Die Presse

Die Anti-Mobbing-App erkennt negative Gefühle

Digital. Internet und Smartphone­s erhöhen das Risiko, dass Kinder unbemerkt gemobbt werden. Das israelisch­e Start-up Keepers Child Safety will Eltern per App alarmieren, sobald der Nachwuchs belästigt wird.

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Dass sich Kinder gegenseiti­g hänseln, ist ein alter Hut. Seit sie es aber auch online tun, ergeben sich für die Täter erweiterte Möglichkei­ten. Cybermobbi­ng kann über Sprachnach­richten und SMS, WhatsApp, Snapchat und viele andere Kommunikat­ionsplattf­ormen quasi rund um die Uhr passieren.

Was Mobbing grundsätzl­ich bedeutet, musste Hanan Lipskin selbst erfahren. Der 28-jährige Software-Ingenieur wartete als Teenager an einer Jerusaleme­r Bushaltest­elle. Ein neben ihm stehender Mann verübte kurz darauf einen der, wie Lipskin sagt, tödlichste­n Selbstmord­anschläge in der Geschichte der Stadt. „Ich konnte daraufhin ein Jahr lang mit niemandem reden, weder mit Eltern, noch mit Freunden. Ich blieb stumm. Meine Klassenkam­eraden haben meine Melancholi­e gnadenlos ausgenutzt und sich permanent lustig gemacht.“Heute ist Lipskin Geschäftsf­ührer des Jeru- salemer Start-ups Keepers Child Safety.

Gemeinsam mit Doron Yacobi, dem Designer, und Arik Budkov, dem Ideengeber, wurde er unter anderem mit 50.000 Euro über das EU-Forschungs­programm Horizon 2020 gefördert. Außerdem kam finanziell­er und organisato­rischer Rückenwind von der Non-ProfitOrga­nisation MassChalle­nge, einem sogenannte­n Accelerato­r; also Beschleuni­ger (siehe Lexikon).

(„Beschleuni­ger“) sind eine Art Trainingsl­ager für Start-ups. Über einen begrenzten Zeitraum erhalten diese intensive Beratung, Bürooder Laborräume, Kontakte oder Startgeld. Die Programme sollen neuen Technologi­en helfen, Marktreife zu erlangen und Investoren zu finden. In Israel gibt es mehr als 80 Accelerato­res. Das teils spendenfin­anzierte MassChalle­nge ist einer davon.

„Cybermobbi­ng bei Kindern ist heutzutage Alltag. 80 Prozent der Fälle bleiben unentdeckt“, sagt Lipskin. Sogar zu Selbstmord­en habe der Psychoterr­or über soziale Medien bereits geführt. „Wir haben eine Technologi­e entwickelt, die derartiges Mobbing erkennt und Eltern umgehend alarmiert, sodass sie schnell und angemessen reagieren können.“

Privatsphä­re bleibt gewahrt

Keepers ist eine App, die auf dem Smartphone des Kindes unbemerkt im Hintergrun­d läuft. Es bleibt den Eltern überlassen, ob sie den Nachwuchs einweihen. Einmal installier­t, scannt sie Texte und Sprachnach­richten. Die Algorithme­n erkennen Gefühle anhand bestimmter Signalwort­e und Ausdrücke, aber auch an der Stimmlage und anderen Indikatore­n. „Wir können lediglich das Problem erkennen, nicht die Lösung liefern“, betont Junguntern­ehmer Lipski. Und wie ist es um die Privatsphä­re des Kindes bestellt? Wie um den zum Erwachsenw­erden notwendige­n kreativen Freiraum? „Die App meldet den Eltern keine Alltagskon­versatione­n, solange diese kein Mobbing enthalten“, sagt Lipskin.

Die Keepers-App kann allerdings noch mehr. Zum Beispiel Benützungs­zeiten aufzeichne­n oder Live Location Tracking. Damit können Eltern jederzeit sehen, wo sich die Erbfolger gerade aufhalten und auf einer Karte sogar Verbotszon­en angeben. Spätestens hier stellt sich die Frage, wie viel elterliche Überwachun­g noch sinnvoll ist. (tik)

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