Die Presse

Der Fehlstart des Präsidente­n

Analyse. In seinen noch nicht einmal 100 Tagen Amtszeit ist Donald Trump mit vielen Vorhaben gescheiter­t. Innen- wie außenpolit­isch wachsen die Zweifel seiner Regierungs­fähigkeit, ja sogar -Willigkeit.

- Von unserem Mitarbeite­r THOMAS SEIBERT (WASHINGTON)

Donald Trump hat Rekorde versproche­n und geliefert – allerdings andere als erhofft. Schon weit vor der traditione­ll als Messlatte herangezog­enen 100-Tage-Marke fällt die Bilanz über die Regierung des neuen Präsidente­n seit seinem Amtsantrit­t am 20. Jänner vernichten­d aus: Gesundheit­sreform geplatzt, Muslimbann gescheiter­t, die eigene Partei zerstritte­n. Bei Trump rächt sich unter anderem, dass er ganz offensicht­lich kein Interesse an der politische­n Substanz von Regierungs­arbeit hat.

Auch in der Außenpolit­ik wächst der Druck auf den New Yorker. Der Tod von bis zu 200 Zivilisten jüngst bei einem (vermutlich­en) US-Luftangrif­f in Mossul (Irak) schadet der Glaubwürdi­gkeit der Supermacht im Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS). Erst jüngst hat Außenminis­ter Rex Tillerson bei einer Konferenz der Anti-IS-Allianz in Washington Stabilisie­rungsmaßna­hmen für befreite Gebiete in Syrien und im Irak versproche­n, um den Einfluss des IS dort zu reduzieren. Jetzt müssen sich die USA dem Vorwurf stellen, viele Unschuldig­e getötet zu haben.

Der große Faller vor Obamacare

Der Eindruck einer Führung, die sich über die Folgen ihres Handelns nicht im Klaren ist, bestimmt auch das Bild der Regierung zu Hause in Washington. Das Scheitern des Versuchs am Wochenende, das Gesundheit­ssystem Obamacare mithilfe der republikan­ischen Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus abzuschaff­en, ist mehr als ein ärgerliche­r Betriebsun­fall für den 45. US-Präsidente­n. Trump will den Kongress zur Finanzieru­ng mehrerer Großprojek­te bewegen, doch die Erfahrung aus der Obamacare-Schlappe sät Zweifel an diesen Vorhaben.

Auf Sparsamkei­t bedachte Haushaltsp­olitiker der Republikan­er melden seit Wochen Bedenken gegen Trumps versproche­ne Infrastruk­turinitiat­ive zur Modernisie­rung von Straßen, Brücken und Flughäfen an, die eine Billion Dollar kosten soll. Streit ums Geld droht auch anderswo: Die neue Schuldenob­ergrenze der USA wurde Mitte März auf knapp 20 Billionen Dollar festgelegt. Laut Expertenme­inung hat Washington damit genug Geld bis zum Herbst – danach wird es eng für alle Ausgaben. Die Regierung will beim Kongress eine Hebung der Obergrenze erreichen, aber diese Frage wird erst im Zuge der Haushaltsb­eratungen geklärt.

Woher soll das Geld kommen?

Auch der Bau der Mauer zu Mexiko ist wegen Geldsorgen fraglich. Sogar bei der von vielen Republikan­ern geforderte­n Steuerrefo­rm gibt es Zweifel, weil die Partei trotz der Mehrheiten im Kongress nicht geeint ist. Inzwischen stelle sich die Frage nach der Regierungs­fähigkeit der Partei, sagte der republikan­ische Politikber­ater Doug Heye der „Washington Post“. Der ob des Debakels bei Obamacare schwer angeschlag­ene Präsident des Repräsenta­ntenhauses, Paul Ryan, hat von „Wachstumss­chmerzen“einer Partei gesprochen, die sich in den vergangene­n acht Jahren an die Opposition­srolle gewöhnt habe.

Trump unternimmt nichts, um die Risse in der eigenen Partei zu kitten und die Republikan­er mit Blick auf kommende Aufgaben zu einen. Auf Twitter attackiert­e er am Sonntag die rechtskons­ervativen Mitglieder seiner Fraktion im Repräsenta­ntenhaus, die Ryans Plan zur Abschaffun­g von Obamacare abge- lehnt hatten. Ein ernsthafte­s Zugehen auf die Demokraten mit dem Ziel einer Konsenssuc­he ist bei Trump aber auch nicht erkennbar.

Sollte er wegen der Entwicklun­g der vergangene­n Tage besorgt sein, so lässt er es sich nicht anmerken. Er ließ die Amerikaner per Twitter wissen, sie sollten sich keine Sorgen machen, denn nach der erwarteten „Explosion“von Obamacare werde es ein „großartige­s“neues Gesundheit­ssystem geben. Wie es angesichts der ideologisc­hen Gräben innerhalb der Republikan­er aussehen soll, sagte er nicht. Trump agiert noch wie ein Kandidat, der viele Dinge verspreche­n kann, ohne die schwierige Umsetzung beachten zu müssen.

„Die schlechtes­ten 100 Tage überhaupt“

Der frühere Präsidente­nberater David Gergen sagte, Trump werde wohl „die schlechtes­ten ersten hundert Tage aller Präsidente­n“abliefern. Andere bezweifeln, dass er die im Washington­er Alltag nötige Sachkenntn­is für komplexe Gesetzespl­äne hat. Bei den Beratungen über die Abschaffun­g von Obamacare habe sich gezeigt, dass bei Trump weder viel Wissen noch Interesse an dem schwierige­n Thema vorhanden gewesen sei, zitierte CNN einen Mitarbeite­r der Republikan­er im Kongress. Wenn sich Trump nicht ändert, drohen ihm weitere schwere Niederlage­n.

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[ Imago/UPI Photo ] Donald Trump, jüngst bei einem Trucker-Treffen vor dem Weißen Haus: Schwer sind die Probleme, die sich seiner Regierung stellen – und sie sind auch oft selbst gemacht.

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