Die künstlerische Materialisierun er Gedanken in der dritten Dimension
Skulpturengarten. 22 Positionen der Bildhauerei von 1945 bis heute. Im Rahmen der diesjährigen Art Austria wird auch der Ehrenhof im Gartenpalais Liechtenstein künstlerisch bespielt.
Die Skulptur hat im Liechtenstein’schen Gartenpalais eine große Tradition. Nicht nur, dass die plastische Ausgestaltung der barocken Prunkanlage ein zentrales Element des Gesamtkunstwerks ist. Auch in späterer Zeit wurde das Skulpturenprogramm insbesondere im Außenraum mit prominenten Werken fortgeführt, unter anderem im Empfangsbereich vor dem Schloss, dem sogenannten Ehrenhof. „Der Ehrenhof des Gartenpalais Liechtenstein hat insofern eine geschichtliche Bedeutung, als Skulpturen von Rodin auf 22 Sockeln und Platten im Hof und Entree des Palais aufgestellt waren. Diese wurden während des Zweiten Weltkriegs aufgrund einer Verwechslung mit dem Franz-JosefsBahnhof von den Alliierten zerbombt. Nur ein kleiner Teil konnte gerettet werden und wird jetzt museal verwahrt“, weiß Galeristin Dagmar Chobot.
Chobot ist ausgewiesene Expertin für Skulptur. „Skulptur ist meine Herzensange- legenheit“, sagt sie. „Durch die Lehrtätigkeit Fritz Wotrubas hat sich Wien zu einem Brennpunkt der Bildhauerei entwickelt, worauf die Österreicher viel zu wenig stolz sind.“Seit über vier Jahrzehnten bestimmt das Medium schwerpunktmäßig ihr Galerieprogramm. Vor diesem Hintergrund wurde Dagmar Chobot nun von der Art Austria als Kuratorin mit der Aufgabe betraut, für die Jubiläumsausgabe in ebendiesem Ehrenhof einen „Skulpturengarten“einzurichten. Dafür arbeitete sie mit Exponaten der an der Messe ausstellenden Galerien. Um den unterschiedlichen Aspekten des Mediums und verschiedenen Formaten der Skulpturen und Objekte gerecht zu werden, hat sie die Schau als Work in Progress angelegt.
In einer Hommage an die historische Aufstellung der Rodin-Plastiken griff Chobot die Zahl 22 auf und wählte aus dem Angebot ihrer Kollegenschaft ebenso viele Skulpturen aus, die einander nun in zwei Gruppen gegenüberstehen. Ein kleiner Teil der ausgestellten Werke kommt aus ihrem eigenen Programm. Er ist, gleichsam als ein-
ziger Außenstand der Messe, in den Skulpturengarten integriert. Die Aufstellung in zwei symmetrisch verlaufenden Bögen im Oval des Ehrenhofs folgt weniger einer strengen Chronologie, vielmehr geht sie von unterschiedlichen Ansätzen im Umgang mit Materialien und Formen aus. Aufeinander treffen da etwa die Entscheidung für eine klassische Interpretation des Mediums einerseits und das Prinzip des Experiments mit neuen Materialien und Techniken andererseits. Dem Bekenntnis zu einer Tradition der Figürlichkeit wie auch Abstraktion steht die Thematisierung oder das Zitat zeitgenössischer Bilder und Fragen gegenüber. Da finden sich also auf der einen Seite Werke von Klassikern der österreichischen Nachkriegsbildhauerei und nachfolgender Generationen, etwa Joannis Avramidis’ „Modellierte Figur“aus dem Jahr 1958 (CAA) oder Wander Bertonis lang gezogene „Kämmende“aus dem Jahr 1946 (Galerie bei der Albertina – Zetter). Von Andreas Urteil (1933– 1963), der es trotz seines frühen Todes bald schon zu internationaler Anerkennung gebracht hat, ist eine rhythmisch aufgebaute „Synthese einer harmonischen Bewegung“aus Bronze zu sehen. Geradezu kubistisch mutet „Epikur“an, eine bronzene Säule von Josef Pillhofer. In den klassischen bildhauerischen Diskurs mischt sich aber auch ein Peter Dörflinger, Jahrgang 1957, als Vertreter der jüngeren Generation ein: „Verschränkt“nennt der Villacher Autodidakt seine Liegende aus Krastaler Marmor. Ganz archaisch kommen schließlich die schmalen Stelen und Frauenfiguren von Walter Moroder daher, die der 1963 geborene Grödener nach Tonbozzetti in Holz schnitzt. Lois Anvidalfarei, zweiter Südtiroler der Präsentation, wiederum gibt mit mächtigen Skulpturen, etwa der „Hommage an Friedrich Gulda“(Galerie Maier) eine zeitgenössische Replik auf die klassische Frage des Monuments.
Die Position des radikalen Erneuerers nimmt Bruno Gironcoli (1936–2010) ein, der als Leiter der Bildhauerschule in der Nachfolge Fritz Wotrubas Generationen jüngerer Künstler entscheidend geprägt hat. Von der Völkermarkter Galerie Magnet stammt der Aluminiumguss eines schräg gestellten „Betts“, ein Spätwerk Gironcolis von 2008. Metall ist ein bevorzugtes Material der jüngeren Generation: Thomas Stimm produziert großdimensionierte Früchte, Blumen oder Bäume aus Aluminium, um sie danach bunt zu lackieren (Galerie Reinisch). Andreas Reiter Raabe baut seine „Pipes“aus Aluminiumröhren aus dem Baumarkt (Galerie Konzett). Hans Kupelwieser verarbeitet unter anderem Edelstahl für seine Hightechskulpturen (Galerie Elisabethzeigt), während Erwin Wurm in seinem neuesten Schaffen die Bronze erst entdeckt (Galerie Thoman). Mit Platzhaltern des urbanen Raums arbeitet Sonia Leimer (Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder) und verwendet dafür entsprechend Materialien wie recycelte Asphaltstücke, Beton oder Stahlrohre. Indem ihre Objekte Dej`´a-vus von Absperrvorrichtungen, Haltekonstruktionen oder anderen funktionalen Gegenständen aus dem urbanen Umfeld provozieren, schließt sie das Feld der Kunst nicht zuletzt mit soziokulturellen Fragestellungen kurz.