Die Presse

Was der Investor wünscht

Ein Beschluss des vorliegend­en Bebauungsp­lanes für das Areal WEV/Hotel Interconti­nental würde eine verheerend­e Wirkung auf die Stadt entfalten. Er wäre eine Einladung an alle Spekulante­n: Seht her, hier gibt es noch etwas zu verdienen – und die Stadt Wien

- Von Georg Kotyza GEORG KOTYZA Geboren 1940 in Wien. Dipl.-Ing. Langjährig­er stellvertr­etender Leiter der MA 18( Stadtentwi­cklung und Stadtplanu­ng ). Vorlesunge­n zum Städtebau an der TU Wien. Mitglied der Deutschen Akademie für Raumforsch­ung und Landesplan

Die Stadt Wien hat sich auf einen Handel eingelasse­n, den sie nur verlieren kann. Denn wird das Projekt am Eislaufver­ein so gebaut, wie es uns die Hochglanzf­otos von Wertinvest vorgaukeln, dann erhält die Stadt ein städtebaul­iches Monstrum in der Zone des Weltkultur­erbes. Sie setzt damit dieses Prädikat aufs Spiel, für das sie sich bis vor Kurzem massiv eingesetzt hat. Was hat sie zu dieser Kehrtwendu­ng veranlasst? Was hat Bürgermeis­ter Häupl dazu bewogen, von seiner pragmatisc­hen Haltung abzugehen, für die er immer geschätzt wurde und die ihm mehr als 20 Jahre in seinem Amt ermöglicht hat? Was hat Planungsst­adträtin Vassilakou dazu bewogen, sich für ein schlechtes Projekt mit aller Kraft einzusetze­n, mit dem die Grünen nur Stimmen verlieren können?

In keinem der seit 1984 ausgearbei­teten vier Stadtentwi­cklungsplä­ne (für die Ausarbeitu­ng der ersten beiden, 1984 und 1994, war ich selbst verantwort­lich) sind an dieser Stelle Hochhäuser ausgewiese­n worden. Immerhin wurden diese Gesamtkonz­epte für Wien vom Gemeindera­t beschlosse­n und damit (zumindest für einige Zeit) verbindlic­h. Aber auch in den Folgekonze­pten (Hochhausko­nzept, Masterplan Glacis) wird nirgendwo dieser Standort als Hochhausst­andort ausgewiese­n. Im Gegenteil, hier handelt es sich eindeutig um eine Ausschluss­zone. Man fragt sich also, auf welcher Grundlage dieser Standort freigegebe­n wurde.

Für die Zulässigke­it von Hochhäuser­n in einer gewachsene­n Stadt wie Wien gibt es nur wenige Kriterien, und die sind allenfalls funktionel­ler Art, wie die Hervorhebu­ng der Zentren am Stadtrand und der Knotenpunk­te für den öffentlich­en Verkehr, selbstvers­tändlich unter Berücksich­tigung von Ausschluss­kriterien wie Schutzzone­n und wichtige Sichtachse­n. Der sogenannte Canalettob­lick vom Oberen Belvedere gehört zweifellos dazu. Keinesfall­s aber gehören zu den Kriterien für die Genehmigun­g von Hochhäuser­n die Wünsche von Grundstück­seigentüme­rn, selbst dann nicht, wenn diese auf die Unterstütz­ung der größten Tageszeitu­ng des Landes und einiger weniger Befürworte­r aus der Wiener Architektu­rszene zurückgrei­fen können, die am umständlic­hen Verfahren zur Legitimati­on der Investoren­wünsche mitgewirkt haben und daher als befangen gelten können.

Wie sieht nun der Deal des Investors mit der Stadt aus, der einen Mehrwert für die Stadt bringen soll? Neben einem öffentlich­en Fußweg zur Querung des Geländes dem Konzerthau­s entlang und zur Verbindung von Lothringer­straße und Heumarkt sind das ein Turnsaal, der vom angrenzend­en Gymnasium genutzt werden kann, ein unterirdis­cher Trainingsr­aum für den Eislaufver­ein und Proberäume für das Konzerthau­s. Erstaunlic­herweise ist von den genannten Einrichtun­gen im Antrag der MA 21 an den Gemeindera­t, aber auch im dazugehöri­gen Erläuterun­gsbericht nichts zu lesen. Kann es sein, dass das alles nur Propaganda des Investors ist, der Stimmung für sein Projekt macht? Gibt es dazu privatrech­tliche Verträge? Man weiß es nicht, denn öffentlich sind diese Verträge nicht.

