Der Fehlstart des Präsidenten
Analyse. In seinen noch nicht einmal 100 Tagen Amtszeit ist Donald Trump mit vielen Vorhaben gescheitert. Innen- wie außenpolitisch wachsen die Zweifel seiner Regierungsfähigkeit, ja sogar -Willigkeit.
Donald Trump hat Rekorde versprochen und geliefert – allerdings andere als erhofft. Schon weit vor der traditionell als Messlatte herangezogenen 100-Tage-Marke fällt die Bilanz über die Regierung des neuen Präsidenten seit seinem Amtsantritt am 20. Jänner vernichtend aus: Gesundheitsreform geplatzt, Muslimbann gescheitert, die eigene Partei zerstritten. Bei Trump rächt sich unter anderem, dass er ganz offensichtlich kein Interesse an der politischen Substanz von Regierungsarbeit hat.
Auch in der Außenpolitik wächst der Druck auf den New Yorker. Der Tod von bis zu 200 Zivilisten jüngst bei einem (vermutlichen) US-Luftangriff in Mossul (Irak) schadet der Glaubwürdigkeit der Supermacht im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Erst jüngst hat Außenminister Rex Tillerson bei einer Konferenz der Anti-IS-Allianz in Washington Stabilisierungsmaßnahmen für befreite Gebiete in Syrien und im Irak versprochen, um den Einfluss des IS dort zu reduzieren. Jetzt müssen sich die USA dem Vorwurf stellen, viele Unschuldige getötet zu haben.
Der große Faller vor Obamacare
Der Eindruck einer Führung, die sich über die Folgen ihres Handelns nicht im Klaren ist, bestimmt auch das Bild der Regierung zu Hause in Washington. Das Scheitern des Versuchs am Wochenende, das Gesundheitssystem Obamacare mithilfe der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus abzuschaffen, ist mehr als ein ärgerlicher Betriebsunfall für den 45. US-Präsidenten. Trump will den Kongress zur Finanzierung mehrerer Großprojekte bewegen, doch die Erfahrung aus der Obamacare-Schlappe sät Zweifel an diesen Vorhaben.
Auf Sparsamkeit bedachte Haushaltspolitiker der Republikaner melden seit Wochen Bedenken gegen Trumps versprochene Infrastrukturinitiative zur Modernisierung von Straßen, Brücken und Flughäfen an, die eine Billion Dollar kosten soll. Streit ums Geld droht auch anderswo: Die neue Schuldenobergrenze der USA wurde Mitte März auf knapp 20 Billionen Dollar festgelegt. Laut Expertenmeinung hat Washington damit genug Geld bis zum Herbst – danach wird es eng für alle Ausgaben. Die Regierung will beim Kongress eine Hebung der Obergrenze erreichen, aber diese Frage wird erst im Zuge der Haushaltsberatungen geklärt.
Woher soll das Geld kommen?
Auch der Bau der Mauer zu Mexiko ist wegen Geldsorgen fraglich. Sogar bei der von vielen Republikanern geforderten Steuerreform gibt es Zweifel, weil die Partei trotz der Mehrheiten im Kongress nicht geeint ist. Inzwischen stelle sich die Frage nach der Regierungsfähigkeit der Partei, sagte der republikanische Politikberater Doug Heye der „Washington Post“. Der ob des Debakels bei Obamacare schwer angeschlagene Präsident des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, hat von „Wachstumsschmerzen“einer Partei gesprochen, die sich in den vergangenen acht Jahren an die Oppositionsrolle gewöhnt habe.
Trump unternimmt nichts, um die Risse in der eigenen Partei zu kitten und die Republikaner mit Blick auf kommende Aufgaben zu einen. Auf Twitter attackierte er am Sonntag die rechtskonservativen Mitglieder seiner Fraktion im Repräsentantenhaus, die Ryans Plan zur Abschaffung von Obamacare abge- lehnt hatten. Ein ernsthaftes Zugehen auf die Demokraten mit dem Ziel einer Konsenssuche ist bei Trump aber auch nicht erkennbar.
Sollte er wegen der Entwicklung der vergangenen Tage besorgt sein, so lässt er es sich nicht anmerken. Er ließ die Amerikaner per Twitter wissen, sie sollten sich keine Sorgen machen, denn nach der erwarteten „Explosion“von Obamacare werde es ein „großartiges“neues Gesundheitssystem geben. Wie es angesichts der ideologischen Gräben innerhalb der Republikaner aussehen soll, sagte er nicht. Trump agiert noch wie ein Kandidat, der viele Dinge versprechen kann, ohne die schwierige Umsetzung beachten zu müssen.
„Die schlechtesten 100 Tage überhaupt“
Der frühere Präsidentenberater David Gergen sagte, Trump werde wohl „die schlechtesten ersten hundert Tage aller Präsidenten“abliefern. Andere bezweifeln, dass er die im Washingtoner Alltag nötige Sachkenntnis für komplexe Gesetzespläne hat. Bei den Beratungen über die Abschaffung von Obamacare habe sich gezeigt, dass bei Trump weder viel Wissen noch Interesse an dem schwierigen Thema vorhanden gewesen sei, zitierte CNN einen Mitarbeiter der Republikaner im Kongress. Wenn sich Trump nicht ändert, drohen ihm weitere schwere Niederlagen.