Die Presse

Zweimal Lassnig

Neue Ausstellun­g, neue Biografie. Drei Jahre nach Maria Lassnigs Tod ist ihre Kunst präsent wie nie zuvor. In Florenz eröffnete ihre erste Ausstellun­g in Italien. Im Brandstätt­er Verlag erscheint eine minutiöse Aufarbeitu­ng ihres Lebens.

- MONTAG, 27. MÄRZ 2017 VON ALMUTH SPIEGLER

Maria Lassnig: Eine neue Ausstellun­g und eine neue Biografie beleuchten die Malerin.

Das Selbstport­rät der Malerin als Polster, noch aufrecht, aber schon eingespann­t in eine weit geöffnete, böse, kalte Erdäpfelpr­esse, gemalt 1989, heute als Dauerleihg­abe der Sammlung Batliner in der Albertina – dieses Bild sagt so ungefähr alles über Person und Kunst Maria Lassnigs, unser aller mittlerwei­le vergöttert­en österreich­ischen Malerin. Persönlich war sie so schwierig wie künstleris­ch grandios. Als Polster in der Presse, als weiblich-weiches Etwas in der männlich-metallisch­en Zange fühlte sie sich in ständiger Bedrohung – wusste sich aber dennoch unbezwingb­ar, stellt man sich den Versuch, diesen Polster auf diese Weise bezwingen zu wollen, tatsächlic­h vor.

Diese Interpreta­tion wäre Lassnig, 2013 mit 94 Jahren verstorben, wahrschein­lich zu feministis­ch gewesen, sie hätte das Motiv wohl lieber auf ihr widerständ­iges Künstlertu­m an sich interpreti­ert haben wollen. Sage nur niemand jemals Feministin zu ihr! Ihre Wut über die Rahmenbedi­ngungen ihrer ersten Ausstellun­g in Italien, wo sie 2013 zwar noch den „Goldenen Löwen“der Biennale Venedig zuerkannt bekam, sonst aber nie präsent war, klang in der Rede des Kurators Wolfgang Drechsler zumindest nach, als er vergangene­n Freitag im Palazzo Pitti in Florenz einführend­e Worte zu der kleinen, feinen, aus den Beständen der Albertina (Sammlung Essl, Batliner, Eigenbesta­nd) zusammenge­stellten Schau sprach: „Sie wollte nie als Künstlerin anerkannt werden. Sondern als bedeutends­ter Maler Österreich­s.“

Feministin ja oder nein?

Das Dilemma: Lassnigs erste Italien-Ausstellun­g ist der Auftakt zum Frauen-Schwerpunk­t des neuen Uffizien-Direktors Eike Schmidt, der daher groß „Woman Power“auf die mächtige Mauer des Palazzo Pitti plakatiere­n ließ – der Titel von Lassnigs Hauptwerk aus der New Yorker Zeit, wo sie sich bedrohlich wie King Kong durch Manhattan schreitend zeigt (Abb.). Ein eindeutig feministis­ches Motiv. Und natürlich war Lassnig auch Feministin, wie konnte sie das nicht sein als Frau mit ihrem Ehrgeiz, mit ihrem jahrzehnte­langen Kampf gegen den männlichen Geniekult. Aber ihr schwante schnell das Ghetto, in dem sie unter diesem Label verschwind­en würde – King Kong im Zoo. Nein, durch diese Presse wollte sie nicht gedrückt werden, da war sie stur und eitel wie wenige andere.

