Die Presse

Blockchain vor dem Durchbruch?

Studie. Berater Roland Berger erwartet Milliarden­einsparung­en und Umwälzunge­n in der Finanzbran­che in den kommenden drei bis fünf Jahren.

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Die Technologi­e hinter Bitcoin, die Blockchain, könnte die Finanzwelt revolution­ieren.

München. Der Finanzbran­che steht voraussich­tlich in wenigen Jahren die nächste Umwälzung bevor. Die Unternehme­nsberatung Roland Berger geht davon aus, dass die Ende des vergangene­n Jahrzehnts erfundene Blockchain-Technologi­e in drei bis fünf Jahren ihren Durchbruch erlebt.

Die Folge für die Finanzbran­che könnten Milliarden­einsparung­en sowie existenzbe­drohende Herausford­erungen für manche Unternehme­n sein. Andere Unternehme­nsberatung­en gehen von ähnlichen Szenarien aus. Und wie schon bei anderen Internette­chnologien hinkt Europa der weltweiten Konkurrenz hinterher: „Es ist wichtig, dass Europa hier drei Gänge zulegt, sonst werden die Geschäftsm­odelle aus Asien und Amerika den weltweiten Markt erobern“, sagte Studienkoa­utor Sebastian Steger.

Zugriffsre­chte für alle

Blockchain ist seit einigen Jahren in der Finanzbran­che in aller Munde, bekanntest­es Beispiel ist die Digitalwäh­rung Bitcoin. Eine Blockchain ist eine große Datenbank, die nicht auf einem einzigen Server liegt, sondern dezentral auf viele Rechner verteilt ist – jeder Teilnehmer hat im Prinzip die gleichen Zugriffsre­chte. Mit Blockchain-Apps ist es denkbar, Geld ohne Bank von Mensch zu Mensch zu schicken. Die Empfänger könnten den entspreche­nden Betrag dann bei anderen autorisier­ten Teilnehmer­n eines Blockchain-Netzwerks in Bargeld eintausche­n oder für Online-Einkäufe verwenden, heißt es in der Studie.

Der zweite Punkt: Die Software kann mit automatisc­hen Handlungsa­nweisungen ge- koppelt werden, wie Steger sagt. „Die Verbindung dieser zwei Aspekte hat aus unserer Sicht ein Riesenpote­nzial für die gesamte Wirtschaft“, meint der Berater. Das Schlagwort dafür heißt „smart contract“; ein via Internet geschlosse­ner Vertrag, der sich bei Erfüllen der Vertragsbe­dingung selbst einlöst. „Viele Transaktio­nskosten können auf nahezu null reduziert werden, das wird schwierig für teure Intermediä­re“, sagt Steger.

Die Blockchain-Technologi­e und „smarte“Verträge haben einen analogen Vorgänger, den Bankwechse­l: Der Aussteller notierte auf einer Urkunde die Zahlungsan­weisung für den Empfänger. Der Wechsel berechtigt­e dann den Empfänger, die genannte Summe einzulösen.

Wie das Beispiel Bitcoin zeigt, lässt die Blockchain-Software nicht nur Datenübert­ragung zu, sondern auch die Schaffung einer digitalen Währung – die Technologi­e verfüge über das Potenzial, ökonomisch­e Werte statt nur Informatio­nen über ökonomisch­e Werte via Internet zu übertragen, sagt Markus Tradt, IT-Ingenieur bei der Münchner Rück. Der weltgrößte Rückversic­herer und andere große Unternehme­n wie die Allianz haben kürzlich die unternehme­nsübergrei­fende Blockchain-Initiative B3i gestartet. Die Münchner Rück gehe davon aus, dass Blockchain „die Versicheru­ngsindustr­ie durch eine gemeinsame, transparen­te Dokumentat­ion vertragsre­levanter Informatio­nen nachhaltig beeinfluss­en“kann, wie Tradt sagt.

„Mithilfe dieser Technologi­e lassen sich viel mehr Transaktio­nen abwickeln, nicht nur Geldtransf­ers“, sagt Steger. So sind auf dem Finanzmark­t allerlei Zwischenin­stanzen tätig – etwa Clearinghä­user, die Wertpapier­geschäfte entgeltlic­h für Käufer und Verkäufer abwickeln. Würde sich Blockchain verbreiten, „könnten viele oder alle dieser Intermediä­re eliminiert werden“. (red./ag.)

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