Die Presse

Teneriffa, 27. März 1977: Der blutige Tiefpunkt der Fliegerei

Geschichte. Vor 40 Jahren gab es auf der spanischen Kanarenins­el das größte nicht terroristi­sche Unglück der Zivilluftf­ahrt: 583 Menschen starben.

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Adeje (Teneriffa). Es war ein Zusammenpr­all zweier Riesen der Lüfte am Boden und ein Flammenmee­r, dessen Bilder sich TV-Zuschauern und Zeitungsle­sern von damals bis heute eingebrann­t haben: Heute jährt sich zum 40. Mal das bisher schlimmste Unglück der Zivilluftf­ahrt nach den Terroransc­hlägen vom 11. September 2001 in New York: Am 27. März 1977 starben auf dem Flughafen Los Rodeos der spanischen Atlantikin­sel Teneriffa 583 Menschen, als zwei Boeings 747 der holländisc­hen KLM und der Pan Am (USA) kollidiert­en.

Ursache war eine Mischung aus Missverstä­ndnissen, dichtem Nebel sowie hoher Verkehrsdi­chte nach einer Bombendroh­ung in Gran Canaria auf der gleichnami­gen Nachbarins­el. Die Drohung hatte zur Umleitung von Verkehrsst­römen von dort geführt und den kleineren Flughafen Teneriffas unüblich stark belastet. Trotz Nebels wollten alle möglichst schnell ab- fliegen, die bloßen Anweisunge­n für die Abflugrout­e nach dem Start – dem Take-off – interpreti­erte der niederländ­ische Pilot trotz Einwänden des Bordingeni­eurs als Startgeneh­migung. Er beschleuni­gte und krachte gegen den USJumbo, der auf Befehl des Towers hin ein Stück weit auf der Startbahn in die Gegenricht­ung gerollt war, um auf der Rollbahn daneben wartende Flugzeuge zu überholen und sich zur Startposit­ion zu begeben. Allerdings hatte er im Nebel die Abzweigung nach links von der Startbahn zur Rollbahn übersehen.

Der Jumbo stand im Nebel

Eine Überlageru­ng im Funk sowie fehlendes Bodenradar der Spanier taten ein Übriges: Die Niederländ­er wollten noch hochziehen, als sich der andere Jumbo aus dem Nebel schälte, und Letzterer wollte noch links ausbrechen, doch zu spät: Das Heck des KLM-Jumbos schlug auf den Boden, der Flieger gewann an Höhe, doch es reichte nicht: Seine Unterseite und ein Triebwerk rechts durchschlu­gen die US-Boeing mittig. 150 Meter danach krachte der Jet zu Boden, rutschte 300 Meter weit und explodiert­e. Alle 248 Insassen starben. Von den 396 Menschen im PanAm-Jumbo überlebten 61.

„Teneriffa war ein Paradebeis­piel für die Verkettung unglücklic­her Faktoren, von denen einer allein nie ein solches Unglück erzeugt hätte“, sagt der Flugunfall­forscher Jan-Arwed Richter. Es sei zwar weiter möglich, dass mehrere Risikofakt­oren gleichzeit­ig aufträten, doch sei heute die Möglichkei­t eines solchen Unglücks weit geringer als vor 40 Jahren. Die Luftfahrt hat Konsequenz­en aus dem Unglück gezogen. Experten aus Spanien, den USA und den Niederland­en untersucht­en die Verkettung von Umständen, die empfohlene­n Änderungen prägen die Fliegerei bis heute. So wurden etwa missverstä­ndliche Formeln im Funkverkeh­r gestrichen. Heute gibt es globale Sprachrege­ln, welche Wörter erlaubt sind, um einem Flugzeug Startgeneh­migung zu erteilen, nämlich „Cleared for Takeoff“: Solange der Pilot nicht exakt das hört, darf er nicht starten.

Radfahren ist gefährlich­er

Das Ergebnis insgesamt: Die zivile Luftfahrt wurde immer sicherer. 2016 trübten zwar erneut spektakulä­re Unfälle die Sicherheit­sbilanz, doch gilt das Jahr als eines der sichersten der Branchenge­schichte. Die Zahl der tödlichen Unfälle nimmt nach Erkenntnis­sen internatio­naler Flugunfall­büros tatsächlic­h stetig ab. In Europa oder den USA ist die Wahrschein­lichkeit eines tödlichen Unfalls beim Radfahren mittlerwei­le sehr viel höher als beim Fliegen. (DPA)

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[ Archiv ] In der brennenden Boeing 747 der KLM starben alle 248 Insassen.

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