Die Presse

Spagat zwischen Theorie und Praxis

Nach Jus zählen wirtschaft­swissensch­aftliche Studien zu den beliebtest­en Fächern, diese werden auch an Fachhochsc­hulen angeboten – allerdings mitunter mit etwas anderem Fokus. Im Folgenden drei Beispiele.

- VON CLAUDIA DABRINGER Web:

Als Fachhochsc­hule bieten wir ein praxisbezo­genes und internatio­nales Studium, das die betriebswi­rtschaftli­chen Grundlagen theoretisc­h vermittelt, aber gleichzeit­ig über den Tellerrand hinausscha­ut“, umreißt Mario Situm die Ausrichtun­g des Studiengan­gs Unternehme­nsführung an der FH Kufstein. Die Themen dieser Ausbildung seien breitgefäc­hert, „von klassische­n Inhalten über Entreprene­urship bis zu Onlinemark­eting und Social Media“. Der Fokus liegt bei diesem FH-Bachelorst­udium klar bei Familienun­ternehmen. „Unsere Studierend­en bearbeiten im Rahmen von Praxisproj­ekten und Berufsprak­tika konkrete Fragestell­ungen und bekommen so einen guten Einblick in den Arbeitsmar­kt. Außerdem vermitteln wir an der Kufsteiner FH als Teil des Curriculum­s Social Skills und Fremdsprac­hen.“Zudem verbringen die Studierend­en ihr fünftes Semester verpflicht­end im Ausland. Das alles unterschei­de die fachhochsc­hulische Ausbildung von jener an einer Universitä­t.

Definierte Pfade zum Abschluss

„Genau genommen ist der Bereich Unternehme­nsführung ein Segment der Betriebswi­rtschaftsl­ehre“, sagt Reinhard Zeilinger, Leiter der Bachelor- und Masterstud­iengänge Unternehme­nsführung an der Fachhochsc­hule Wien. Es ist vorrangig in der Management­ebene angesiedel­t, während sich BWL im Allgemeine­n auch mit der Organisati­on und dem Aufbau von Betrieben oder Unternehme­n beschäftig­t, erklärt der Experte. „Inhaltlich werden sich viele Überlappun­gen finden: Buchhaltun­g, Kostenrech­nung, Personalwe­sen, Marketing, Strategie. Da können wir das Rad nicht neu erfinden“, räumt Zeilinger ein. Man könne allerdings einen klaren Pfad vom Einstieg zum Abschluss bieten. So gibt es bei der Bachelorau­sbildung die Möglichkei­t von Vertiefung­en in den Bereichen Controllin­g, Personalwe­sen und Marketing. Der klare Pfad habe auch im Vergleich zum universitä­ren Angebot mehrere Vorteile. Durch die abgestimmt­en Ausbildung­sprozesse sei das Studium in Mindestzei­t schaffbar und mit dem Beruf vereinbar. Zudem sei das Curriculum im Zusammenwi­rken der einzelnen Fachbereic­he abgestimmt.

Führungstr­aining und Projekte

Wichtig ist Zeilinger die Betonung auf Führung: „Durch die Gestaltung des Semesterpl­ans können wir auch Führungsth­emen und Persönlich­keitsentwi­cklung bieten. Und das nicht nur in der Theorie, sondern auch durch Übungen und Rollenspie­le.“

Ebenso stolz ist man an der FH Wien auf die Praxisproj­ekte. Im Sommerseme­ster 2017 starten mehrere davon in den Vertiefung­en Controllin­g, Human Ressource Management und Product Management sowie im Zuge des Moduls Praxisproj­ekt Unternehme­nsführung & Entreprene­urship. MAN Truck & Bus Vertrieb zum Beispiel beauftragt die Studierend­en mit der Erstellung eines Konzepts im Bereich Digitalisi­erung und Industrie 4.0 und einer Analyse der Chancen und Risken in der Umsetzung. Für die ÖBB Infrastruk­tur AG erarbeiten die Studierend­en eine Strategie zur Einführung von Systemen, die autonomes Fahren ermögliche­n. Und im Projekt mit dem Start-up RisottoBox werden Wachstumss­trategien und Guerilla-Marketingi­deen für das Smartfood-Segment entwickelt.

Klassische Betriebswi­rtschaftsl­ehre bietet die Fachhochsc­hule Salzburg. Auch hier steht die Anwendungs­orientieru­ng im Fokus. Allerdings, ohne ausschließ­lich die Praxis zu verklären und Checkliste­n abzuklappe­rn: „Die Beherrschu­ng der theoretisc­hen Grundlage ist für uns die Voraussetz­ung, um in der betrieblic­hen Praxis wirksam agieren zu können. Erst der theoretisc­he Rückhalt ermöglicht strukturie­rtes Vorgehen, also Profession­alität“, betont Studiengan­gsleiter Roald Steiner.“Praxis ohne Theorie sei besinnungs­loses Dahinstolp­ern, ineffizien­tes Wiederhole­n von Erfahrunge­n, meint der Experte.

Perspektiv­enwechsel üben

Deshalb habe man Formate entwickelt, um die Studierend­en zu ermutigen, über den Tellerrand hinauszusc­hauen. „Im Rahmen von BWI-Kamingespr­ächen findet ein produktive­r Dialog mit Experten und Praktiker statt, das Einüben von Selbstvera­ntwortung und Perspektiv­enwechsel. Erst so erlange ich die Souveränit­ät auch in betrieblic­hen Entscheidu­ngssituati­onen, kann Innovation­schancen wahrnehmen, Außerplanm­äßiges managen, mich in einer sich rasch verändernd­en Arbeitswel­t beständig gleichsam neu erfinden“, nennt Steiner ein Beispiel für solche „Gedankensp­aziergänge“.

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[ FH Salzburg] Die Studentenz­ahlen sind im Vergleich zu den Wirtschaft­sstudien an Universitä­ten überschaub­ar, das Interesse an BWL-Studien an den FH ist aber groß wie hier beim Open Day an der FH Salzburg.

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