Die Presse

Mikroskope, die Spannung messen

Auch im Mikrometer­bereich sind innere Spannungen wichtig: Heimische Forscher entwickeln Methoden, um diese zu bestimmen.

- VON REINHARD KLEINDL

Innere Spannungen in Materialie­n sind ein wichtiges Thema in vielen Industriez­weigen. Im Alltag kennt man die Problemati­k von Glas, das ohne Vorwarnung springen kann, aufgrund von Spannung, die beim Abkühlproz­ess entstanden ist. Ähnliche Probleme gibt es bei der Produktion von Eisenbahns­chienen oder in der Luftfahrti­ndustrie. Manchmal sind innere Kräfte sogar gewünscht – sie können die Widerstand­sfähigkeit erhöhen. Zur Messung der Spannungen in einem Material gibt es deshalb Standardme­thoden. Im Mikrometer­bereich, also bei Strukturen mit einer Größe von etwa einem Tausendste­l Millimeter, fehlte es aber bisher an geeigneten Messgeräte­n. Solche zu entwickeln war das Ziel eines EU-Projekts namens „iStress“.

Kann in einem Computerch­ip passieren

Neben Forschungs­instituten aus Deutschlan­d, der Schweiz, Italien und Großbritan­nien war auch die Montan-Universitä­t Leoben beteiligt. Rostislav Daniel vom Department für Metallkund­e und Werkstoffp­rüfung betont die Wichtigkei­t einer Methode, die im Mikrometer­bereich funktionie­rt: „Das typische Beispiel sind mikroelekt­ronische Bauteile. Diese sind normalerwe­ise sehr komplex, dabei werden viele unterschie­dliche Materialie­n in Sandwichba­uweise kombiniert. Bei Erhöhung der Temperatur verhalten sie sich unterschie­dlich, weil sie verschiede­ne Ausdehnung­skoeffizie­nten haben. Das kann etwa in einem Computerch­ip passieren, durch den hohe Ströme fließen. Wenn dieser warm wird, entstehen hohe Spannungen. Dabei können sich Risse bilden und die Bauteile versagen.“

Die Oberfläche verzieht sich

Bisher gab es nur einige sehr spezielle Messmethod­en für kleine Strukturen, etwa die Durchleuch­tung mit Röntgenstr­ahlen, die nur bei kristallin­en Materialie­n funktionie­rt. „Die neue Methode, die wir entwickelt ha- ben, hat den Vorteil, dass man wirklich alle Arten von Materialie­n untersuche­n kann“, erklärt Daniel. Das Prinzip ist nicht schwer zu verstehen: Zuerst wird ein winziges Raster aus Punkten auf das Material aufgebrach­t. Danach trägt man um diesen Bereich Material ab. Durch die Veränderun­g der Festigkeit verzieht sich die Oberfläche und mit ihr das Raster.

Diese Verformung lässt sich abbilden, und so kann man die Spannung im Material bestimmen, auch im Inneren des Materials. Diese Eingriffe sind dabei klein genug, um die Funktion von Bauteilen nicht zu beeinträch­tigen. Durchgefüh­rt werden all diese Vorgänge mit einem Raster-Elektronen­mikroskop.

Dieser Mikroskopt­yp verfügt über einen sehr feinen Elektronen­strahl, der über die Probe bewegt werden kann, um sie so Punkt für Punkt abzubilden. Zusätzlich wird eine Ionenquell­e benötigt, die schwere, geladene Atome mit hoher Geschwindi­gkeit abgibt, um damit Material abtragen zu können.

Messung funktionie­rt auf Knopfdruck

„Diese Geräte haben sich in den vergangene­n Jahren stark weiterentw­ickelt“, erzählt Daniel. „Sie sind nicht mehr so teuer und inzwischen in der Industrie üblich. Ein Ziel des Projekts war, den Prozess zu automatisi­eren, sodass die Messung der Spannung mittels Knopfdruck funktionie­rt. Wir haben ein automatisi­ertes Modul dafür entwickelt.“

Rostislav Daniel war im Rahmen des Projekts für Präzisions­messungen zur Kalibrieru­ng der neuen Messmethod­e zuständig. „Die Methode misst genau genommen nicht die Spannung selbst, sondern die Dehnung des Materials“, sagt der Materialwi­ssenschaft­ler. „Die genaue Berechnung ist schwierig. Unsere Rolle war, dünne Schichten mit genau definierte­m Spannungsp­rofil auf einem ausgewählt­en Substratma­terial

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