Die Presse

Ein „Gipfel“der Regierung mit der „Waxing“-Lady

Arbeitnehm­erschutz. Wirtschaft­s- und Sozialmini­ster einigten sich am Freitag auf eine Modernisie­rung der bestehende­n Arbeitnehm­erschutzre­geln. Das Gipfeltref­fen sorgte aber aus verschiede­nen Gründen für Irritation­en.

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Wien. Wahrschein­lich weiß sie gar nicht, wie sie dazu kommt. Die als „Waxing“-Lady bekannt gewordene Wiener Unternehme­rin, die Probleme mit dem Arbeitnehm­erschutz hatte (nicht ganz zu Unrecht, wenn man der Arbeiterka­mmer glaubt), war am Freitag Anlass für einen Reformgipf­el der Regierung.

Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) hatte dazu eingeladen, Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) war – eher unwillig – dazugestoß­en. Sein Büro hatte im Vorfeld wissen lassen, dass ein Gipfeltref­fen der Minister nicht wirklich notwendig sei. „Unser Haus hat bereits gemeinsam mit den Sozialpart­nern und Experten an diesem Thema gearbeitet“, erklärte das Stöger-Büro. Die Vorschläge, wie der Arbeitnehm­erschutz vereinfach­t werden könnte, gingen im April in Begutachtu­ng.

Tatsächlic­h konnten die beiden Minister am Ende des freitägige­n „Gipfels“wenig Neues verkün- den. Man bekannte sich generell zur „Modernisie­rung der bestehende­n Regelungen“. Die Kenntnis der gesamten geltenden Arbeitnehm­erschutzre­gelungen sei weder den Arbeitgebe­rn noch den Arbeitnehm­ern zuzumuten, meinte Mitterlehn­er. Man müsse die teilweise widersprüc­hlichen Normen ausräumen und eine neue Beratungsk­ultur einführen. Konkrete Vorschläge zu den geplanten Änderungen sollen in den kommenden Wochen erstellt werden.

War der Reformgipf­el also bei diesem Ergebnis so unnotwendi­g wie im Vorfeld erwartet? Stöger antwortete diplomatis­ch, bevor er seinen Eindruck so zusammenfa­sste: „Er hat zumindest nicht geschadet.“

Das Sozialmini­sterium hat bereits im Februar in Verhandlun­gen mit den Sozialpart­nern im Arbeitsruh­egesetz, Arbeitszei­tgesetz, Arbeitnehm­erschutzge­setz, Mutterschu­tzgesetz und im Arbeitsins- pektionsge­setz 27 Punkte gefunden, die nicht mehr zeitgemäß sind. So soll es etwa einen Entfall oder zumindest eine Erleichter­ung bei vielen Meldepflic­hten geben und eine Reduzierun­g von Aufzeichnu­ngspflicht­en.

Längere Intervalle

Einer der wesentlich­sten Punkte sei eine Anpassung bei den sogenannte­n Präventivd­iensten, der sicherheit­stechnisch­en und arbeitsmed­izinischen Betreuung von Unternehme­n, erklärte ein Experte des Ministeriu­ms. Die Kontrollen in Kleinbetri­eben sollen nicht mehr, wie jetzt, alle zwei Jahre stattfinde­n, sondern nur noch alle drei bis fünf Jahre.

Der ÖVP gehen diese Reformmaßn­ahmen nicht weit genug. Mitterlehn­er hielt bei der Pressekonf­erenz fotogen die Gesetzbüch­er „Arbeitsrec­ht“und „Aushangpfl­ichtige Gesetze“hoch. Allein das Arbeitnehm­erschutzge­setz habe 132 Paragrafen, dazu kämen etliche Verordnung­en und aktuell 880 Erlässe.

Was widersprec­hende Anordnunge­n betrifft, verbreitet­e das Mitterlehn­er-Büro folgendes Beispiel: Ein Arbeitsins­pektor sei in Kaffeehäus­ern nicht mit dem Fliesenbod­en hinter der Schank einverstan­den gewesen, da die Mitarbeite­r auf zu hartem Untergrund stehen mussten bzw. die Fliesen zu rutschig waren. Die Anweisung lautete, einen Teppich aufzulegen. Das stellte allerdings für den Inspektor des Marktamtes ein Hygienepro­blem dar.

Für Irritation sorgte der gestrige Gipfel beim Handel. Vertreter kritisiert­en, dass zwar die „Waxing“-Lady zu dem Treffen mit den beiden Ministern eingeladen war, sie aber nicht. Dabei würden sie ein knappes Fünftel der heimischen Arbeitnehm­er und etwa 78.000 Unternehme­n in Österreich repräsenti­eren. (rie/herbas)

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