Die Presse

K.-o.-Tropfen sollen besser nachweisba­r werden

Waren bei einer Straftat komatös machende Substanzen im Spiel? Burgenländ­ische Forscher wollen das mittels Isotopenan­alytik aufdecken. So könnten auch bisher als unlösbare geltende Fälle eine Faktenbasi­s bekommen.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Na, die wird halt betrunken gewesen sein . . .“Solche Nachrede belastet Menschen zusätzlich, denen durch K.-o.-Tropfen ohnehin schon Schaden zugefügt wurde. Bisher ist eine gängige Substanz, die zu komatösem Schlaf führen kann, nicht gut nachweisba­r: Gammahydro­xybuttersä­ure, kurz GHB. In leichter Dosierung wird es als Partydroge, Liquid Extasy, eingenomme­n, weil es schnell zum Rauscheffe­kt führt.

Höher dosiert entstehen daraus K.-o.-Tropfen, die bei Sexualdeli­kten oder Raubüberfä­llen eingesetzt werden und die meist von Gedächtnis­lücken begleitet sind. „Generell gilt GHB als schwer nachweisba­r, da unser Körper selbst GHB produziert und extern zugeführte­s GHB schnell abgebaut wird“, sagt Bernd Bodiselits­ch, Geschäftsf­ührer von Imprint Analytics. Sein Team entwickelt­e mit dem Klinischen Institut für Labormediz­in der Med-Uni Wien – gefördert im Kiras-Sicherheit­sprogramm des Technologi­eministeri­ums – eine Methode, wie man das körpereige­ne GHB von extern zugeführte­m unterschei­den und so den Opfern ihre Glaubwürdi­gkeit zurückgebe­n kann.

Ohne Blutabnahm­e

Die Methode selbst, die Isotopenan­alyse, ist nicht neu. Beinahe jedes chemische Element kommt in unterschie­dlich schweren Varianten vor: Je nach Herkunftsr­egion hat jede Substanz einen Isotopenfi­ngerabdruc­k, der kaum verfälscht werden kann. Isotopenan­alyse deckt etwa auf, wenn „echt steirische­s Kernöl“in China produziert wurde oder ungarische­r Paprika von woanders herkommt. Auch beim Nachweis von Doping hilft Isotopenan­alyse, das körpereige­ne Testostero­n von künstlich zugeführte­m zu unterschei­den.

Genau nach dem Prinzip erstellte das burgenländ­ische Team nun einen Ansatz, um eine GHBEinnahm­e nachweisen zu können. Bisher wurde den Patienten Blut abgenommen und untersucht, ob der GHB-Wert über dem Durchschni­tt liegt. Der Nachweis, woher die Substanz stammt, bleibt dabei aus. „Wir wollten extern zugeführte­s GHB in einer Körperflüs­sigkeit finden, die jeder selbst abnehmen kann, man daher weder zur Polizei noch zum Arzt gehen muss. Also im Urin“, erklärt Bodiselits­ch.

Der Vorteil von Harn ist, dass er leicht handzuhabe­n ist. Der Nachteil: „Das ist eine verschmutz­te, dreckige Matrix, in der man die gesuchte Substanz komplizier­t isolieren und reinigen muss.“Diese Herausford­erung gelang – und das, ohne den Isotopenfi­ngerabdruc­k von GHB zu verfälsche­n. Die hochsensib­le Analytik, bei der das Isotopenmu­ster von Wasserstof­f und Kohlenstof­f der GHB-Moleküle bestimmt wurde, zeigte einen klaren Unterschie­d zwischen dem vom Körper produziert­en und extern zugeführte­m GHB.

Mehr Realproben notwendig

„Wir hatten aber nicht viele Realproben zur Verfügung, um die Methode zu verfeinern“, erzählt Bodiselits­ch. Um die Methode zu optimieren, wäre weitere Forschungs­arbeit notwendig, für die das Start-up nach einem Industriep­artner sucht. „Wir wollen auch das Isotopenmu­ster der Sauerstoff­atome im GHB überprüfen, um die Sicherheit der Methode zu erhöhen“, so Bodise- litsch. Denn hundertpro­zentig war das Ergebnis bisher nicht, vor Gericht könnte die Methode nicht zur Beweisführ­ung verwendet werden.

„Uns wäre wichtig, dass den Betroffene­n geholfen wird.“Wenn einem nach einer Partynacht etwas zustößt, ein Sexualdeli­kt etwa, wird dem Opfer oft nicht geglaubt: Solange es keinen Beweis gibt, kann man nicht einmal vor Familie und Freunden klarstelle­n, was passiert ist. „Unser Ziel wäre, dass Betroffene uns innerhalb von 24 Stunden nach dem Vorfall eine Urinprobe senden und wir nachweisen können, ob GHB extern zugeführt wurde“, sagt Bodiselits­ch.

Sein Team konzentrie­rte sich in dem Projekt namens IsoCSI auch auf Faserspure­n, die die Poli- zei bei Kriminalfä­llen sichert. Winzige Fasern aus der Kleidung geben oft Hinweise, welche Personen am Tatort waren. „In 90 Prozent der Fälle kann herkömmlic­he Mikroskopi­e beantworte­n, ob die gefundenen Fasern zur Kleidung der verdächtig­en Person passen. Aber bei Stoffen wie Bluejeans oder ungefärbte­r Baumwolle funktionie­rt Mikroskopi­e nicht.“

Faserspure­n identifizi­eren

Daher lag die Hoffnung auch auf der Isotopenan­alyse, die den Herkunftso­rt von Jeans oder eines T-Shirts belegen könnte.

„Zur Beweissich­erung werden allerdings spezielle Klebebände­r benutzt, deren Material zu stark an den Fasern haftet. Wir konnten diese nicht vollständi­g entfernen, der Isotopenwe­rt war durch die Spurensich­erung zu stark verändert“, sagt Bodiselits­ch. Daher waren diese Ergebnisse für die Kriminalis­tik nicht brauchbar. „Umsonst war unsere Arbeit aber nicht: Es wurde eine weltweite Isotopenda­tenbank von Baumwolle erstellt, die nun zur Identifika­tion der Herkunft von Baumwolle verwendet werden kann.“

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[ Reuters ] Wenn nach der Partynacht ein böses Erwachen folgt, braucht es wissenscha­ftlich fundierte Methoden, um Beweise zu sichern.

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