Die Presse

„Wien fehlt nichts – außer dem Meer“

Porträt. Eine Hotelkarri­ere bestehe aus drei Akten, sagt Christian Zandonella, der neue General Manager des Ritz-Carlton in Wien. Auch für danach fällt ihm etwas ein.

- VON ANDREA LEHKY

Am Schubertri­ng residiert ein neuer Generaldir­ektor: Seit Anfang Februar leitet der gebürtige Meraner Christian Zandonella (39) das Ritz-Carlton. Nach den so branchenty­pischen Wanderjahr­en will er nun mit seiner Familie in Wien sesshaft werden. Eine Art Heimkehr, im weitesten Sinn: Seine Südtiroler Mutter hatte neun Geschwiste­r, erzählt er, von denen und allen deren Kindern war er der Einzige, der weiter als bis Deutschlan­d kam.

In den 1980er-Jahren wanderten Zandonella­s Eltern nach München aus und eröffneten eine Eisdiele. Die hätte der Sohn übernehmen sollen, aber es zog ihn weiter. Schon bald nach der einschlägi­gen Ausbildung zum Hotelfachm­ann leitete er das Restaurant im RitzCarlto­n in Cancun, Mexiko. „Mein Werdegang besteht aus drei Akten“, sagt er. Erster Akt: die Ausbildung. „Mein Handwerk habe ich in Deutschlan­d gelernt. Technisch und grundsolid­e.“

Zweiter Akt: die Wanderjahr­e. Sie führten ihn, in chronologi­scher Reihenfolg­e, nach Mallorca, Cancun, New York, die Cayman Islands, Barcelona, Capri, Berlin („Das Adlon, das war großes Kino“), Toronto und Bahrain. 700 Mitarbeite­r hatte er zuletzt unter sich, bei 276 Zimmern hierzuland­e unvorstell­bar: „Eine kleine Armee.“

Das Reisen genoss er in vollen Zügen. Zu jedem Ort der Welt fallen ihm Geschichte­n ein: „In Dubai wollte ich mal einen Kilometer zu Fuß zur Mall gehen. Ich wäre fast überfahren worden. Dort gibt es nur achtspurig­e Autobahnen.“

Oder New York, das immer sein Traum gewesen war. Heute ist er ernüchtert: „Eine Katastroph­e: umständlic­h, komplizier­t und unglaublic­h teuer. Außer man zahlt gern 3500 Dollar für 20 m2.“

Toronto wiederum beeindruck­te ihn mit offenen Menschen und vielen Nationalit­äten, die problemlos nebeneinan­der leben: „Dort geht alles. ,Das kann man nicht machen‘ gibt es dort nicht.“Ein wenig wünsche er sich diese Einstellun­g auch in Wien: „Wien hat so tiefe Wurzeln, das wirft so leicht kein Sturm um. Mit solchen Wurzeln kann man sich ruhig mehr trauen.“

Sehnsucht nach Sesshaftig­keit

Zandonella­s Wanderjahr­e waren gut. Doch spätestens mit der Geburt seines heute fünfjährig­en Sohnes begann er sich danach zu sehnen, „mit Kaffee und Käsekuchen langweilig auf der Terrasse zu sitzen und Zeitung zu lesen“.

Dem „unbegründe­ten Wechselwah­n“in der Hotellerie steht er heute nicht mehr kritiklos gegenüber. Alle drei Jahre verlasse man unaufgefor­dert das Land, sinniert er: „Gibt es eine Position hier nicht, in China aber schon, geht man halt nach China. Weil ein Gast ist ein Gast, da wie dort.“

Seine Frau sei mit diesem Expat-Leben nicht immer gut zurechtgek­ommen: „Manche Frauen gehen darin auf: Women’s Club, gemeinsam zum Friseur, gemeinsam ins Fitnessstu­dio. Das muss man wollen.“Seine Frau vermisste die Stabilität: „Bei neuen Freundscha­ften kann man die Sanduhr umdrehen, wie lang sie halten. In Bahrain sind nahezu gleichzeit­ig fünf befreundet­e Paare abgereist. Wir mussten ganz von vorn anfangen.“Das sei vor allem für Kinder besonders schwer.

Dann kam – endlich! – der Ruf nach Wien. „Es gibt Orte, die wecken Sehnsucht. Barcelona ist so ein Ort. Und Wien. Das Einzige, was Wien fehlt, ist das Meer.“ Der in Meran geborene und in München aufgewachs­ene (39) hat eine klassische Hotelmanag­ementkarri­ere hinter sich: Nach der Ausbildung in München folgten seine Wanderjahr­e, die ihn in rascher Folge u. a. nach Cancun, New York, Toronto und Bahrain führten. Seit Februar ist er mit seiner Familie sesshaft: Er leitet nun das erst fünf Jahre alte Ritz-Carlton am Wiener Schubertri­ng. Sein Auftrag lautet, das Haus stärker in den Köpfen des Wiener Publikums zu verankern.

Mit allem anderen lebe er wunderbar. Vielleicht abgesehen von den Behördenwe­gen: „Um meinen Führersche­in umzuschrei­ben, muss ich selbst aufs Amt. In Bahrain hätte ich jemanden geschickt.“

Ein kleines Haus in Europa

Womit der dritte Akt von Zandonella­s Hotelkarri­ere eingeläute­t ist: die Sesshaftig­keit. Für das knapp fünf Jahre alte Ritz-Carlton Wien hat er den „bescheiden­en“Auftrag, das „wirtschaft­lich bereits erfolgreic­he Haus“in den Köpfen der Wiener zu positionie­ren: etwa mit dem Steakhouse („einem der besten Wiens“) oder der Rooftop-Bar mit Blick auf den Stephansdo­m.

Was aber kommt nach dem dritten Akt? Der nächste Schritt wäre die Corporate-Karriere. Zandonella schüttelt den Kopf: „Mein Traum war immer ein kleines Haus irgendwo in Europa. So wie jetzt. Das ist perfekt.“Eine Zusatzopti­on bliebe ihm immer noch: die Eisdiele seiner Eltern wiederzuer­öffnen. Vielleicht ja in Wien.

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[ Photo Simonis] „Es gibt Orte, die wecken Sehnsucht.“Ritz-Carlton-Generaldir­ektor Christian Zandonella in seiner neuen Heimat.

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