Neue Saison mit alter Hierarchie
Formel 1. Schon vor dem ersten Grand Prix der Saison in Australien hat Lewis Hamilton die Hoffnungen auf ein Ende der Mercedes-Übermacht zerstört. „Es war zu 99 Prozent perfekt.“
Melbourne. 1:23,620 Minuten, so lautet die erste Bestmarke der neuen Formel-1-Saison. Vor dem Auftakt-Grand-Prix am Sonntag (7 Uhr, live ORF eins, RTL, Sky) hat Mercedes-Pilot Lewis Hamilton diese richtungsweisende Rundenzeit im zweiten freien Training in den Asphalt von Melbourne gebrannt – und war damit über eine halbe Sekunde (0,547) schneller als sein erster Verfolger Sebastian Vettel im Ferrari. Ein Abstand, der in der schnellsten Rennserie der Welt eine halbe Ewigkeit bedeutet, schon bei der ersten von 20 WMStationen fährt der Silberpfeil wieder in einer eigenen Liga.
„Es war zu 99 Prozent ein perfekter Tag“, meinte Hamilton. Das übrige Prozent wollte er nicht näher erläutern, doch auch seinen neuen Teamkollegen hat der Brite fürs Erste in die Schranken gewiesen. Valtteri Bottas wurde Dritter (+ 0,556), der Finne hat noch sichtlich Mühe mit dem Tempo von Hamilton und kann den Stallrivalen längst nicht so fordern wie sein Vorgänger, der zurückgetretene Weltmeister Nico Rosberg.
Die Hackordnung dahinter
Mit seiner schnellsten Runde hat Hamilton auch die Hoffnungen zerschlagen, dass das neue Reglement die seit drei Jahren anhaltende Mercedes-Dominanz beenden könnte. Kurz vor den ersten Trainingsrunden hatte er noch Ferrari die Favoritenrolle zugeschoben, immerhin hatte die Scuderia bei den Testfahrten in Barcelona einen starken Eindruck hinterlassen. Doch die erste Kraftprobe mit Mercedes brachte nun den ersten Dämpfer. Vettel (+ 0,547), der sich zumindest vor Mercedes-Neuzu- gang Bottas einreihte, rechnet mit Überstunden. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, meinte der vierfache Weltmeister. „Ich will Sebastian glücklich sehen“, erklärte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene, dessen zweiter Pilot, Kimi Räikkönen, schon fast eine Sekunde zurücklag (+ 0,905).
Auch von Red Bull darf man sich keine Wunderdinge bei der Jagd auf Mercedes erwarten, Daniel Ricciardo und Max Verstappen büßten als Fünfter und Sechster über eine Sekunde auf Hamilton ein. „Lewis ist der absolute Favorit, das hat er unterstrichen“, sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Das Fazit des 19-jährigen Jungstars Verstappen klang nüch- tern: „Wir sind ungefähr dort, wo wir es erwartet haben, aber nicht dort, wo wir sein wollen.“
Piloten am Limit
Hamiltons Richtmarke von 1:23,620 Minuten hat aber auch gezeigt, dass die länger und breiter gewordenen Autos rund sechs Sekunden schneller sind als die 2016er-Boliden. Die Kurvengeschwindigkeiten sind bis zu 40 km/h höher, die deutlich gestiegenen Fliehkräfte sind heuer die größte Herausforderung für die Fahrer. „Du steigst aus und bist ein bisschen nackensteif“, erzählte Renault-Pilot Nico Hülkenberg, dessen Teamkollege Jolyon Palmer im Albert Park für den ersten schwe- ren Unfall des Jahres sorgte, bei seinem Crash in der Zielkurve aber unverletzt blieb.
Schonfahrten, nach denen die Piloten entspannt aus dem Cockpit steigen, gehören dank des Technik-Reglements der Vergangenheit an. „Wir müssen jetzt ans Limit gehen, das mag ich“, meinte WM-Favorit Hamilton. „Soweit ich weiß, hat noch nie ein Team nach Regeländerungen seinen Titel verteidigt. Wir wollen also schaffen, was noch niemandem gelungen ist. Ich glaube fest, dass mein Team dazu in der Lage ist.“In den vergangenen drei Jahren stellte Mercedes nicht nur den Auftaktsieger in Australien, sondern am Ende der Saison auch den Weltmeister. (joe)