Der Kampf um Christoph Leitls Erbe
Wirtschaftskammer. Nach dem Angriff auf Christoph Leitl und seine Kammerreform ist das Rennen um seine Nachfolge eröffnet. Und eine Plattform ruft zur Verweigerung der Beiträge auf.
Wien. Ob Walter Ruck wohl das Ganze bereut? Man weiß es nicht. Anzunehmen wäre es allerdings. Der Chef der Wiener Wirtschaftskammer war nämlich Initiator jenes Briefes, der am Montag Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ereilte. Es war ein schriftlicher Protest gegen die von Leitl geplante Kammerreform. Unterzeichnet von den Spitzen der Landeskammern in Niederösterreich, Salzburg, dem Burgenland und Wien. Wenige Tage später, am gestrigen Donnerstag, musste Walter Ruck wohl einsehen: Die Sache ist keinesfalls so aufgegangen, wie er sich das vorgestellt hatte. Sie könnte ihm sogar einen schmerzhaften Karriereknick bescheren.
Dabei hatte die Angelegenheit für Ruck ziemlich verheißungsvoll begonnen: Am 10. März hatte Leitl seine Kammerreform präsentiert. Kernpunkt: Ab 2019 sollen 134 Mio. Euro jährlich eingespart werden. Dadurch sollen die Mitglieder, die zwangsweise bei der WKO dabei sind, in den Genuss von um 15 Prozent niedrigeren Beiträgen kommen. Es soll für Leitl, der vermutlich gegen Ende 2018 in den Ruhestand gehen soll, so etwas wie ein glanzvoller Abschied sein.
Anleihen bei SPÖ-Rebellen?
Walter Ruck wäre gern Leitls Nachfolger an der Spitze der Wirtschaftskammer – so viel steht fest. Nicht überliefert ist die Begründung für seinen geharnischten Brief und die offene Rebellion gegen Leitls Kammerreform. Weil er den Generationswechsel beschleunigen wollte? Hat er gar Anleihe bei den SPÖ-Rebellen in Wien genommen, die Bürgermeister Michael Häupl scheibchenweise zu demontieren versuchen?
Sollte das tatsächlich Rucks Motiv gewesen sein, habe er sich ordentlich verschätzt – so der Tenor unter Kammer-Granden hinter vorgehaltener Hand: Ruck habe, so wird erzählt, gemeinsam mit seinem Generalsekretär, Alexander Biach, in den vergangenen Tagen emsig nach Unterstützern für ihren Brief gesucht. Und drei gefunden: Konrad Steindl aus Salzburg, Peter Nemeth aus dem Burgenland und Sonja Zwazl aus Niederösterreich. Vor allem Zwazl soll in der Kammer Niederösterreich unter budgetären Problemen leiden und um jeden Euro, der ihr „weggenommen werden soll“, kämpfen.
Womit Ruck wohl nicht gerechnet hatte: Er hat weniger Leitl als eher sich selbst geschwächt. Weil er – mitsamt den drei anderen Unterzeichnern – als Blockierer dasteht. Ob das einem künftigen Kammerpräsidenten gut zu Gesicht steht?
Die „Reformverweigerung“könnte sich sogar als Bärendienst erweisen. „Die Kammerfunktionäre streiten nur um ihre Pfründe“, sagt der Salzburger Unternehmer und Neos-Parlamentarier Sepp Schellhorn. Die von Leitl vorgestellte Kammerreform verdiene den Namen Reform nicht. „Von einer echten Entlastung der Unternehmer kann keine Rede sein“, sagt Schellhorn und findet es bezeichnend, dass nicht einmal diese homöopathische Entlastung von Funktionären mitgetragen wird.
Schellhorn plant deshalb eine Unternehmerplattform, deren erklärtes Ziel es ist, gegen die Zwangsmitgliedschaft zu protestieren und die Zahlung der Kammerbeiträge einzustellen. Als Verbündeten hat er den Wiener Steuerberater Gottfried Schellmann gefunden. „Der Kammer geht es nur mehr um die Notwendigkeiten der Funktionäre, nicht mehr um die Notwendigkeiten der Wirtschaft“, sagt Schellmann.
„Nur ein erster Schritt“
Zur Erinnerung: Bereits 2008 taten sich sechs Industrieunternehmen zusammen und verweigerten die Zahlung der beiden Kammerumlagen. Am Ende mussten die Konzerne – darunter die Voestalpine, Magna und Kapsch – klein beigeben. Schellhorn will nun eine Rebellion der Klein- und Mittelbetriebe initiieren.
Aber auch in der Industriellenvereinigung (IV), die mit der Liste Industrie eine wichtige Fraktion in der Wirtschaftskammer stellt, rumort es hörbar. Immerhin steuert die Industrie knapp ein Drittel aller Kammerbeiträge bei, lukriert aber nur ein Achtel der Leistungen. Für IV-Generalsekretär Christoph Neumayr ist die Reform nur „ein erster Schritt“.
Bleibt die Frage, für wen die Palastrevolte ein erster Schritt Richtung Leitl-Nachfolge war? Während sich Ruck aus der Deckung wagte, verhielt sich ein anderer auffällig ruhig und verweigerte seine Unterschrift unter dem Rebellenbrief: Die Rede ist vom steirischen Wirtschaftskammerpräsidenten, Josef Herk.