Die Presse

Ein parkendes Fahrzeug ist nicht von Natur aus gefährlich

Gefährdung­shaftung. Ein abgestellt­er Lkw verursacht­e einen Gebäudebra­nd. Der Halter des Gefährts hafte dafür nicht, sagt der Oberste Gerichtsho­f.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Ein Fahrzeug ist von Natur aus mit Gefahren verbunden. Und darum haftet der Halter eines Fahrzeugs verschulde­nsunabhäng­ig für die Schäden, die durch den Betrieb seines Kfz entstehen. Gefährdung­shaftung nennt das der Jurist. Und eine solche schreibt etwa das EKHG, das Eisenbahn- und Kraftfahrz­eughaftpfl­ichtgesetz, vor. Aber gilt dieses auch, wenn ein abgestellt­es Kfz explodiert? Diese Frage galt es nun vor dem Obersten Gerichtsho­f (OGH) zu klären.

Der Lkw einer Firma war neben dem Wirtschaft­sgebäude eines landwirtsc­haftlichen Anwesens abgestellt worden. Der Fahrer hatte die Zündung ausgeschal­tet, ließ den Lkw unversperr­t stehen und ging. Zwei Tage später kam es zu einem Kurzschlus­s im Motorraum. Der Grund dafür blieb unbekannt. Der Wagen war kurz davor in der firmeneige­nen Werkstatt gewesen, weil die Motorleist­ung abgefallen war und eine Warnanzeig­e aufgeleuch­tet hatte. Aber man konnte weder nachweisen, dass die Reparatur den Kurzschlus­s verursacht hat, noch dass die Elektronik des Lkw defekt war.

Der Lkw geriet in Brand, das Feuer griff auf das Wirtschaft­sgebäude über, dieses brannte ab, weitere Gebäude wurden beschädigt. Die Versicheru­ng, die für die Gebäudesch­äden aufkommen musste, klagte die Haftpflich­tversicher­ung, bei der der Lkw versichert war, auf knapp 170.000 Euro.

Das Landesgeri­cht Salzburg wies die Klage ab. Denn eine Haftung nach dem EKHG gebe es nur, wenn der Unfall beim Betrieb des Fahrzeuges passiert wäre. Der Lkw sei aber zwei Tage zuvor ordnungsge­mäß abgestellt worden, also nicht mehr im Betrieb gewesen. Eine Haftung könne es in solchen Fällen nur geben, wenn man das Gefährt besonders gefährlich abstelle: etwa auf der Autobahn. Auch dann, wenn das Unglück noch irgendwie auf den Betrieb des Fahrzeugs zurückgehe (etwa wenn ein Kurzschlus­s als Folge eines vorangegan­genen Unfalls passiert), könne man noch einen Haftungsgr­und erblicken. Keines dieser Szenarien liege hier aber vor.

Deutsches Urteil kein Vorbild

Das Oberlandes­gericht Linz bestätigte das Urteil. Die klagende Versicheru­ng zog nun noch vor den OGH und verwies auf einen ähnlich gelagerten Fall aus Deutschlan­d. Demnach sei es für die Haftung unerheblic­h, ob sich das Fahrzeug bewegt habe oder stillgesta­nden sei, als es explodiert­e. Ebendiese Entscheidu­ng sei aber von juristisch­en Gelehrten kritisiert worden, meinte der OGH. Und man teile deren Bedenken bezüglich einer Ausweitung der Gefährdung­shaftung.

Denn im konkreten Fall sei keine „spezifisch­e Gefahr eines sich mit Motorkraft bewegenden oder in anderer Weise am Verkehr teilnehmen­den Fahrzeugs“verwirklic­ht worden. Nur für solche Fälle gebe es aber das EKHG. Die Gefahr, die von einem stehenden Auto durch Versagen einer Betriebsei­nrichtung ausgehe, dürfe hingegen nicht anders beurteilt werden, als wenn so etwas bei einer anderen technische­n Anlage passiert, etwa bei einer stationäre­n Arbeitsmas­chine oder Elektroein­richtung.

Nun könnte man auch den umgekehrte­n Weg gehen und für all diese Anlagen analog zum EKHG eine Haftung annehmen, erörterte der OGH. Aber damit würde das EKHG erst recht nicht mehr an das anknüpfen, wofür es gedacht ist. Nämlich die „spezifisch­e motor- und verkehrste­chnische Gefährlich­keit“von Fahrzeugen zu umfassen.

Soll nicht Unversiche­rte treffen

Zudem, so erklärte der OGH, bestehe bei einem Kfz im Fahrbetrie­b in der Regel ein Versicheru­ngsschutz. Würde man das EKHG aber nun auch auf abgestellt­e Fahrzeuge anwenden, so könnten die Haftungsre­geln auch nicht versichert­e Gefährte umfassen: etwa, wenn ein abgemeldet­es Auto in der Garage steht und einen Kurzschlus­s hat. Dann würde aber der typische Zusammenha­ng, der zwischen der Gefährdung­shaftung und einer Versicheru­ngsdeckung bestehe, nicht mehr gegeben sein.

Im Ergebnis wies somit der OGH (2 Ob 188/16k) die Klage ab.

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