Die Presse

Gebrauchte Objekte stark gesucht

Wohnungsma­rkt. Die Quadratmet­erpreise scheinen sich auf hohem Niveau zu stabilisie­ren. Einige Experten raten, die Gunst der Stunde zu nutzen und sich von nicht benötigten Immobilien zu trennen. Andere sind skeptische­r.

- VON ERICH EBENKOFLER

Wer sich in Wien in den vergangene­n Jahren eine Wohnung gekauft hat, darf sich entspannt zurücklehn­en: Für eine typische Eigentumsw­ohnung müsste er oder sie heute rund 40 Prozent mehr auf den Tisch legen als noch vor fünf Jahren. Der Quadratmet­erpreis betrug 2016 durchschni­ttlich 3442 Euro, wobei die typischerw­eise verkaufte Wohnung knapp 66 Quadratmet­er groß war. Das geht aus dem aktuellen Eigentumsw­ohnungsmar­ktbericht des Maklernetz­werks Remax hervor, der auf Basis der tatsächlic­hen Verbücheru­ngen auf den Grundbuchg­erichten erstellt wurde.

Markt überteuert

Der Bericht zeigt aber auch, dass die Zeit der großen Preissprün­ge wohl vorerst der Vergangenh­eit angehört. Gerade einmal um 1,7 Prozent mehr kostete der Quadratmet­er 2016 im Vergleich zum Vorjahr, und auch der Vergleich mit 2014 weist eine unwesentli­che Steigerung von lediglich 2,3 Prozent aus. Mehr noch: Auf der unteren Preisskala, bei Wohnungen im Segment bis 120.000 Euro – immerhin rund ein Viertel aller verkauften Wiener Wohnungen –, verzeichne­ten die Experten im Jahresverg­leich sogar einen Rückgang um 2,5 Prozent auf 2531 Euro pro Quadratmet­er. „Zumindest für einen Teil der Bevölkerun­g ist Wohnungsei­gentum – trotz eines historisch­en Zinstiefs – nicht mehr finanzierb­ar“, begründet Anton Nenning, Managing Director von Remax Austria, das Ende der Goldgräber­stimmung auf dem Wiener Wohnungsma­rkt.

Ganz ähnlich sehen das die Experten von Raiffeisen Immobilien. „Vor allem in den Ballungsge­bieten gibt es nicht mehr viele Immobilien, die sich eine durchschni­ttliche Familie noch leisten kann. Der Markt wird als überteuert wahrgenomm­en“, sagt Peter Weinberger, Geschäftsf­ührer von Raiffeisen Immobilien NÖ, Wien und Burgenland, und erkennt darin eine Polarisier­ung: „Im oberen Preissegme­nt gibt es einen Angebotsüb­erhang, im unteren einen Nachfrageü­berhang.“Daraus ergä- ben sich vor allem für Verkäufer von gebrauchte­n Objekten jetzt noch gute Chancen, einen attraktive­n Preis zu erzielen, meint Weinberger, der – abgesehen von einzelnen Hotspots – für heuer mit einer „sanften Landung“bei den Immobilien­preisen rechnet. „Die leistbare Immobilie ist die gebrauchte, und der Markt dürstet gerade danach“, meint er. Wohl nicht ganz zufällig hat die Raiffeisen Immobilien-Vermittlun­g (RIV) daher vor Kurzem eine Initiative gestartet, bei der Hinweise auf Objekte, die zum Abschluss eines Alleinverm­ittlungsau­ftrags führen, mit 100 Euro Tippgeld belohnt werden. „Manche Immobilien werden von ihren Besitzern – wohl auch in der Hoffnung auf weiter steigende Preise – einfach leer stehen gelassen. Das ist absurd und kostet unterm Strich nur Geld“, erläutert Weinberger.

Individuel­le Prüfung

Von einem grundsätzl­ich günstigen Verkaufsze­itpunkt für Immobilien, die nicht selbst benötigt werden, spricht auch Richard Buxbaum, Leiter Wohnimmobi­lienvermar­ktung und Zinshäuser, bei Otto Immobilien. „Allerdings sollte jeder Einzelfall individuel­l geprüft werden“, schränkt er ein. Faktoren wie Kaufpreis, Zustand oder Lage eines Objekts müssten genau analysiert werden. „Auch die konkreten Pläne und Ziele des potenziell­en Käufers spielen eine Rolle, etwa die Frage, was mit dem Kapi- tal, das hereinkomm­t, dann gemacht werden soll.“Sandra Bauernfein­d, Geschäftsf­ührerin von EHL-Immobilien, hingegen bezweifelt, dass sich derzeit viele Besitzer motivieren lassen, sich von ihren Objekten zu trennen: „Da sich Immobilien in den vergangene­n Jahren als attraktive Investitio­n erwiesen haben und ein Absinken der Preise auf absehbare Zeit sehr unwahrsche­inlich ist, denken derzeit nur wenige Eigentümer an einen Verkauf“, berichtet sie aus der Praxis. „Die Immobilien wurden außerdem meist weniger wegen der hohen Rendite als vielmehr zur Wertschaff­ung beziehungs­weise -erhaltung angeschaff­t.“Eine Diagnose, die der Österreich­ische Verband der Immobilien­wirtschaft (ÖVI) teilt: „Die Akquise auf dem Sekundärma­rkt ist schwierige­r geworden, denn verkauft wird derzeit nur, wenn es notwendig ist“, schreibt er in seinem Marktausbl­ick für 2017. Rund ein Drittel der Aktivitäte­n auf dem österreich­ischen Wohnungsma­rkt 2016 entfiel auf Wien. Insgesamt wechselten hier 13.848 Eigentumsw­ohnungen um 3,34 Mrd. Euro den Besitzer. Die durchschni­ttlichen in Wien zogen 2016 im Jahresverg­leich um 1,7 Prozent an, im Billigsegm­ent bis 120.000 Euro wurde hingegen ein Rückgang um 2,3 Prozent verzeichne­t. Die typische verkaufte Wohnung war knapp 66 m2 groß, der Quadratmet­er kostete 3442 Euro. (Quelle: Remax)

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[ Clemes Fabry/DiePresse] Heiß begehrt: Da neue Eigentumsw­ohnungen für viele nicht mehr leistbar sind, wird auf günstigere, gebrauchte ausgewiche­n. In diesem Segment gibt es derzeit aber mehr Nachfrage als Angebote.

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