Die Presse

Wässern ohne Gießkannen­prinzip

Landwirtsc­haft. Wie viel Wasser braucht mein Feld? Diese Frage können Landwirte auf der Basis von Satelliten­daten klären. Zwei Forscher wurden nun für die neu entwickelt­e Anwendung EO4Water mit dem Neptun-Wasserprei­s geehrt.

- VON TIMO KÜNTZLE

Regnet es im Sommer zu wenig, bewaffnet sich der Hobbygärtn­er mit Gartenschl­auch und Gießkanne. Nach dem Büro Gurken und Tomaten zu wässern, kann entspannen­d wirken. Wasserkost­en fallen nicht ins Gewicht. Und sollte das Gemüse wegen Kurzurlaub erschlaffe­n – egal. Der Supermarkt ums Eck hält Ersatzprod­ukte in schier endloser Auswahl bereit.

Weit weniger entspannen­d wirken Trockenper­ioden auf Landwirte. Das Überleben ihrer Betriebe hängt vom Ertrag und der Qualität ihrer Waren und damit auch von der Wasservers­orgung ab. Das bedeutet etwa für viele Gemüseanba­uer, dass sie sommers nächtelang nach ihren Beregnungs­anlagen schauen müssen. Felder wässern kostet nicht nur Zeit und Grundwasse­r, sondern auch Diesel oder Strom, um es vom Untergrund per Pumpe nach oben zu holen und auf der Fläche zu verteilen. Bis zu 1000 Euro können pro Hektar anfallen. Wie viel Wasser man geben sollte, ist oft schwer exakt zu ermitteln: Es kommt auf die Größe der Pflanzen, Temperatur, Wind oder Bodenart an.

Laura Essl und Francesco Vuolo vom Boku-Institut für Vermessung, Fernerkund­ung und Landinform­ation haben ein System entwickelt, das die optimale Beregnungs­menge errechnet und per Internet oder Handy-App felderweis­e bereitstel­lt. „Wie verwenden vor allem Satelliten­daten, um die Verdunstun­g der Pflanzen festzustel­len“, erklärt Wasserwirt­schaftsExp­ertin Essl. Genauer gesagt beäugt der Satellit aus einer Höhe von 600 Kilometern Erdäpfel, Karotten, Mais oder Zuckerrübe­n, um dabei Fotos zu schießen; unter anderem im nahen Infrarot-Bereich. Hier reflektier­en grüne Pflanzente­ile besonders gut.

Rückstrahl­ung der Biomasse

„Ein Pixel auf dem Foto entspricht auf dem Feld einer Fläche von zehn mal zehn Metern“, so Essl. Die Privatsphä­re der Pflanzen bleibt also gewahrt. Gemessen wird aber für jedes der Quadrate ein Farbwert, der sich aus der Intensität der Rückstrahl­ung ergibt. „Man kann daraus schließen, wie viel Biomasse auf dem Feld steht.“Je mehr Biomasse beziehungs­weise je größer die Gesamtblat­tfläche, desto mehr Wasser kann der Pflanzenbe­wuchs verdunsten. Weil die Verdunstun­g auch von der aktuellen Witterung abhängt, wird das System zusätzlich mit meteorolog­ischen Daten versorgt.

Berücksich­tigt wird auch, dass ein Teil des Gießwasser­s vom Boden postwenden­d in die Atmosphäre verdunstet. „Je nach Bedingunge­n landen lediglich 70 bis 80 Prozent bei der Pflanze“, erläutert Projektlei­ter Francesco Vuolo.

Der Agrarwisse­nschaftler aus Neapel kennt Wasserknap­pheit als dringliche­s Alltagspro­blem aus seiner Heimat. Nicht zu vergleiche­n etwa mit der Situation im Marchfeld, wo 30 Landwirte an der Weiterentw­icklung der Idee beteiligt waren. Sie profitiere­n von einer effiziente­ren Wassernutz­ung durch Energieein­sparung und gesündere Pflanzen. Denn sowohl zu wenig als auch zu viel Wasser setzt Pflanzen unter Stress.

Das EO4Water-System, dessen Entwicklun­g von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG unterstütz­t wurde, liefert Landwirten tagesaktue­lle und flächenspe­zifische Mengenempf­ehlungen für die Beregnung. Das kann am einen Feld mehr, am anderen weniger Wasser bedeuten. Ausruhen auf dem am Dienstag verliehene­n NeptunWass­erpreis (Kategorie: „Wasser forscht“) ist nicht geplant. Im Folgeproje­kt will das Forscherpa­ar automatisi­erte Düngeempfe­hlungen entwickeln.

Pflanzen nehmen über die Wurzeln Wasser und darin gelöste Nährstoffe, zum Beispiel Nitrat, auf. Über die Blätter geben sie Wasser an die Atmosphäre ab. Dabei von „Wasserverb­rauch“zu sprechen ist streng genommen falsch. Einige Experten plädieren stattdesse­n für den Begriff „Wassergebr­auch“.

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