Vom privaten zum öffentlichen Raum
Trends. Eine neue Wohnstudie des Zukunftsinstituts geht von mehr gemeinsam geteilten Flächen aus. Auch Architekten und Entwickler können sich mit der Idee anfreunden.
Nicht nur die Arbeitswelt wandelt sich, auch das Wohnen“, sagt Jakob Dunkl vom Architekturbüro Querkraft. Theodor Klais, Geschäftsführer von Strabag Real Estate, illustriert dies an einem konkreten Beispiel: „Vor 15 Jahren war es noch üblich, die Küche vom Wohnraum abzutrennen. Heute ist das kein Thema mehr“, erläutert er. Küchen und Wohnzimmer seien zu einer Einheit verschmolzen – und würden das künftig noch mehr.
Gemeinschaftsflächen
„Verwohnzimmerung der Küche“, nennt dies das in Frankfurt/M. beheimatete Zukunftsinstitut in seiner neuesten Studie, „50 Insights – Die Zukunft des Wohnens“. Demnach gewinnt die Küche mehr und mehr ihre soziale Dimension zurück, ihre vitale Bedeutung als Kommunikationsort, und wird (wieder) zum echten Drehpunkt im eigenen Zuhause.
„Kaum etwas bestimmt unser Leben so sehr wie die Räume, die uns umgeben. Beim Thema Wohnen manifestiert sich die ganze Tragweite der Megatrends. Hier wird ihre Wirkung sichtbar und spürbar“, erläutert Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts, die gesellschaftlichen Impli- kationen. Wie etwa die Tatsache, dass die Bedeutung von Gemeinschaftsräumen zunimmt. „Der Trend geht zu kleineren Wohnungen mit einem höheren Anteil an gemeinschaftlich genutzten Flächen“, sagt Klais.
Dabei sei unter den Shared Spaces mittlerweile mehr zu verstehen als lediglich Waschküchen, Fahrrad- oder hauseigene Fitnessräume, meint Dunkl: „Gerade in Häusern mit Mikrowohnungen werden gemeinsame Fernsehzimmer oder Küchen immer populärer.“In diesem Zusammenhang ist Flexibilität gefragter denn je. „Wir kämpfen schon heute darum, innerhalb der Grundrisse auf tragende Wände verzichten zu können“, erklärt der Architekt. Diese würden entweder an die Außenwände oder die Wände zum Stiegenhaus delegiert, oder man arbeite mit Stützen in Skelettbauweise. „Das ist für uns zugleich strukturierte Nachhaltigkeit“, sagt der Architekt.
Dass Bewohner sich dadurch von der Idee fester Raumfunktionen und -konstellationen verabschieden müssen und das traditionelle Raumverständnis auf den Kopf gestellt wird, liegt auf der Hand: „Es geht darum, Lebensräume zu schaffen, die eine Anpassung an sich stetig wandelnde Bedürfnisse ermöglichen. In Zukunft bestimmt nicht nur die räumliche Privatsphäre die Lebensqualität. Der Schwerpunkt verschiebt sich von Square Meters hin zu Shared Meters“, erklärt Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern.
Darin einbezogen wird laut Wohnstudie auch die Umgebung: Demnach werde es nicht mehr allein darum gehen, wie viel Quadratmeter man zur Verfügung hat, sondern eher um die Qualität der Nachbarschaft und eben die gemeinschaftlich genutzten Flächen: von der erwähnten Gemeinschaftsküche über Bibliotheken bis hin zum Garten. Für Horx-Strathern kommt es also darauf an, die Welt als Wohnraum zu entdecken, indem man die gemeinschaftliche Flächennutzung fördert und für mehr öffentlichen Raum innerhalb von Gebäuden sorgt. „Damit die- Wohin entwickelt sich das Wohnen, und welche Faktoren sind die Treiber? Diesen Fragen widmet sich die neue Studie des Zukunftsinstituts
Die Autoren Oona Horx-Strather, Christiane Varga und Matthias Horx versuchen darin, das Thema nicht nur in seinen praktischen Aspekten zu beleuchten, sondern ihm auch eine gesellschaftliche Dimension abzugewinnen. Erhältlich im Onlineshop des Zukunftsinstituts um ca. 200 Euro. www.zukunftsinstitut.de ses Agora-Prinzip funktioniert, brauchen wir Diversität im öffentlichen Raum – bei Ideen, Waren, Dienstleistungen und nicht zuletzt bei den Menschen.“
Ökologische Aspekte
Architekt Dunkl könnte sich mehr Gemeinsamkeit auch beim Thema Mobilität vorstellen: „Vielleicht wandeln sich Entwickler und Vermieter künftig ja vom Parkplatzzum Mobilitätsanbieter?“Immerhin koste ein Parkplatz in einem Gebäude in etwa so viel wie ein Kinderzimmer. Vorstellbar wäre, so Dunkl, dass Vermieter ihren Mietern für einen gewissen Aufschlag auf die Miete Zugang zu einer Carsharingflotte anbieten könnten. Das Problem der Städte sei nämlich generell das stehende Blech, sagt der Architekt überzeugt. Sei dieses weg, könnte man wieder im Erdgeschoß wohnen und müsste Wohnungen nicht durch die Tiefgarage betreten.
Für Klais spielt zudem der ökologische Aspekt eines Wohnprojekts eine Rolle. So könnten etwa durch alternative Energien die Betriebskosten verringert werden. „Der Trend zu Plusenergiehäusern wird allein aufgrund der Regulierungsbestrebungen seitens der Europäischen Union rascher auf unserem Tisch sein, als wir uns das heute vorstellen können“, sagt er.