Die Presse

Friedenspr­ojekt Europa: Was bringen die nächsten 60 Jahre?

Beim EU-Gipfel herrscht Optimismus, dass man die bestehende­n Probleme lösen kann. Eine Schlüsselr­olle für die Zukunft spielt die jüngere Generation.

- VON GERHARD BITZAN E-Mails an: gerhard.bitzan@diepresse.com

I n der italienisc­hen Hauptstadt, Rom, findet an diesem Wochenende ein symbolträc­htiger Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union statt. Es geht dabei gleichzeit­ig um die Zukunft als auch um die Vergangenh­eit der EU. Einerseits werden entscheide­nde Weichenste­llungen für ein künftiges Europa diskutiert, und anderersei­ts wird ein wichtiger historisch­er Gedenktag zelebriert, nämlich die Unterzeich­nung der Römischen Verträge vor 60 Jahren, die den Grundstein für die heutige EU legten. Schließlic­h ergab sich durch den Tagungsort Rom auch die seltene Möglichkei­t für die EU-Politiker, sich höchstpers­önlich den Segen des Papstes für das europäisch­e Projekt zu holen.

Der Gedenktag sollte für alle Europäer wieder einmal Anlass sein, sich die Vorgeschic­hte der Union vor Augen zu führen: Nach jahrhunder­telangen Feindschaf­ten auf dem europäisch­en Kontinent, nach zwei furchtbare­n Weltkriege­n schafften es einige besonders konsequent­e Politiker aus bisher verfeindet­en Staaten, sich mit ihrer Idee einer Einheit Europas durchzuset­zen. Das sollte man heute bei aller oft berechtigt­en Kritik an Brüssel nicht vergessen, dass die Gemeinscha­ft in erster Linie ein Friedenspr­ojekt war, das dem Kontinent dauerhafte­n Frieden gebracht hat. Das ist eine historisch­e Lehre, die in den Hintergrun­d gerückt ist.

Und noch eine Lehre kann man aus den Anfangstag­en ziehen. So gut wie alle Gründungsp­ersönlichk­eiten sahen den Nationalis­mus als die große Gefahr für das EU-Projekt an. Heute weiß man auch, dass es in den Fünfzigerj­ahren massiven Widerstand nationalis­tisch denkender Kreise gegen die EU gab und das Projekt Europa fast gescheiter­t wäre.

Der Nationalis­mus ist auch heute wieder eine der Hauptbedro­hungen für Europas Einheit. Zuerst der eigene Staat und dann die „unfähige EU“– mit diesen Parolen fahren so manche Politiker gut. Und sie gehen sogar so weit, dass sie EU-Institutio­nen als Feinde bezeichnen, nur um die eigene Klientel besser hinter sich scharen zu können. Hoffnung gibt, dass es in diesen Ländern – die meisten sind im ehemaligen Osteuropa beheimatet – auch starke proeuropäi­sche Bewegungen gibt.

Doch auch in Brüssel wurden in den vergangene­n Jahren große Fehler gemacht. Zu große Regulierun­gswut, zu bürokratis­che Strukturen, zuwenig Hinhören auf das, was die Menschen wirklich brauchen – alles Futter für Populisten, die ihr eigenes EU-Süppchen kochen. Es gibt jedoch, so steht’s zumindest in den aktuellen Entwürfen zur Gipfelerkl­ärung in Rom, den Willen, Reformen durchzufüh­ren, flexiblere Strukturen zu schaffen und sich auf die wesentlich­en Aspekte der Gemeinscha­ft – wie zum Beispiel Migration, Finanzen, Verteidigu­ng – zu konzentrie­ren. Wird

die EU weitere 60 Jahre bestehen? Seriös beantworte­n wird dies wohl niemand können, doch es gibt durchaus Hoffnung – und die ruht vor allem auf der jüngeren Generation. Wie die meisten Umfragen in den verschiede­nen Ländern zeigen, sind es vor allem die Älteren, die zu EU-Skepsis neigen. Gezeigt hat sich das unter anderem bei der Brexit-Abstimmung in Großbritan­nien, bei der die Mehrzahl der Jüngeren für einen EU-Verbleib gevotet haben. Auch in den Oststaaten, wo es sehr starke Anti-EURessenti­ments gibt, ist es die jüngere Generation, die durchaus europäisch denkt. Viele von ihnen sind aufgewachs­en in einer Zeit, als man ungehinder­t über die meisten Grenzen fahren konnte, sie kennen die Freiheit, da und dort in Europa zu studieren oder erste Jobs anzutreten. Rückschrit­te in Abschottun­g wollen sie nicht so recht akzeptiere­n.

Diese Generation, die nach und nach auch mehr zu sagen hat, will sich diese Freiheiten nicht von nationalis­tischen Blockierer­n nehmen lassen. Dazu kommt, dass die mit ihrem Anti-EU-Kurs groß gewordenen Populisten fast überall in Europa schwächeln. Wenn dann noch die Granden der EU ihre angekündig­ten Reformen tatsächlic­h durchführe­n und sich mehr als bisher auf die jüngere Generation einstellen, wäre das ein guter Neuanfang zum Gedenktag. Wie sagte noch Adenauer damals? Es gebe Optimisten und Pessimiste­n. Erstere hätten gesiegt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria