Die Presse

Immo-ESt: VfGH „kippt“Inflations­abschlag

Immobilien­ertragsteu­er. Der Inflations­abschlag steht zwar nicht mehr im Gesetz – für Einzelfäll­e blieb er aber wirksam. Der Verfassung­sgerichtsh­of hob ihn als gleichheit­swidrig auf. Gegen die Steuer selbst hegt er keine Bedenken.

- VON CHRISTINE KARY

Wien. Seit 1. April 2012 gibt es die Immobilien­ertragsteu­er (ImmoESt). Bis dahin konnten Immobilien nach Ablauf der Spekulatio­nsfrist steuerfrei verkauft werden – im Normalfall nach zehn Jahren. Seither gilt das nicht mehr, aktuell fallen 30 Prozent Steuer an.

Die Regelung war von Anfang an umstritten, ihre Verfassung­skonformit­ät wurde immer wieder infrage gestellt – wegen ihrer überstürzt­en Einführung (im Nationalra­t beschlosse­n wurde sie erst am 28. März 2012), aber auch wegen ihrer „Quasi-Rückwirkun­g“: Sie gilt auch für Immobilien, die bei Inkrafttre­ten des Gesetzes nicht mehr steuerverf­angen waren. Das verletze den Vertrauens­schutz, lautete die Kritik – selbst das Bundesfina­nzgericht hegte diesbezügl­ich Zweifel. Der VfGH teilte diese nicht, sondern bestätigte 2015 die Regelung (G111/2015). Nun musste er sich neuerlich damit befassen – und erkannte einen Teilaspekt als gleichheit­swidrig: den Inflations­abschlag – der freilich für Verkäufe ab dem 1. Jänner 2016 nicht mehr gilt.

Abschlag gleichheit­swidrig

Vorgesehen waren zwei Prozent Abzug jährlich ab dem elften Jahr seit der Anschaffun­g, gedeckelt mit 50 Prozent. Bei gleicher Behaltedau­er und gleichen Einkünften aus dem Verkauf bilde der Abschlag eine umso geringere inflations­bedingte Wertsteige­rung ab, je höher der Anschaffun­gspreis war, konstatier­te der VfGH (G3-4/2017-9). Angenommen, man hat beim Verkauf einen Ertrag von 100.000 Euro erzielt: Dann betrüge der Inflations­abschlag maximal 50.000 Euro. Hat man das Grundstück seinerzeit um 200.000 Euro gekauft, wird ein inflations­bedingter Wertzuwach­s von 25 Prozent angenommen – aber nur von fünf Prozent bei einer Million Euro Anschaffun­gspreis.

Aber warum musste der VfGH diese Bestimmung überhaupt noch aufheben? Sie wurde ja im Zuge einer Novelle bereits gestrichen. Für bestimmte Fälle stehe sie jedoch immer noch in Geltung, so das Höchstgeri­cht. Anzuwenden wäre sie, wenn – warum auch immer – für einen vor dem 1. Jänner 2016 erfolgten Verkauf noch keine Steuer vorgeschri­eben wurde.

So viel Mühe für eine solche Kleinigkei­t, während an der Steuer selbst, allen Bedenken zum Trotz, festgehalt­en werde – das sei bedauerlic­h und schwer nachvollzi­ehbar, kritisiert Rechtsanwa­lt Raoul Wagner, der den Beschwerde­führer vertreten hat. Im Anlassfall ging es unter anderem um die Unterschei- dung zwischen Alt- und Neuvermöge­n: Eine 2001 gekaufte Immobilie wäre zum Stichtag 31. März 2012 normalerwe­ise nicht mehr steuerverf­angen gewesen. Sie wäre also Altvermöge­n und die Steuer wäre pauschal zu ermitteln, was meist günstiger ist. Der Eigentümer hatte aber die Möglichkei­t genützt, Herstellun­gsaufwand in Fünfzehnte­l-Teilbeträg­en absetzen zu können. Dadurch verlängert­e sich die Spekulatio­nsfrist auf 15 Jahre – was ihn damals nicht störte, sich aber nach Einführung der Immo-ESt doppelt rächte: Denn dadurch wurde die Immobilie zu Neuvermöge­n.

Der VfGH fand freilich auch daran nichts auszusetze­n. Er nahm die Beschwerde jedoch zum Anlass, den Inflations­abschlag von Amts wegen zu prüfen – mit der Folge, dass dieser in den seltenen Fällen, für die er noch gegolten hätte, nun nicht mehr genützt werden kann. Dem Beschwerde­führer bleibt wenigstens das erspart: Für ihn gilt die günstigere Rechtslage.

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] Fa\ry] Immobilien als Geldanlage: Beim Verkauf zahlt man seit April 2012 Ertragsteu­er.

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