Die Presse

Das Drama der (un)talentiert­en Nachfolger in politische­n Ämtern

Warum in Österreich „Kampfabsti­mmung“ein Schimpfwor­t ist und bald über eine Begrenzung von Amtszeiten auf allen Ebenen diskutiert werden sollte.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com

Ob es sich genau so zugetragen hat, wie seit nunmehr fast 20 Jahren kolportier­t, oder nicht, ist ziemlich unerheblic­h. Jedenfalls soll sich Franz Vranitzky 1997 zum überrasche­nden Rücktritt als SPÖ-Chef und Bundeskanz­ler nach zehn Jahren Amtszeit entschloss­en haben, nachdem Finanzmini­ster Viktor Klima bei einem Parteieven­t mehr Applaus erhalten hatte als er selbst.

Auch ein Grund für einen Rückzug aus der Politik. Doch wie die Sache ausgegange­n ist, wissen wir: Von Vranitzky selbst als Nachfolger vorgeschla­gen, erwies sich Viktor Klima als Topmann in der Koalitions­regierung als Chefverhan­dler der SPÖ nach der Wahl 1999 als völlig ungeeignet. Die Konsequenz: Die ÖVP setzte sich mit der FPÖ an den Regierungs­tisch.

Für Klima erwies sich diese Schlappe persönlich wahrschein­lich als Segen. Er machte in Argentinie­n als Manager große Karriere. Für die SPÖ aber bedeutet dieses Nachfolges­piel, dass ihr für den traurigen Ausgang mehr Verantwort­ung zukommt als Vranitzky für seine falsche Personenau­swahl.

Es kommt in Österreich seit jeher immer wieder zu einem Drama bei der Nachfolge in der Politik. Vornehmlic­h aber meist dann, wenn in einer langen Amtszeit der scharfe Blick auf die Realität verloren gegangen ist oder viele Trabanten an einem Verbleib interessie­rt sind, weil ihre eigenen Karrieren davon abhängen.

Die Tage jetzt bieten einen exzellente­n Anschauung­sunterrich­t in St. Pölten, Wien und Linz. Da mag die auf Pröll-Verehrung noch so gut trainierte niederöste­rreichisch­e ÖVP ihrem „Landesvate­r“Erwin einen noch so fulminante­n Abschied bereiten (nach 25 Jahren) und heute, Samstag, eine reibungslo­se Übergabe des Staffelsta­bes an Johanna MiklLeitne­r organisier­en. Sie wird nicht darüber hinwegtäus­chen können, dass die Erbfolge bei Weitem nicht so harmonisch geregelt wurde wie vorgegeben. Irgendwann werden die Spannungen zwischen Erwins „Hanni“und dem manisch wirkenden Innenminis­ter, Wolfgang Sobot- ka, der sich eigentlich als legitimer Erbe Prölls sah und dies intern auch nie verschwieg­en hat, aufbrechen.

Das kann auch die augenschei­nlich noch so gut vorbereite­te Nachfolger­egelung wie in St. Pölten nicht verhindern. Auch dafür gibt es aktuell einen Anschauung­sunterrich­t – knapp 100 Kilometer weiter östlich in Linz. Auch da wollte Landeshaup­tmann Joseph Pühringer vor Wochen der Öffentlich­keit weismachen, er habe mit der Kür von Thomas Stelzer alles gut geregelt. Wenige Tage vor der eigentlich­en Machtübern­ahme aber ist die Rivalität mit Wirtschaft­slandesrat Michael Strugl voll ausgebroch­en. Strugl wollte, wie Sobotka in Niederöste­rreich, der Erbe sein.

Ob es nun einen offiziell ruhigen Übergang gibt und die Spannungen gekonnt versteckt werden oder nicht, oder ob es Chaos gibt wie eben in der Wiener SPÖ und offenbar auch in Michael Häupls Gemütszust­and zurzeit – die wahren Ursachen von Drama und Krampf sind eher österreich­spezifisch.

Zum einen liegen sie in der demokratie­politisch völlig abseitigen Panik vor dem Wettbewerb der Persönlich­keiten. Es gibt offenbar kein schmutzige­res Wort in der Innenpolit­ik als „Kampfabsti­mmung“. Warum muss den Parteitage­n unter allen Umständen die öffentlich­e Auswahl der Personen untersagt werden?

Zum anderen liegt es an der Unsitte der überlangen Amtsperiod­en. Die Halbwertze­iten in der Politik werden kürzer. Weder die „Her mit dem Zaster“-Johanna, noch der knochentro­ckene Stelzer in Linz, noch der Wer-auch-immer-Nachfolger Häupls können mit Jahrzehnte­n im Amt rechnen.

Daher sollte bald ernsthaft über eine Beschränku­ng der Amtszeiten diskutiert werden – auch für Parteiobmä­nner/-frauen. Das macht den Einstieg in die Politik planbarer und erspart Dramen, wie sie sich nun auch bei den Grünen oder in der Wirtschaft­skammer abzeichnen.

 ??  ?? VON ANNELIESE ROHRER
VON ANNELIESE ROHRER

Newspapers in German

Newspapers from Austria