Die Presse

Königin der Nacht

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

J etzt ist das Kind keines, das sich überschätz­t oder mit seinen Fähigkeite­n angibt. Sogar bei Dingen, die es ziemlich gut kann, wie lesen oder zeichnen, behauptet es nie (soweit ich weiß halt), dass es dieses oder jenes besonders gut oder besser als andere beherrsche.

Wenn da nicht diese eine fundamenta­le Fehleinsch­ätzung wäre. Das Kind ist nämlich davon überzeugt, dass es eine ganz vortreffli­che Königin der Nacht aus der „Zauberflöt­e“sei. Deren berühmte Arien (Sie wissen schon, „Der Hölle Rache . . .“) singt das Kind derzeit nämlich sehr, sehr gern, im Glauben, diese klinge sehr sehr richtig, während sie eher, nun, sehr, sehr hoch klingt. (Wobei man, das muss man einräumen, sie dennoch zweifelsfr­ei erkennt.) Das kann ich wirklich gut, sagt das Kind also, und singt munter weiter, während dir daneben fast die Ohren abfallen und du dich nach diesen schalldämp­fenden Fluglotsen­kopfhörern sehnst. Und was sagst du da als Elternteil? Kind, das klingt nicht so gut? Bringst du natürlich nicht übers Herz. Versuchst es also lieber mit generellen Informatio­nen („Das ist eine sehr schwierige Rolle, für die die Sängerinne­n immer sehr lang üben müssen, bis das schön klingt“), deren Botschaft allerdings, weil zu subtil, nicht ankommt.

Ich war da als Kind ganz ähnlich, wenn ich mir statt Opernsänge­rinnen- doch eher Schlagerst­arqualität­en eingebilde­t habe. Ich war nämlich Fan von Al Bano und Romina Power, deren Lieder ich im selbst erfundenen Italienisc­h („Sempre sempre tuttamente tu, sempre sempre isis temperamen­te“) und in der vollen Überzeugun­g, jederzeit mit ihnen auftreten zu können, gesungen habe. Bis ich einen Kassettenr­ekorder mit Aufnahmefu­nktion und Mikrofon zum Geburtstag bekommen habe, mich beim Singen aufnehmen konnte und ernüchtert feststelle­n musste, dass Romina Power und mich doch die eine oder andere Welt trennt. Ja, jetzt im Nachhinein scheinen mir die Motive, wieso ich genau in meiner „Sempre, sempre“-Hochphase einen Kassettenr­ekorder bekommen habe, sonnenklar.

Das Kind hat übrigens auch bald Geburtstag. Trifft sich ja gut.

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