Die Presse

Wachstum gewinnt an Schwung

Konjunktur. Die Wirtschaft läuft wieder besser, Österreich hat aber weiter ein massives Problem mit der Arbeitslos­igkeit, sagen Wifo und IHS. Beide urgieren umfassende Strukturre­formen.

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Die Wirtschaft läuft besser, Österreich hat aber ein Arbeitslos­enproblem, sagen Wifo und IHS.

Wien. Die Konjunktur läuft wieder deutlich besser, aber für Entwarnung ist es zu früh: „Es gibt eine leichte Entspannun­g, aber wir haben weiter ein massives Problem mit der Arbeitslos­igkeit“, sagte der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo) am Freitag bei der Präsentati­on der jüngsten Konjunktur­prognosen von Wifo und IHS in Wien. „Aus dieser Diskussion kommen wir nicht heraus.“

Aber beginnen wir mit dem Erfreulich­en: Das Bruttoinla­ndsprodukt wird heuer um 1,7 Prozent (IHS) beziehungs­weise zwei Prozent (Wifo) wachsen, im kommenden Jahr wird sich das Wachstum allerdings wieder auf 1,5 beziehungs­weise 1,8 Prozent abschwäche­n. Das ist aber immer noch deutlich mehr, als die Wirtschaft­sforscher bisher angenommen haben, wenn auch weit von den wohl nicht mehr so schnell erreichbar­en Wachstumsr­aten der Vorkrisenz­eit entfernt.

So genau wollen sich die Wirtschaft­sforscher freilich nicht festlegen. Wenn es so gut wie im ersten Quartal weiterläuf­t, könnte diese Prognose heuer durchaus noch übertroffe­n werden, meinten WifoChef Christoph Badelt und der Chef des IHS, Martin Kocher. Da könnte dann durchaus ein Zweier vor dem Komma stehen.

„Regierung fehlt die Kühnheit“

Ob es so gut weiterläuf­t, ist allerdings nicht so sicher. Immerhin gibt es Bedrohungs­potenziale wie den Brexit, die Wahl in Frankreich, eine protektion­istische US-Handelspol­itik – und die Reformfaul­heit der österreich­ischen Regierung. „Man könnte sagen, es wäre gut, wenn die Regierung etwas kühner wäre“, formuliert­e Badelt vorsichtig seine Kritik am Klein-Klein der heimischen Wirtschaft­spolitik.

Dringend notwendig wären umfassende Strukturre­formen. Gerade die seien aber auch im upgedatete­n Regierungs­programm nicht zu finden. Es gebe in den Programmen zwar die eine oder andere „mutige Ankündigun­g“, aber „keine Erkenntnis, wieso das politisch auf einmal funktionie­ren soll“.

Badelt und Kocher appelliert­en jedenfalls eindringli­ch an die Regierung, die politische Kraft und den politische­n Willen für Strukturre­formen aufzubring­en. Die besser laufende Konjunktur biete ein gutes Zeitfenste­r für den Start solcher Reformen. Man sollte jetzt die sogenannte­n automatisc­hen Stabilisat­oren wirken lassen, um Spielraum für finanzpoli­tische Maßnahmen aufzubauen, statt die Mehreinnah­men aus der besseren Konjunktur wie gewohnt zu verteilen.

Aber wie gesagt: Die Konjunktur läuft wieder wie seit 2011 nicht mehr und Österreich hat in Sachen Wachstum auch seine Nachzügler­position aufgegeben und wieder zum europäisch­en Schnitt aufgeschlo­ssen beziehungs­weise diesen sogar übertroffe­n. Wermutstro­pfen bleibt aber der Arbeitsmar­kt.

Arbeitslos­igkeit stagniert

Der flotte Anstieg der Arbeitslos­enrate, der uns in Sachen Arbeitsmar­kt binnen weniger Jahre vom Europa-Musterknab­en zum Mittelfeld­bewohner degradiert hat, ist jetzt zwar gestoppt, eine Trendumkeh­r ist aber auch nicht in Sicht. Das IHS geht davon aus, dass die Arbeitslos­enrate (nach österreich­ischer Definition) heuer bei 9,1 Prozent stagniert und im kommenden Jahr leicht auf 9,2 Prozent steigt, das Wifo sieht heuer einen leichten Rückgang von 9,1 auf 8,9 Prozent und im kommenden Jahr eine Stagnation auf diesem für Österreich ungewohnt hohen Niveau.

Schuld daran ist allerdings nicht die Konjunktur, sondern ein starkes Ansteigen des Arbeitskrä­fteangebot­s durch die Anhebung des Pensionsal­ters und den starken Arbeitskrä­ftezuzug aus dem Ausland. Das dürfte noch zunehmen, denn die Flüchtling­swelle 2015/16 macht sich auf dem Arbeitsmar­kt erst sehr eingeschrä­nkt bemerkbar.

Die Ausweitung des Arbeitskrä­fteangebot­s ist jedenfalls stärker als das ebenfalls zunehmende Arbeitsang­ebot. Die Zahl der Arbeitsplä­tze steigt nämlich ebenfalls deutlich – auch in Vollzeitäq­uivalenten. (ju)

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