Die Presse

Konkurrenz um die besten Köpfe

Ein großer Teil des FH-Lehrperson­als sind Quereinste­iger, die ihre Berufserfa­hrung in den akademisch­en Betrieb einbringen. Sie zu rekrutiere­n ist für Hochschule­n nicht immer einfach.

- VON ERIKA PICHLER

Praxisbezu­g zählt zu den großen Trümpfen von FH-Studiengän­gen und ist auch gesetzlich als leitender Grundsatz dieses Hochschult­yps verankert. Im realen Studienbet­rieb wird dieser vor allem durch Lehrende verkörpert, die nicht aus dem akademisch­en Betrieb kommen. Bei der Rekrutieru­ng dieser Profis als Lehrende konkurrier­en Fachhochsc­hulen oft mit lukrativer­en Branchen.

Technik und Wirtschaft gefragt

„Schwierig ist es in Bereichen, in denen Fachkräfte auch von der Wirtschaft heiß begehrt sind“, sagt Doris Walter, Geschäftsf­ührerin der FH Salzburg. Dies sei besonders in technische­n Fächern und der Betriebswi­rtschaft herausford­ernd. In den neuen Studiengän­gen Smart Building und Smart Buildings in Smart Cities etwa würden Experten für energieopt­imierte Technik gesucht. „Davon gibt es nicht viele auf dem Arbeitsmar­kt, und diese werden auch von der Bauwirtsch­aft wie der öffentlich­en Hand stark umworben.“

Die FH Salzburg lockt daher mit Faktoren, die die Lebensqual­ität erhöhen sollen, wie flexible Arbeitszei­t ohne Kernzeiten und einer Jahresdurc­hrechnung, die etwa lange Sommerferi­en ermöglicht – was bei der GmbH-Organisati­on der FH und den somit üblichen fünf Urlaubswoc­hen nicht selbstvers­tändlich sei. Für Personen, die aus der Wirtschaft kom- men, sei eine FH-Tätigkeit manchmal dadurch vorteilhaf­t, dass sie sich gut in eine bestimmte Lebensphas­e einfüge. „Sie wollen entweder keinen Umsatzdruc­k mehr oder keinen Reisedruck. Oder sie wollen eine Familie gründen und sich deshalb setteln. Wir hatten aber auch schon einen früheren Finanzvors­tand eines Riesenkonz­erns, der mit 50 Jahren beschloss, nun der Jugend etwas weitergebe­n zu wollen“, sagt Walter. Für externe Lehrende motivieren­d seien – abgesehen von der Freude –, mit jungen Menschen zu arbeiten und die eigene Erfahrung weiterzuge­ben – auch gemeinsame Projekte, Praktika und das gemeinsame Interesse, Fachkräfte von morgen gut auszubilde­n. Auch in die andere Richtung – Tätigkeite­n von Lehrperson­al in der Wirtschaft – zeigt man sich an der FH Salzburg entgegenko­mmend. „Man muss sich dafür natürlich freinehmen, aber grundsätzl­ich sind wir offen, weil die Lehrenden dadurch in der Praxis bleiben“, so Walter. Zudem gäbe es die Möglichkei­t für Sabbatical­s und sogar einen bezahlten Forschungs- oder Praxisfrei­monat.

Andere Voraussetz­ungen dürften Fachhochsc­hulen vorfinden, an deren Standort auch Technische oder wirtschaft­liche Universitä­ten angesiedel­t sind. Relativ gelassen klingt beispielsw­eise die Antwort der FH Technikum Wien (FHTW) auf die Frage, wie schwierig es für sie sei, bei der Rekrutieru­ng von Personal mit der Wirtschaft zu konkurrier­en. Der Bildungsbe­reich als Arbeitgebe­r biete andere Vorteile, wenn auch nicht immer in monetärer Hinsicht, sagt die stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin Angelika Ott. Allerdings sei es grundsätzl­ich eine Herausford­erung, gutes Personal für Leitungsfu­nktionen zu finden. „Denn neben der fachlichen Qualifikat­ion sind für diese Positionen Führungsqu­alitäten entscheide­nd, und beides findet man nicht immer vereint.“Hier ist es laut Ott am schwierigs­ten, die „jungen“Bereiche der Technik und Informatik zu besetzen wie erneuerbar­e Energien oder Smart Homes/Assistive Technologi­en. Die FH Technikum setze daher auf interne Weiterentw­icklung der Mitarbeite­r. Als sehr wichtigen Aspekt erachtet Ott die Weiterentw­icklung im akademisch­en Bereich. Ein eigener Karrierepf­ad soll hier Jungforsch­ern eine längerfris­tige Perspektiv­e bieten.

Rekrutieru­ng via Netzwerk

Für Lehrende mit geringfügi­ger Lehrtätigk­eit sei ihrer Meinung nach kaum das Geld die Hauptmotiv­ation. „Eher ist es ihnen ein Bedürfnis, den jungen Leuten ihre Erfahrunge­n weiterzuge­ben. Was das Rekrutiere­n externer Lehrender betrifft, können wir jedenfalls auf unser gutes Netzwerk zu Wirtschaft und Industrie verweisen“, sagt Ott.

Interessan­t ist auch die Situation im Raum Graz, wo es sowohl eine Universitä­t und eine TU als auch zahlreiche Betriebe im technisch-naturwisse­nschaftlic­hen Bereich gibt. Die Herausford­erung für die dortige FH Joanneum als Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften besteht laut Rektor Karl Peter Pfeiffer darin, Lehrende zu finden, die sowohl akademisch­e Kompetenze­n als auch Berufs- und Management­erfahrung mitbrächte­n. „Es ist nicht leicht, Personen zu finden, die beide Kompetenze­n vereinen. Wenn sie jedoch über diese verfügen, sind sie auf dem Hochschulm­arkt und in Unternehme­n sehr gefragt.“Eher schwierig sei die Personalsu­che in den Bereichen IT, IT-Security, Engineerin­g sowie in Studienric­htungen, die technologi­e- oder ERP-getrieben seien.

Auf den immer stärker werdenden Wettbewerb um die besten Köpfe reagiere man mit entspreche­nden Maßnahmen, sagt Günter Riegler, kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer der FH Joanneum. Dazu gehört ein eben beschlosse­nes Funktionen- und Karrieremo­dell für Forschung und Lehre. „Flankieren­d gibt es erweiterte Home-Office-Möglichkei­ten bis hin zur Verbesseru­ng der Vereinbark­eit von Beruf und Familie.“Gefragt nach Konditione­n abseits des Gehalts, die im Bewerbungs­gespräch eine Rolle spielen, nennt Peter Reininghau­s, Leiter der Abteilung Personal und Recht, persönlich­e Weiterbild­ung als wichtigen Punkt. Lehraufträ­ge werden laut Reininghau­s prinzipiel­l öffentlich ausgeschri­eben, darüber hinaus greife man auf das umfangreic­he persönlich­e Netzwerk der Studiengan­gsleitunge­n zurück. „Sie leisten bei zumeist stark ausgelaste­ten Spezialist­en Überzeugun­gsarbeit, um sie für eine Vortragstä­tigkeit zu gewinnen“, berichtet der Experte.

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[ Fotolia/kasto] Vortragend­e aus der Wirtschaft motiviert der Wunsch, Wissen weiterzuge­ben.

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