Eis auf Parkplatz nicht grob fahrlässig
Briefträger gestürzt. Der Oberste Gerichtshof stellt klar, dass auch Parkplätze als Wege gelten können. Der Erhalter haftet daher nur für grobe Sorgfaltsverstöße, nicht für eine kleine eisige Stelle.
Wien. Während der Schnee und das Eis des vergangenen Winters nur noch in höheren Lagen zu finden sind, haben solche Niederschlagsfolgen des Winters 2014/15 vor kurzem noch den Obersten Gerichtshof ( OGH) beschäftigt. Es ging um den Sturz eines Briefträgers auf dem Parkplatz eines Unternehmens, dem er gerade Post gebracht hatte. Der Mann verletzte sich schwer und erlebte in drei Instanzen alle Möglichkeiten der Haftung für den Schaden – in der höchsten allerdings die für ihn ungünstigste.
Der damals 49-jährige Briefträger trug am Vormittag des ersten Arbeitstages 2015 in Salzburg Post aus. Nach einem Reifen- und Autoserviceunternehmen sollte das benachbarte Reisebüro drankommen. Nachdem er an der ersten Adresse sein Auto abgestellt hatte, wollte der Zusteller zu Fuß zum zweiten wechseln, und zwar ohne den Parkplatz in Richtung des Gehsteigs an der Straße zu verlassen, sondern direkt über die Grenze zwischen den beiden Grundstücken. Es war kalt und hatte vor einigen Tagen geschneit. Ein Räumdienst hatte den Schnee aber bereits zu großen Haufen zusammengeschoben. Die Salzstreuung ließ der Reifendienst hingegen durch seine eigenen Leute vornehmen.
9500 € Schmerzengeld verlangt
Auf dem Weg zum Nachbarn rutschte der Briefträger auf einer leicht vertieften Stelle rund um einen Kanaldeckel aus, wo Wasser zu einer dickeren Eisschicht gefroren war. Dort war zwar in der Früh Salz gestreut worden, aber kein zusätzlicher Splitt. Obwohl die Mitarbeiter das Eis hatten sehen können, hatten sie dieser Stelle kein besonderes Augenmerk gewidmet. Der Mann stürzte so schwer, dass er 9500 Schmerzengeld verlangte – und zwar vom Reifenservice.
Fraglich war jedoch, ob das Unternehmen für den Sturz verantwortlich gemacht werden kann. Wie auch der OGH am Ende bestätigte, wurde zu Recht die Haftung des Wegehalters (§ 1319a ABGB) geprüft. Denn auch ein Parkplatz gilt als „Weg“, wenn er von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann. Bloß innerhalb abgezäunter Grundstücke oder in Innenhöfen gelegene Flächen sind von den Sonderregeln ausgenommen, weil sie nicht der allgemeinen Benützung dienen. Und die Sonderregel besagt: Der Wegehalter muss, auch ohne dass er mit dem Benützer in einer Vertragsbeziehung steht, für Fehler seiner Mitarbeiter einstehen (und nicht nur, wie sonst im außervertraglichen Bereich, für den Einsatz habituell unfähiger Leute); die solcherart erweiterte Haftung wird zugleich aber auf grobe Fahrlässigkeit eingeschränkt. – Das Bezirksgericht Salzburg sah also richtigerweise einen Fall der Wegehalterhaftung vor sich – und hielt das Unternehmen für verantwortlich. Allerdings ortete es beim Briefträger eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten. Er hatte beim Aussteigen bemerkt, dass es auf dem Parkplatz rutschig war. „Aufpassen“, hatte er sich deshalb gedacht – und war dann doch „nicht besonders vorsichtig“über den Platz geschritten. Also teilte das Bezirksgericht das Verschulden zu gleichen Teilen auf Kläger und beklagte Firma.
Erfolg in der zweiten Instanz
Beide wehrten sich gegen dieses Urteil, aber nur der Briefträger mit Erfolg: Das Landesgericht Salzburg sah nur die grobe Fahrlässigkeit beim Unternehmen und kein Mitverschulden beim Briefträger. Die Klage sei dem Grunde nach zur Gänze berechtigt.
Das letzte Wort hatte aber der OGH. Und der sprach: Das Verhalten der beklagten GmbH erreiche „nicht den Grad groben Verschuldens, sodass ihr das Haftungsprivileg des § 1319a Abs 1 ABGB zugutekommt (7 Ob 218/16h). Denn: Angesichts der winterlichen Verhältnisse „kann es unter den vorliegenden Umständen nach allgemeinen billigen Grundsätzen nicht als außergewöhnliche und auffallende Sorglosigkeit angesehen werden, dass nach einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum nach einer ohnehin erfolgten Salzstreuung an der späteren Unfallstelle dennoch Eis vorhanden war“. Zudem wäre der Zugang zum Nachbarn über den geräumten Gehsteig möglich gewesen.