Die Presse

Wiens U-Bahn wird zur Bühne für Musiker

Verkehr. Als Teil eines Sicherheit­spakets will Stadträtin Ulli Sima in einigen U-Bahnstatio­nen Künstler auftreten lassen. In anderen Städten, allen voran London, ist Musik im U-Bahnnetz etabliert. Nur: Ist Wien dafür bereit?

- VON ERICH KOCINA

Wien. In der U-Bahn lacht man nicht. Der Blick ist geradeaus, nur ja keinen Augenkonta­kt zulassen und geschickt jeglichen Körperkont­akt vermeiden – das Lebensgefü­hl U-Bahn ist ein einsames, umso mehr, wenn man von besonders vielen Menschen umgeben ist. Ulli Sima will das ändern – mit Livemusik in U-Bahnstatio­nen.

Mit dem Einwand, dass die für öffentlich­e Verkehrsmi­ttel zuständige Stadträtin weniger die Bespaßung der Passagiere im Sinn hat. Sie verkauft die Maßnahme, die sie am Freitag bei der Klubtagung der SPÖ präsentier­te, als Teil eines Sicherheit­spakets.

Dass Musik die Sicherheit erhöhen kann, ist dabei keine ureigene Wiener Idee. So startete etwa die Münchner Verkehrsge­sellschaft schon 2010 das Projekt „Musikalisc­he U-Bahnhöfe“, bei dem Klassikwer­ke quasi als akustische Tranquiliz­er eingesetzt wurden. Die sanften Klänge im Hintergrun­d, so die Idee dahinter, sollten das subjektive Sicherheit­sgefühl erhöhen. Strauss und Mozart aus den Lautsprech­ern ist aber im Wie- ner Konzept nicht vorgesehen – hier sollen junge Künstler eine Bühne bekommen. Sie habe es etwa in London als „sehr angenehm“erlebt, meint Sima, „wenn auf verlassene­n Bahnsteige­n zumindest die Klänge einer Akustik-Gitarre zu hören sind“. Das Pilotproje­kt soll im Sommer am Westbahnho­f starten – wenn auch nicht auf den Bahnsteige­n von U3 oder U6, sondern im Zwischenge­schoß. Vielleicht hört man es ja von dort bis auf den Bahnsteig.

Aber es wäre nicht Wien, würde man aus der musikalisc­hen Sicherheit­smaßnahme nicht auch gleich ein Event der Öffentlich­keitsarbei­t machen. Denn wer spielen darf, sollen die Fahrgäste entscheide­n – auf der Website der Wiener Linien werden Videos potenziell­er Künstler gezeigt, über die dann abgestimmt werden kann. Aber auch eine Fachjury soll davor eine erste Auswahl vornehmen. „Die große Chance“als U-BahnEvent also. Doch bevor nun Heavy-MetalBands auf einen Moshpit im Untergrund hoffen, eine Einschränk­ung: Gesucht werden eher ruhigere Sounds. Wanderklam­pfe schlägt Stromaxt.

Doch auch „Blowin’ in the wind“und Konsorten sind nach der derzeitige­n Hausordnun­g der Wiener Linien in Stationen und U-Bahnen nicht erlaubt. Und dass das Lärmen und Musizieren verboten ist, soll auch weiter gelten, heißt es bei den Wiener Linien. Nur für die gecasteten Künstler soll es eine Ausnahme geben. Und die Orte, an denen sie spielen dürfen, sollen auch klar definiert werden. Musiker, wie sie gelegentli­ch von U-Bahnwaggon zu Waggon ziehen und den Hut für Spenden aufhalten, werden also weiter aus den Stationen und Fahrzeugen gewiesen, so sie erwischt werden. Die U-Bahn-Castingsta­rs sollen dagegen Spenden für ihre Darbietung sammeln dürfen.

Auf den Spuren von London und Berlin

Mit der Erlaubnis für Künstler, in U-Bahnstatio­nen spielen zu dürfen, folgt Wien dem Beispiel anderer Städte, in denen das schon lange möglich ist. London gilt hier als Vorreiter – in 25 zentralen Stationen dürfen dort Musiker auftreten. Und um die Qualität zu sichern, müssen sie sich offiziell bei Transport for London bewerben. Aber auch in Berlin gehören Musiker in den Gängen mehrerer Stationen zum Stadtbild. Und hier könnte auch eines der Probleme der Idee liegen – ob die Wiener wohl die heilige Ruhe im Untergrund tatsächlic­h aufgeben wollen?

Aber Lebensgefü­hl ist ja ohnehin nicht das vordergrün­digste Ziel der Aktion. Und im Sicherheit­spaket stecken auch einige akustisch weniger auffällige Maßnahmen. So soll die Beleuchtun­g der Stationen laufend auf LED umgestellt werden. In Stationen mit hoher Frequenz werden ServicePoi­nts mit Notrufsäul­en aufgestell­t. Und bis Anfang 2019 sollen etwa 120 speziell ausgebilde­te Security-Mitarbeite­r im U-Bahnnetz unterwegs sein. Zusätzlich sollen 210 Service-Mitarbeite­r statt in den Stationshä­uschen auf den Bahnsteige­n unterwegs sein – die können ja unter anderem auch dann eingreifen, wenn jemand auf dem Bahnsteig unerlaubt musiziert.

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