Die Presse

Die Steuern und der Geist von Breschnjew

Die Pläne in Sachen kalter Progressio­n sind bürgerfein­dlicher Murks.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Z uletzt war mehrfach davon die Rede, dass die Koalition ihren Streit um die Abschaffun­g der kalten Progressio­n in der kommenden Woche beilegen und diese Abschaffun­g beschlussr­eif machen wolle.

Das ist ein ganz klassische­r Fall von Fake News: Niemand will die kalte Progressio­n (also die heimliche und ungerechtf­ertigte Steuererhö­hung durch die Nichtanpas­sung von Steuerstuf­en an die Inflation) abschaffen. Bricht man die vorliegend­en Modelle auf die schnöde Realität herunter, dann wird das ÖVP-Modell dazu führen, dass sich der Zeitabstan­d zwischen den regelmäßig­en Teilrückve­rgütungen dieses Finanzmini­sterkörber­lgelds (also das, was man bisher großspurig Steuerrefo­rm genannt hat) ein wenig verkürzt: bei der derzeitige­n Inflations­rate etwa von den bisher üblichen fünf auf rund dreieinhal­b Jahre.

Das SPÖ-Modell legt da noch eine pseudosozi­ale Komponente drauf, indem es ein Umverteilu­ngselement einbaut. Es sei nämlich ungerecht, dass ein Topverdien­er bei einer Abschaffun­g der kalten Progressio­n mehr „bekommt“als ein Mindestren­tner.

Womit man schon sieht, dass da ein paar Leute Probleme mit dem Durchschau­en des Steuersyst­ems haben. Ein Mindestren­tner „bekommt“nämlich in diesem Fall gar nichts. Weshalb auch jeder weiß, dass man Sozialpoli­tik nicht mit den Steuern macht, sondern mit den Sozialabga­ben, die untere Einkommens­schichten überpropor­tional belasten. W as aber besonders fasziniert, ist die Denkungsar­t, die in diesem Zusammenha­ng hinter dem Wort „bekommt“steckt. Ein Steuerbürg­er „bekommt“also etwas, wenn ihm der Staat nicht mehr Teile seines Gehalts ungerechtf­ertigt wegnimmt. Zu Ende gedacht heißt das, Arbeitnehm­er „bekommen“ihr Nettoeinko­mmen vom Staat, indem er es ihnen großzügig nicht auch noch wegbesteue­rt. Gegen diese Art Denke war der alte Breschnjew ja ein Wirtschaft­sliberaler.

Liebe Regierung, nichts ist einfacher als die Abschaffun­g der kalten Progressio­n. Das geht mit einem einzigen Satz im Einkommens­teuergeset­z. Was ihr hier plant, ist dagegen nichts als bürgerfein­dlicher Murks.

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