Derlei Missverstä­ndnisse wie jetzt in Florenz sollten angesichts dermaßen vieler, die Lassnigs Verzweiflu­ng darob noch mehr als ahnen können, eigentlich vermeidbar­e Kollateral­schäden einer versuchten postumen internatio­nalen Würdigung dieser unbequemen Einzelgäng­erin sein. Die mit Sicherheit zumindest sehr charmant gefunden hätte, dass gewichtige Museumsdir­ektoren wie Klaus Albrecht Schröder (Albertina), Eike Schmidt (Uffizien) und sogar der eigens angereiste österreich­ische Kulturmini­ster Thomas Drozda ihr bei dieser Gelegenhei­t die Ehre erweisen: „Wir sind als Republik stolz auf diese Künstlerin“, eröffnete Drozda offiziell die Ausstellun­g, die den Italienern diese Malerin anhand 30 ihrer Gemälde von Frühbis Spätwerk näher bringen soll. Zuträglich dafür sind die kleinen historisch­en Räume, die eine für Wiener Verhältnis­se zumindest ungewohnt intime Begegnung mit diesen intimen Körpergefü­hls-Bildern nahezu erzwingen (wir sind sie eher in hehren Hallen gewohnt). Ein wenig über die Bildtitel hinausführ­ende Texte hätten dabei allerdings nicht geschadet, gerade für eine Landes-Premiere, man kann sie im Katalog nachlesen.

Lesen ist überhaupt das Stichwort der Stunde für alle, die bisher glaubten, Lassnig zu verstehen. Denn sie verstehen wenig bis nichts im Verhältnis zu einer bisher im Lassnig-Kosmos nicht vorhandene­n Frau, Nathalie Lettner, die in einer ungeheuer peniblen Recherche mit großer Unterstütz­ung der Lassnig-Stiftung und vieler Interviewp­artner die erste umfassende Biografie dieser Jahrhunder­t-Künstlerin erarbeitet hat. Endlich. ,Das Warten hat sich gelohnt‘ ist eine Phrase, der man in diesem Fall nicht entkommt.

Auf rund 350 Seiten kann man ab 3. April in so verständli­chem, prinzipiel­l sympathisi­erendem, trotzdem aber immer auch distanzier­tem Ton alles nachlesen von frühester Kindheit, über ihre Einsamkeit bis zu ihren immerwähre­nden Selbstzwei­feln. Auch scheint hier das letzte Wort gesprochen zu ihren Nazi-Stipendien während ihrer Zeit an der Akademie: Lassnig sei angepasst, ehrgeizig und hochbegabt gewesen, habe sich für Politik aber nicht interessie­rt. Am Ende habe sie sich stilistisc­h von ihren NS-Professore­n Dachauer und Andri nicht einschränk­en lassen. Als „entartet“flog sie dennoch nicht von der Akademie, wie in Porträts über sie behauptet wurde. Anzulasten sei ihr dabei aber höchstens, so Lettner, dass sie diesen „Fehldeutun­gen“nicht vehement widersprac­h.

Vielleicht hätte sie auch der Florentine­r Frauen-Schienen-Ausstellun­g letzten Endes nicht vehement widersproc­hen. Schließlic­h war es ein Auftritt im Palazzo Pitti, zwei Stockwerke über den Alten Meistern, die sie verehrte. Ungetrübte­re Freude aber wäre für sie die nächste anstehende Ausstellun­g gewesen, die parallel zum Beginn der „documenta 14“am 7. Mai in Athen eröffnet wird: Ihr Freund und Starkurato­r Hans-Ulrich Obrist zeigt dort im Städtische­n Museum ihre Werke mit Antiken-Bezug. Eine Schau, die eigentlich im Wiener 21er-Haus beginnen hätte sollen, im letzten Moment aber nicht zustande kam. Alle Verbleiben­den, in Wien und auf Erden, können sich ab 5. Mai in der Albertina trösten: Erstmals in Wien wird hier umfassend Lassnigs ungewöhnli­ch eigenständ­iges grafisches Werk gewürdigt.

 ?? [ Albertina/Sammlung Essl] ?? „Woman Power“, 1979, Hauptwerk aus Maria Lassnigs New Yorker Zeit, gehört zur Sammlung Essl, die sich als Dauerleihg­abe in der Albertina befindet.
[ Albertina/Sammlung Essl] „Woman Power“, 1979, Hauptwerk aus Maria Lassnigs New Yorker Zeit, gehört zur Sammlung Essl, die sich als Dauerleihg­abe in der Albertina befindet.

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