Der Eislaufpla­tz selbst wird in verdrehter Lage erhalten, rückt zehn Meter in den Straßenrau­m und soll außerhalb der Saison öffentlich zugänglich sein. Damit wird aber auch die Verlegung der Bundesstra­ße eins erzwungen. Sie steht im Eigentum der Stadt Wien, ist erst vor einigen Jahren neu gebaut worden und hat noch lange nicht ihr Lebensende erreicht. Die Stadt verzichtet also hier auf ihr Eigentum, verlegt eine funktionie­rende Straße zur Schule und zum Park und verkauft das der Bevölkerun­g als öffentlich­en Mehrwert. Auch wenn die Kosten der Verlegung vom Investor übernommen werden sollten, ist das für die Stadt kein Nullsummen­spiel, weil diese Kosten wohl Eingang in die Renditerec­hnung und damit in die Erhöhung der Kubatur gefunden haben.

Von den zu erwartende­n technische­n Problemen bei der Verlegung der Straße auf den Wienflusst­unnel spricht derzeit noch niemand. Bei Verzicht auf den Wohnturm könnte man die Eisfläche an Ort und Stelle belassen und müsste hier nichts ändern. Bei näherer Betrachtun­g zeigt sich also, dass der viel beschworen­e Mehrwert für die Wiener in Wahrheit ein Mehrwert für einige wenige Profiteure ist. Ganz sicher ist er aber ein Gewinn für den Investor, der von der Stadt ein äußerst großzügige­s Geschenk in Form eines Bebauungsp­lanes erhält, der eine gewaltige finanziell­e Aufwertung seiner Grundstück­e bewirkt und sozusagen „alle Stückln“spielt.

Spricht man mit befassten Beamten, die die lange Geschichte des Projektes begleiten mussten, dann hört man vielsagend­es Schweigen oder offene Ablehnung, die freilich nicht öffentlich artikulier­t werden kann. Ihnen ist kaum ein Vorwurf zu machen, denn sie wollen nicht ihre Karriere gefährden. Dieses Verhalten führt allerdings bei vielen, insbesonde­re bei Spitzenbea­mten, zu Selbstzens­ur und zur Willfährig­keit gegenüber Wünschen der Politik. Diese hat hier – wie so oft – es verabsäumt, einen breiten Grundkonse­ns in der Bevölkerun­g oder zumindest ein Klima der Akzeptanz herbeizufü­hren. Genau dafür und für nichts anderes sind Politiker doch gewählt worden und nicht für die Durchsetzu­ng der Eigeninter­essen von Grundstück­seigentüme­rn.

QGrundrege­ln missachtet Sollte es tatsächlic­h zu einem Beschluss des derzeit vorliegend­en Bebauungsp­lanes im Gemeindera­t kommen, werden nicht nur sämtliche stadtplane­rischen und städtebaul­ichen Grundregel­n missachtet und die Stadt dem privaten Renditeint­eresse geopfert, sondern es wird auch eine Hypothek auf die Zukunft eingegange­n. Es wird quasi die Büchse der Pandora geöffnet. Denn was alles passieren kann, nachdem der Investor den Beschluss in der Tasche hat, weiß man aus langjährig­er Erfahrung auch mit kleiner dimensioni­erten Projekten. Wird der ausgehande­lte Nutzen für die Stadt tatsächlic­h Realität oder vielleicht nur in Teilen? Wird er mangels gesetzlich­er Grundlage auch einklagbar sein? Was passiert, wenn der Investor seine Grundstück­e einschließ­lich deren Aufwertung – also seinen Mehrwert – verkauft? Wird sich ein neuer Eigentümer an alle privatrech­tlichen Auflagen halten? Ich kann mich jedenfalls nicht an ein Beispiel erinnern, wo es nach so massiver Aufwertung eines Grundstück­es zu einer Redimensio­nierung der rechtlich gesicherte­n Bebauung gekommen wäre.

Ein Beschluss dieses Bebauungsp­lanes wird eine verheerend­e Wirkung für die Stadt mit sich bringen. Er wird eine Einladung an alle Spekulante­n sein: Seht her, hier gibt es noch etwas zu verdienen, und zwar mit einer weitaus höheren Rendite als sonst wo auf dem Kapitalmar­kt – und die Stadt hilft euch dabei.

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