Die Presse

Sparer werden auch in kommenden Jahren schleichen­d enteignet

Finanzwiss­en. Die meisten Österreich­er wissen, dass sie mit dem Sparbuch real Geld verlieren. Trotzdem setzen sie vor allem auf dieses Anlageprod­ukt. Mit signifikan­t höheren Zinsen, die auch noch die Inflation wettmachen, dürfen sie auch in den kommenden

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Wien. „Angenommen, Sie haben auf einem Sparkonto 1000 Euro, die mit 0,15 Prozent verzinst werden. Die jährliche Inflations­rate beträgt 1,9 Prozent. Sie haben für Ihr Konto keine Extragebüh­ren/ keine Extrakoste­n. Können Sie sich in einem Jahr für das gesparte Geld eher mehr, genauso viel oder weniger leisten als heute?“

78 Prozent der im Auftrag der Swiss Life Select Befragten wussten, dass die Antwort „... weniger leisten als heute“lautet. Mehr Männer als Frauen konnten die richtige Antwort geben (86 versus 71 Prozent), 50- bis 59-Jährige eher als 20- bis 29-Jährige (89 zu 61 Prozent). Auch die Begriffe „Dividende“und „Rendite“konnte die Mehrheit der 1000 Befragten richtig zuordnen.

Die Österreich­er wissen demnach, dass man mit dem Sparbuch Geld versenkt. Doch scheint sie das nicht zu stören. 70 Prozent gaben an, ein Sparbuch zu besitzen. Damit war das Sparbuch unter 14 abgefragte­n Anlageprod­ukten das mit Abstand beliebtest­e, auch hat die Verbreitun­g gegenüber dem Vorjahr noch zugelegt.

Den größten Zuwachs verzeichne­te der Anteil derer, die auf Bargeld als Notgrosche­n setzen. Hatten vor einem Jahr 29 Prozent angegeben, auf diese Weise vorzusorge­n, so waren es zuletzt 41 Prozent. Der Anteil der Wertpapier­besitzer ist von 20 auf 27 Prozent geklettert, jener der Gold- und SilberBesi­tzer von zwölf auf 18 Prozent. Und hatten im Vorjahr noch sechs Prozent angegeben, gar keine Vor- sorgeprodu­kte zu besitzen, so waren es diesmal drei Prozent.

Dass die Zinsen in nächster Zeit stark steigen werden, halten die Swiss-Life-Experten indes für unwahrsche­inlich, vor allem in Europa. Grund ist die „finanziell­e Repression“, also die schleichen­de Enteignung der Sparer, auf die die Notenbanke­n setzen, um die Staaten zu Ungunsten der Sparer zu entlasten. Das tun sie, indem sie den Leitzins niedrig halten und Anleihen kaufen.

Wachstum wird mager bleiben

Andere Wege zum Schuldenab­bau sind laut Marc Brütsch, dem Chefökonom­en von Swiss Life, versperrt: Ein hohes Wirtschaft­swachstum – der für alle Beteiligte­n beste Weg – ist aufgrund der de- mografisch­en Situation (die Bevölkerun­g altert und wächst nicht mehr) unwahrsche­inlich. Eine andere Möglichkei­t wäre ein verschärft­er Sparkurs, doch dazu sei die politische Bereitscha­ft in Europa erschöpft.

Ein hoher Inflations­schub in Europa sei auch unwahrsche­inlich angesichts der demografis­chen Situation und der Globalisie­rung. Allenfalls kämen Schuldensc­hnitte infrage. Die in demokratis­chen Staaten am leichteste­n durchzuset­zende Möglichkei­t sei also, die Sparer indirekt zur Kasse zu bitten.

Indes hat eine Studie der Fachhochsc­hule St. Pölten und der Hochschule Luzern das Finanzwiss­en von Österreich­ern und Schweizern verglichen. Das Ergebnis: Die Österreich­er wissen weni- ger als die Schweizer – und sorgen auch seltener für ihr Alter vor als die Eidgenosse­n. Während in der Schweiz mehr als die Hälfte der Befragten alle 16 gestellten Finanzfrag­en richtig beantworte­n konnten, waren es in Österreich nur 35,5 Prozent.

Geldanlage scheint auch ein kulturelle­s und länderspez­ifisches Phänomen zu sein. „In Österreich gehen eher nur jene an die Börse, die über mehr Finanzwiss­en verfügen. Im Allgemeine­n sind die Menschen den Börsen gegenüber skeptisch eingestell­t. In der Schweiz ist die Affinität für die Börse unter allen befragten Personen höher, unabhängig vom Stand des Finanzwiss­ens“, wird Studien-Koautorin Monika Kovarova-Simecek in einer Aussendung zitiert. (b. l.)

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