Spagat zwischen Theorie und Praxis
Nach Jus zählen wirtschaftswissenschaftliche Studien zu den beliebtesten Fächern, diese werden auch an Fachhochschulen angeboten – allerdings mitunter mit etwas anderem Fokus. Im Folgenden drei Beispiele.
Als Fachhochschule bieten wir ein praxisbezogenes und internationales Studium, das die betriebswirtschaftlichen Grundlagen theoretisch vermittelt, aber gleichzeitig über den Tellerrand hinausschaut“, umreißt Mario Situm die Ausrichtung des Studiengangs Unternehmensführung an der FH Kufstein. Die Themen dieser Ausbildung seien breitgefächert, „von klassischen Inhalten über Entrepreneurship bis zu Onlinemarketing und Social Media“. Der Fokus liegt bei diesem FH-Bachelorstudium klar bei Familienunternehmen. „Unsere Studierenden bearbeiten im Rahmen von Praxisprojekten und Berufspraktika konkrete Fragestellungen und bekommen so einen guten Einblick in den Arbeitsmarkt. Außerdem vermitteln wir an der Kufsteiner FH als Teil des Curriculums Social Skills und Fremdsprachen.“Zudem verbringen die Studierenden ihr fünftes Semester verpflichtend im Ausland. Das alles unterscheide die fachhochschulische Ausbildung von jener an einer Universität.
Definierte Pfade zum Abschluss
„Genau genommen ist der Bereich Unternehmensführung ein Segment der Betriebswirtschaftslehre“, sagt Reinhard Zeilinger, Leiter der Bachelor- und Masterstudiengänge Unternehmensführung an der Fachhochschule Wien. Es ist vorrangig in der Managementebene angesiedelt, während sich BWL im Allgemeinen auch mit der Organisation und dem Aufbau von Betrieben oder Unternehmen beschäftigt, erklärt der Experte. „Inhaltlich werden sich viele Überlappungen finden: Buchhaltung, Kostenrechnung, Personalwesen, Marketing, Strategie. Da können wir das Rad nicht neu erfinden“, räumt Zeilinger ein. Man könne allerdings einen klaren Pfad vom Einstieg zum Abschluss bieten. So gibt es bei der Bachelorausbildung die Möglichkeit von Vertiefungen in den Bereichen Controlling, Personalwesen und Marketing. Der klare Pfad habe auch im Vergleich zum universitären Angebot mehrere Vorteile. Durch die abgestimmten Ausbildungsprozesse sei das Studium in Mindestzeit schaffbar und mit dem Beruf vereinbar. Zudem sei das Curriculum im Zusammenwirken der einzelnen Fachbereiche abgestimmt.
Führungstraining und Projekte
Wichtig ist Zeilinger die Betonung auf Führung: „Durch die Gestaltung des Semesterplans können wir auch Führungsthemen und Persönlichkeitsentwicklung bieten. Und das nicht nur in der Theorie, sondern auch durch Übungen und Rollenspiele.“
Ebenso stolz ist man an der FH Wien auf die Praxisprojekte. Im Sommersemester 2017 starten mehrere davon in den Vertiefungen Controlling, Human Ressource Management und Product Management sowie im Zuge des Moduls Praxisprojekt Unternehmensführung & Entrepreneurship. MAN Truck & Bus Vertrieb zum Beispiel beauftragt die Studierenden mit der Erstellung eines Konzepts im Bereich Digitalisierung und Industrie 4.0 und einer Analyse der Chancen und Risken in der Umsetzung. Für die ÖBB Infrastruktur AG erarbeiten die Studierenden eine Strategie zur Einführung von Systemen, die autonomes Fahren ermöglichen. Und im Projekt mit dem Start-up RisottoBox werden Wachstumsstrategien und Guerilla-Marketingideen für das Smartfood-Segment entwickelt.
Klassische Betriebswirtschaftslehre bietet die Fachhochschule Salzburg. Auch hier steht die Anwendungsorientierung im Fokus. Allerdings, ohne ausschließlich die Praxis zu verklären und Checklisten abzuklappern: „Die Beherrschung der theoretischen Grundlage ist für uns die Voraussetzung, um in der betrieblichen Praxis wirksam agieren zu können. Erst der theoretische Rückhalt ermöglicht strukturiertes Vorgehen, also Professionalität“, betont Studiengangsleiter Roald Steiner.“Praxis ohne Theorie sei besinnungsloses Dahinstolpern, ineffizientes Wiederholen von Erfahrungen, meint der Experte.
Perspektivenwechsel üben
Deshalb habe man Formate entwickelt, um die Studierenden zu ermutigen, über den Tellerrand hinauszuschauen. „Im Rahmen von BWI-Kamingesprächen findet ein produktiver Dialog mit Experten und Praktiker statt, das Einüben von Selbstverantwortung und Perspektivenwechsel. Erst so erlange ich die Souveränität auch in betrieblichen Entscheidungssituationen, kann Innovationschancen wahrnehmen, Außerplanmäßiges managen, mich in einer sich rasch verändernden Arbeitswelt beständig gleichsam neu erfinden“, nennt Steiner ein Beispiel für solche „Gedankenspaziergänge“.