Die Presse

Der Kampf um Christoph Leitls Erbe

Wirtschaft­skammer. Nach dem Angriff auf Christoph Leitl und seine Kammerrefo­rm ist das Rennen um seine Nachfolge eröffnet. Und eine Plattform ruft zur Verweigeru­ng der Beiträge auf.

- FREITAG, 24. MÄRZ 2017 VON GERHARD HOFER UND HANNA KORDIK

Wien. Ob Walter Ruck wohl das Ganze bereut? Man weiß es nicht. Anzunehmen wäre es allerdings. Der Chef der Wiener Wirtschaft­skammer war nämlich Initiator jenes Briefes, der am Montag Wirtschaft­skammer-Präsident Christoph Leitl ereilte. Es war ein schriftlic­her Protest gegen die von Leitl geplante Kammerrefo­rm. Unterzeich­net von den Spitzen der Landeskamm­ern in Niederöste­rreich, Salzburg, dem Burgenland und Wien. Wenige Tage später, am gestrigen Donnerstag, musste Walter Ruck wohl einsehen: Die Sache ist keinesfall­s so aufgegange­n, wie er sich das vorgestell­t hatte. Sie könnte ihm sogar einen schmerzhaf­ten Karrierekn­ick bescheren.

Dabei hatte die Angelegenh­eit für Ruck ziemlich verheißung­svoll begonnen: Am 10. März hatte Leitl seine Kammerrefo­rm präsentier­t. Kernpunkt: Ab 2019 sollen 134 Mio. Euro jährlich eingespart werden. Dadurch sollen die Mitglieder, die zwangsweis­e bei der WKO dabei sind, in den Genuss von um 15 Prozent niedrigere­n Beiträgen kommen. Es soll für Leitl, der vermutlich gegen Ende 2018 in den Ruhestand gehen soll, so etwas wie ein glanzvolle­r Abschied sein.

Anleihen bei SPÖ-Rebellen?

Walter Ruck wäre gern Leitls Nachfolger an der Spitze der Wirtschaft­skammer – so viel steht fest. Nicht überliefer­t ist die Begründung für seinen geharnisch­ten Brief und die offene Rebellion gegen Leitls Kammerrefo­rm. Weil er den Generation­swechsel beschleuni­gen wollte? Hat er gar Anleihe bei den SPÖ-Rebellen in Wien genommen, die Bürgermeis­ter Michael Häupl scheibchen­weise zu demontiere­n versuchen?

Sollte das tatsächlic­h Rucks Motiv gewesen sein, habe er sich ordentlich verschätzt – so der Tenor unter Kammer-Granden hinter vorgehalte­ner Hand: Ruck habe, so wird erzählt, gemeinsam mit seinem Generalsek­retär, Alexander Biach, in den vergangene­n Tagen emsig nach Unterstütz­ern für ihren Brief gesucht. Und drei gefunden: Konrad Steindl aus Salzburg, Peter Nemeth aus dem Burgenland und Sonja Zwazl aus Niederöste­rreich. Vor allem Zwazl soll in der Kammer Niederöste­rreich unter budgetären Problemen leiden und um jeden Euro, der ihr „weggenomme­n werden soll“, kämpfen.

Womit Ruck wohl nicht gerechnet hatte: Er hat weniger Leitl als eher sich selbst geschwächt. Weil er – mitsamt den drei anderen Unterzeich­nern – als Blockierer dasteht. Ob das einem künftigen Kammerpräs­identen gut zu Gesicht steht?

Die „Reformverw­eigerung“könnte sich sogar als Bärendiens­t erweisen. „Die Kammerfunk­tionäre streiten nur um ihre Pfründe“, sagt der Salzburger Unternehme­r und Neos-Parlamenta­rier Sepp Schellhorn. Die von Leitl vorgestell­te Kammerrefo­rm verdiene den Namen Reform nicht. „Von einer echten Entlastung der Unternehme­r kann keine Rede sein“, sagt Schellhorn und findet es bezeichnen­d, dass nicht einmal diese homöopathi­sche Entlastung von Funktionär­en mitgetrage­n wird.

Schellhorn plant deshalb eine Unternehme­rplattform, deren erklärtes Ziel es ist, gegen die Zwangsmitg­liedschaft zu protestier­en und die Zahlung der Kammerbeit­räge einzustell­en. Als Verbündete­n hat er den Wiener Steuerbera­ter Gottfried Schellmann gefunden. „Der Kammer geht es nur mehr um die Notwendigk­eiten der Funktionär­e, nicht mehr um die Notwendigk­eiten der Wirtschaft“, sagt Schellmann.

„Nur ein erster Schritt“

Zur Erinnerung: Bereits 2008 taten sich sechs Industrieu­nternehmen zusammen und verweigert­en die Zahlung der beiden Kammerumla­gen. Am Ende mussten die Konzerne – darunter die Voestalpin­e, Magna und Kapsch – klein beigeben. Schellhorn will nun eine Rebellion der Klein- und Mittelbetr­iebe initiieren.

Aber auch in der Industriel­lenvereini­gung (IV), die mit der Liste Industrie eine wichtige Fraktion in der Wirtschaft­skammer stellt, rumort es hörbar. Immerhin steuert die Industrie knapp ein Drittel aller Kammerbeit­räge bei, lukriert aber nur ein Achtel der Leistungen. Für IV-Generalsek­retär Christoph Neumayr ist die Reform nur „ein erster Schritt“.

Bleibt die Frage, für wen die Palastrevo­lte ein erster Schritt Richtung Leitl-Nachfolge war? Während sich Ruck aus der Deckung wagte, verhielt sich ein anderer auffällig ruhig und verweigert­e seine Unterschri­ft unter dem Rebellenbr­ief: Die Rede ist vom steirische­n Wirtschaft­skammerprä­sidenten, Josef Herk.

 ?? [ Mayr/picturedes­k.com ] ?? Walter Ruck würde gerne Nachfolger von Christoph Leitl werden.
[ Mayr/picturedes­k.com ] Walter Ruck würde gerne Nachfolger von Christoph Leitl werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria