Ex-Leibwächter will zurück an die Macht
Bulgarien. Zwei Mal scheiterte er als Premier. Nach der Wahl am Sonntag dürfte Bojko Borissow beim Koalitionspoker aber das beste Blatt haben.
Chaskowo. Unter vergoldetem Gipsstuck mimt Bulgariens einstiger Heilsbringer den pragmatischen Bürgervater. Lässig auf das Rednerpult im Theater von Chaskowo gelehnt warnt der wuchtige Ex-Premier Bojko Borissow unter schweren Samtvorhängen seine rund 200 Zuhörer eindringlich vor den „törichten Versprechen“der sozialistischen BSP. Seine konservative Partei Gerb habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, und stehe „fest auf dem Boden“, versichert der frühere Leibwächter: „Dem Populismus unserer Gegner sind hingegen keine Grenzen gesetzt: Mit ihnen würde Bulgarien der erneute Absturz drohen.“
Zum dritten Mal in vier Jahren müssen sich die Bulgaren am Sonntag vorzeitig zu den Wahlurnen aufmachen, um die – einschließlich mehrerer Übergangskabinette – siebte Regierung seit 2013 zu küren. Umfra- gen prophezeien ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Großparteien Gerb und BSP, die mit einem prognostizierten Stimmenanteil von jeweils 30 bis 32 Prozent der Stimmen für eine Koalition auf mindestens zwei weitere Partner angewiesen sein dürften.
Nicht nur die Flüchtlingskrise und fragwürdige Wahlkampf-Interventionen Anka- ras überschatten den von patriotischen Tönen geprägten Stimmenstreit: Auch die EUSanktionen gegen Russland sorgen im Wahlkampf für anhaltenden Wellenschlag.
Selbst lästige Fragen bringen Borissow bei seinem Auftritt in Chaskowo nicht aus dem Konzept. Er habe sich als Premier in der Ukraine-Krise in der EU am entschiedensten gegen die Verhängung der Sanktionen gegen Russland eingesetzt, beteuert er. Doch ein Ausscheren aus der Sanktionsfront würde das Land noch teurer zu stehen kommen als deren kostspielige Folgen: „Wir würden ein Vielfaches an EU-Fördermitteln verlieren.“
Glanz des „Sheriffsterns“ist verblasst
Zu Beginn seiner steilen Karriere setzte er noch auf markig populistische Töne. Als selbsternannter Saubermann und Sheriff der Nation war dem früheren Karate-Coach 2005 die Kür zum Bürgermeister von Sofia und 2009 die erstmalige Wahl zum Regierungschef geglückt.
Doch der einstige Glanz seines „Sheriffsterns“ist nicht nur wegen seiner kargen Erfolgsbilanz in dem von ihm vollmundig verkündeten Feldzug gegen die Korruption verblasst. Auch zehn Jahre nach dem Beitritt zu Europas Wohlstandsbündnis dümpelt Bulgarien in der EU noch immer am Ende fast aller Sozialstatistiken. Zwei Mal ist der Hobby-Kicker bei einer Regierungsmission bereits vorzeitig gescheitert. 2013 gab er nach wütenden Protesten gegen geplante Strompreiserhöhungen auf. Im November kündigte er nach der kläglich Schlappe der von ihm gekürten Gerb-Kandidatin Zezka Zatschewa bei den Präsidentenwahlen erneut seinen verfrühten Abtritt an.
Doch obwohl die BSP unter Führung der neuen Parteichefin Kornelija Ninewa ihren Stimmenanteil vermutlich verdoppeln kann, scheinen Abgesänge auf die Ära Bojko verfrüht: Beim zu erwartenden Koalitionspoker könnte erneut Borissow das beste Blatt in der Hand halten.
Auf der Suche nach „starker Führung“
Auch nach der Wahl werde Borissow die „dominierende Figur“auf Bulgariens Politparkett bleiben, glaubt der Analyst Stojtscho Stojtschew in Sofia. In einer Gesellschaft, in der eine starke Führung mehr zähle als starke Institutionen, sei der Ex-Premier noch immer „der mit Abstand populärste Politiker“, sagt Stojtschew.
Bei der Regierungsbildung verfüge Borissows Partei Gerb zudem über ein „größeres Koalitionspotenzial“als die BSP, meint der Analyst. Am wahrscheinlichsten sei darum eine Koalition von Gerb mit den nationalistischen „Vereinten Patrioten“und der populistischen „Wolja“des Unternehmers und „Balkan-Trump“Wesselin Mareschki.