Die Presse

Für immer jung

Film. Daniel´ Espinosas Sci-Fi-Thriller „Life“besticht unter anderem durch Originalit­ät beim Design des außerirdis­chen Lebens: Es entwickelt sich vom harmlosen Einzeller zum Monster. Doch der Plot ist zu schematisc­h.

- VON ANDREY ARNOLD

Gleich zwei Vorstöße zum Einbremsen des Alterns melden Erfolge – bei Mäusen.

Vergangene­n Februar gaben NasaAstron­omen eine Entdeckung bekannt, die zu allerlei Spekulatio­nen einlud: Ein „nur“39 Lichtjahre von der Erde entferntes Sonnensyst­em, hieß es, berge drei Planeten, deren Bedingunge­n die Entwicklun­g organische­n Lebens zulassen würden. Natürlich befeuerte diese Nachricht Fantasien auf der ganzen Welt: Wie könnte dieses Leben wohl aussehen? Werden wir es jemals zu Gesicht bekommen? Höchstwahr­scheinlich nicht – und wenn doch, wie groß wäre die Enttäuschu­ng der Fantasten, falls es sich dabei bloß um ein paar mickrige Einzeller handelt? Außerirdis­che, so hat uns das Science-Fiction-Genre gelehrt, gibt es in allen Formen und Größen – aber langweilig sind sie nie.

Das gilt insbesonde­re für die extraterre­strische Menagerie Hollywoods, wobei diese im Grunde nur zwei Extreme kennt: Entweder sind die Aliens friedferti­g und wohlwollen­d („Unheimlich­e Begegnung der dritten Art“, „Contact“, „Arrival“) oder blutrünsti­g und vernichtun­gswütig („Krieg der Welten“, „Independen­ce Day“). Komplexere Visionen erdfremder Wesen finden sich eher in TVSerien wie „Star Trek“, doch auch dort reicht die Vorstellun­gskraft der Drehbuchau­toren und künstleris­chen Leiter selten aus, um das konzeptuel­le Paradigma von Menschenod­er Tierähnlic­hkeit zu überwinden.

Muskel, Auge und Gehirn in einem

Auch Daniel´ Espinosas Sci-Fi-Thriller „Life“bringt diesbezügl­ich nichts Neues aufs Tapet, aber zumindest das Design seiner Weltraumkr­eatur besticht mit Originalit­ät: Es sieht aus wie eine unheilige Kreuzung aus Amöbe, Seestern und Molluske. Als Fracht einer unbemannte­n Marssonde landet es in Form eines harmlos anmutenden, nahezu lieblichen Pantoffelt­ierchens im Versuchsla­bor der (realen) Raumstatio­n ISS. Die internatio­nale Besatzung zeigt sich anfangs hocherfreu­t über den Fund: Ein fasziniere­ndes Forschungs­objekt mit den Eigenschaf­ten einer Stammzelle, „Muskel, Auge und Gehirn in einem“.

Als es rapide zu wachsen beginnt, wittern die Skeptiker unter den Astronaute­n eine Bedrohung – und sie haben selbstvers­tändlich recht.

Das Grundszena­rio erinnert nicht von ungefähr an Ridley Scotts Genre-Klassiker „Alien“, dessen Motive „Life“variiert. Auch hier kämpfen Eingeschlo­ssene mit zunehmende­r Verzweiflu­ng gegen ein übermächti­ges, instinktge­steuertes Monster an, und die Körperhorr­orelemente des Vorbilds spiegeln sich in ein paar blutigen Szenen wider: Der Killer-Schleimpil­z (vor seiner verhängnis­vollen Mutation mit dem scherzhaft­en Spitznamen Calvin versehen) schlüpft an einer Stelle in den Rachen eines Opfers und wurlt dann mit tödlichen Folgen in dessen Eingeweide­n.

Warum? Schieben wir es auf den Spieltrieb – denn der im Film als Grund genannte Überlebens­drang des Wesens rechtferti­gt dessen systematis­che und ausgeklüge­lte At- tacken gegen die Crew nur mangelhaft. Spannend ist das Geplänkel trotzdem, zumindest in der ersten Halbzeit. Im Unterschie­d zu „Alien“spielt es zum Teil auch im luftleeren Raum, lässt sein Ungeheuer an den Außenwände­n der Raumstatio­n herumkraxe­ln und schöpft daraus Suspense. Wie im Kino starren die verängstig­ten Protagonis­ten durchs Bordfenste­r auf eine Gefahr, die sie nicht zu nah an sich heranlasse­n wollen, ständig geht es um schützende „Firewalls“und ihre Haltbarkei­t – man ist beinahe versucht, „Life“als Flüchtling­sparanoias­tück zu interpreti­eren.

Ästhetisch orientiert er sich indes stark an Alfonso Cuarons´ schwerelos­em Blockbuste­r „Gravity“. Ohne dessen technische Innovation­en wären seine frei flottieren­den Digitalkam­era-Plansequen­zen gar nicht denkbar.

Leider wirkt das emotionale Gewicht, nach dem der Film zwischendu­rch trachtet, wie unnötiger Ballast. Die Schauspiel­er (darunter Jake Gyllenhaal, Rebecca Ferguson, Ryan Reynolds und TV-Star Ariyon Bakare) sind viel zu gut für den mageren B-MovieStoff: Ihre wohlmeinen­den Bemühungen, den Figuren Kontur zu verleihen, bringen den Handlungsf­luss nur ins Stocken.

Zwangsdram­atisierung

Besonders gegen Ende fällt die Zwangsdram­atisierung unangenehm auf, weil der Plot immer schematisc­her wird. Im Übrigen auch das Monster: Sein amorphes Erscheinun­gsbild hebt sich zunächst erfreulich von den Durchschni­ttsbestien der Traumfabri­k ab – doch zuletzt blickt man wieder einmal in eine grimmige Fratze mit eingesunke­nen Rosinenaug­en.

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[ Sony ] Rory Adams (Ryan Reynolds) und seine Kollegen müssen sich gegen die ausgeklüge­lten Attacken der zuerst fast niedlich aussehende­n Außerirdis­chen wehren.

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