statt. Dort vergeht die Zeit langsamer.“Prosa habe eine eigene Atmosphäre, er komme ins Philosophieren, Reflektieren – das dauert. Die Texte für Attwenger seien eher von Rhythmus getrieben, die entstehen beim Jammen mit Kompagnon HansPeter Falkner oder anhand verschiedener Begriffe oder Gesprächsfetzen, die er im Alltag aufschnappt.
Der Stoff geht Attwenger nicht aus
Und schließlich ist auch Attwenger dazwischen gekommen. 2015 ist mit „Spot“das jüngste Album erschienen. Das Konzept funktioniert auch nach mehr als 25 Jahren, elf Alben und 850 Konzerten. Auch, wenn das Ländliche, das Neo-Volksmusikimage weniger geworden ist. Immerhin lebt Binder, dreifacher Vater, nun schon seit Jahren mit seiner Lebensgefährtin, der Regisseurin Jessica Hausner, vorwiegend in Wien. „Früher war auch einiges an Fassade dabei. Wir waren und sind auch sehr gern Stadtbewohner.“
Und während es in den Anfangsjahren großes Thema war, dass er in Mundart singt, sich Attwenger zwischen Volksmusik, Punk und Elektronischem bewegt, ist Dialekt heute – man denke an Voodoo Jürgens, Wanda – kein Thema mehr. Waren sie da Wegbereiter? „Das sieht man vielleicht im Nachhinein so. Wir haben nur gemacht, was uns taugt.“Heuer sind jedenfalls rund 40 Konzerte von Ebensee bis Brüssel geplant. „Wir verstehen uns super, auch wenn wir uns oft wochenlang nicht sehen. Ideen gibt’s immer, es entsteht immer was Neues.“