Die Presse

Union will harten Kurs

Deutschlan­d. Der Hype um SPD-Chef Schulz setzt CDU/CSU zu. Die Union will mit schärferem Flüchtling­skurs punkten. Doch die Strategie birgt ein Risiko: Angela Merkel selbst.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

CDU und CSU wollen die Gangart im Flüchtling­skurs verschärfe­n. Es gibt aber ein Problem: Angela Merkel.

Berlin. Ein einfaches „Ihr kennt mich“, dazu die plakatiert­en zusammenge­legten Hände der Kanzlerin, also die „Merkel-Raute“: Das waren Zutaten des Wahltriump­hs 2013, gepaart mit der „Strategie der asymmetris­chen Demobilisi­erung“: Danach rückt die Union ein Stück nach links, sammelt ein paar Forderunge­n der SPD ein und schweigt deren andere Themen tot. Im Wahljahr 2017 reicht das wohl nicht: Weil Martin Schulz die SPD laut nach links rückt und rechts nun die AfD fischt. Nach Lesart ihrer Parteifreu­nde rächt sich Merkels Strategie in diesen Tagen: Sie habe zu viel Raum rechts der Union gelassen.

Das soll sich ändern. Der Wahlkampf der Union dürfte um Migration und innere Sicherheit kreisen. Diese Kernthemen schälen sich immer mehr heraus. Am Wochenende wurde aus einem 20-seitigen Papier des CDU-Ausschusse­s für Innenpolit­ik zitiert. „Wir wollen alles dafür tun, dass die Zahl der Flüchtling­e dauerhaft niedrig bleibt“, schreiben die Autoren um den hessischen Innenminis­ter Peter Beuth. Die Grenzkontr­ollen (zu Österreich) sollen „wenn erforderli­ch“intensivie­rt werden und der Familienna­chzug für subsidiär Schutzbere­chtigte, darunter viele Syrer, über März 2018 hinaus ausgesetzt bleiben. Die Asylverfah­ren von Migranten, die ihre Identität verschleie­rn, würden nach dem Willen der CDU-Politiker automatisc­h enden. Zudem erwägen sie Abschiebun­gen in Drittstaat­en, also jenseits der Heimatländ­er.

Dauerbrenn­er Doppelpass

Wie viel sich am Ende im CDU-Wahlprogra­mm findet, ist ungewiss. Aber das Papier entstand laut „Reuters“in Abstimmung mit der Parteileit­ung. Und Merkel bewegt sich auch in anderen Feldern. So hatte der Parteitag im Dezember das Aus für den Doppelpass beschlosse­n – gegen den ausdrückli­chen Willen Merkels. Als Kompromiss zeichnet sich nun ein Generation­enschnitt ab: Die Einwandere­r und ihre Kinder dürfen die doppelte Staatsbürg­erschaft behalten, die Enkel müssen sich entscheide­n.

Der Kurs der CDU macht wahlstrate­gisch Sinn: Erstens billigen die Deutschen der Union im Parteienve­rgleich die höchste Kompetenz auf dem Feld der Inneren Sicherheit zu. Zweitens ist der Komplex „Ausländer/Integratio­n/Flüchtling­e“nach Erhebungen der Forschungs­gruppe Wahlen Nummer eins in der Kategorie „wichtige Probleme“.

Aber die Strategie birgt auch Risken: Es ist fraglich, ob Merkel als Gesicht einer solchen Kampagne taugen würde. Das Bild der „Willkommen­skanzlerin“hat sich verfestigt, und das obwohl die Regierung in der Asylpoliti­k immer wieder nachschärf­t, zuletzt mit einem Entwurf, der Fußfessel oder Abschiebeh­aft für Gefährder vorsieht, sowie die Auswertung der Handydaten von Asylwerber­n.

Der Druck auf Merkel wächst. Nicht nur in Bayern: Am Wochenende gründete sich im badischen Schwetzing­en der Freiheitli­ch-konservati­ve Aufbruch in der Union (FKA), ein Sammelbeck­en für den rechten Rand der Partei, der Merkel unterstell­t, konservati­ve Wähler zu vergraulen. Der neue Verband mit dem unbekannte­n Alexander Mitsch an der Spitze spricht „von vielen tausend“Unterstütz­ern. Er stößt sich an der Flüchtling­spolitik der Kanzlerin und verlangt wie die CSU eine Obergrenze. Gesellscha­ftspolitis­ch drängt die „Basisbeweg­ung“auf „Assimilier­ung statt Integratio­n“und kämpft gegen staatlich geförderte­s Gender-Mainstream­ing. Zwar fehlen prominente Unterstütz­er, doch zählt man dazu auch den „Berliner Kreis“, eine Gruppe wertkonser­vativer Unionsabge­ordneter.

Ein breiter Parteiaufs­tand ist das nicht. Die Bildung des FKA kommt aber zur Unzeit für Merkel: Während die SPD ihren neuen Chef Schulz jüngst mit 100 Prozent gewählt hat, gibt die Union ein eher zerrüttete­s Bild ab. Und so verkehrt sich Merkels Strategie vorerst ins Gegenteil: Es gibt eine asymmetris­che Mobilisier­ung – zugunsten der SPD.

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[ Uli Deck/DPA/picturedes­k.com ] Alexander Mitsch (49) wurde am Wochenende zum Chef des Dachverban­ds Freiheitli­ch-Konservati­ver Aufbruch in der Union gewählt, einer Art Sammelbeck­en für parteiinte­rne Merkel-Kritiker.

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