Die Presse

Wie sehr belastet die Strahlung beim Fliegen den Körper?

Flughöhe und Route sind entscheide­nd, Piloten sterben aber nicht früher. Der Mensch ist eine natürliche Strahlenbe­lastung ohnehin gewohnt.

- ALICE GRANCY Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com

Ein Transatlan­tikflug von Wien nach New York, USA, belastet den menschlich­en Körper mit 60 bis 150 Mikrosieve­rt. Ein Ferienflug ins spanische Malaga´ mit etwa 13 Mikrosieve­rt. Die nach dem schwedisch­en Mediziner und Physiker Rolf Sievert benannte physikalis­che Einheit gibt Aufschluss über die Strahlenbe­lastung biologisch­er Organismen. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Piloten und Vielfliege­r eher krank werden oder früher sterben“, sagt Andreas Musilek vom Atominstit­ut der TU Wien. Auf jeden Menschen auf der Erde wirkten ohnehin pro Jahr rund 2000 Mikrosieve­rt an Strahlung ein. Der Körper ist das gewohnt.

Die hochenerge­tischen atomaren Teilchen kommen aus dem Weltraum. Das Magnetfeld der Erde hält zwar manches ab. Doch was durchgeht, bil- det die sogenannte Höhenstrah­lung. Diese wird auf dem Weg zur Erde immer schwächer, denn auch die Erdatmosph­äre schützt. Daher ist die Strahlenbe­lastung auf einem drei Kilometer hohen Berg höher als im Tal. Und daher entscheide­t auch die Flughöhe über die Strahlenbe­lastung.

Auch Rauchen ist radioaktiv

Außerdem spielt die Flugroute eine Rolle. Denn die geladenen Teilchen werden zu den magnetisch­en Polen geleitet. „Je nördlicher ich bin, desto höher ist die Strahlenbe­lastung“, sagt Musilek. Die in Island oder Skandinavi­en zu beobachten­den Polarlicht­er sind nichts anderes als ionisieren­de Strahlung, die mit der Atmosphäre reagiert. Wer also über Grönland in die USA fliegt, ist – trotz ähnlich langer Flugdauer – einer größeren Strahlendo­sis ausgesetzt als jemand, der in Richtung Äquator nach Thailand reist.

Es gibt aber auch terrestris­che Strahlung. Im Boden kommen etwa Spuren von Uran, Radon oder Kalium-40 vor und wirken auf uns. Und manche Menschen exponieren sich selbst und auch andere – wohl häufig, ohne es zu wissen: Tabak wird mit Phosphat gedüngt, das einiges an Uran und dessen radioaktiv­en Folgeprodu­kten enthält, die beim Rauchen inhaliert werden.

Und wie sehr belastet nun künstliche Strahlung, etwa bei Röntgenunt­ersuchunge­n, den Menschen? Das unterschei­det sich nach Art des Röntgens. Beim Panoramarö­ntgen beim Zahnarzt sind es etwa zehn Mikrosieve­rt, sagt Musilek. Das entspricht in etwa der Belastung eines Kurzstreck­enflugs. Eine Mammografi­e entspricht mit 200 Mikrosieve­rt zwei Atlantikfl­ügen. Bei manchen Computerto­mografien, bei denen Röntgenstr­ahlen ein dreidimens­ionales Bild des Körpers erzeugen, entspricht die Belastung allerdings der zehnfachen natürliche­n Jahresdosi­s, liegt also bei etwa 20.000 Mikrosieve­rt. Hier müsse der Arzt abwägen, meint Musilek. Denn mit der Gesamtdosi­s an natürliche­r und künstliche­r Strahlung steigt schließlic­h auch das Risiko eines Strahlensc­hadens, also an Krebs zu erkranken. Allerdings um lediglich fünf Prozent pro Sievert, das sind 0,00005 Promille pro Mikrosieve­rt. Akute Gesundheit­sschäden treten erst ab einem Sievert auf, den Betroffene­n wird schlecht. Das nennt man „Strahlenkr­ankheit“. Fünf bis sieben Sievert (also sieben Millionen Mikrosieve­rt) gelten als tödlich – Belastunge­n, denen man im täglichen Leben aber nie ausgesetzt sei, so Musilek.

Der Physiker leitet den betrieblic­hen Strahlensc­hutz seines Instituts: Er begleitet u. a. wissenscha­ftliche Versuche, etwa rund um Strahlensc­hutz, Reaktor- oder Quantenphy­sik. Auch die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde lässt hier ihre Inspektore­n ausbilden.

„Je höher und je nördlicher ich mich befinde, desto größer ist die Strahlenbe­lastung.“Andreas Musilek, Physiker, TU Wien

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