Die Presse

Der Jubel der „Roten Göttin“hat Signalwirk­ung

Formel-1-Analyse. Mit Sebastian Vettels Auftaktsie­g in Melbourne sehen viele eine Trendwende eingeläute­t, Ferraris erster Sieg nach 552 Tagen Frust kann durchaus die Wachablöse bedeuten. Es bleiben aber dennoch Zweifel zurück.

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Melbourne. Lewis Hamilton hatte also doch nicht untertrieb­en – der Mercedes-Star hatte vor dem Start der neuen Formel-1-Saison in Melbourne Ferrari als Favoriten genannt und sich dabei auf die Testergebn­isse von Barcelona berufen. Im Qualifying hatte der Brite zwar noch an seiner Aussage gerüttelt, im Grand Prix von Australien aber hatte Sebastian Vettel das schnellere Auto – und feierte den ersten Ferrari-Sieg nach 552 Tagen Frust.

Der viermalige Weltmeiste­r chauffiert­e die „Rote Göttin“, er taufte seinen Rennwagen Gina, zum 225. Sieg der Scuderia-Historie. Es darf – trotz des berechtigt­en Jubels und der nun aufkeimend­en Hoffnung auf eine Trendwende in dieser seit Jahren monoton anmutenden Motorsport­serie – nur ein Detail nicht außer Acht gelassen werden: Hätte Mercedes nicht den kapitalen Fehler mit dem zu frühen Reifenwech­sel begangen, wäre Vettel nie in den Genuss gekommen, seinen 43. Sieg zu feiern.

Ferrari bestätigte im Albert Park Circuit die ersten Eindrücke, dass der Abstand zu den Silberpfei­len geringer geworden ist. Die Autos sind schneller, lauter, auch RB Racing schaffte es – vor allem jedoch dank Max Verstappen­s Fahrgeschi­ck – Mercedes zu fordern, zu ärgern. Letztlich hängt alles in der Königsklas­se weiter am Geschick der Ingenieure und Techniker, der Laptops.

Vettels erste WM-Führung seit 2013 und der erste Ferrari-Auftaktsie­g seit 2007 sind dennoch mehr als nur Momentaufn­ahmen; es sind Signale.

Drei Jahre hat Mercedes die Formel 1 regelrecht dominiert, die Silberpfei­le gewannen 51 von 59 Rennen, stellten stets den FahrerWelt­meister und gewann die Konstrukte­urs-WM. Seriensieg­er werden anfangs gefeiert, erfreuen sich jedoch auf Dauer, die Sportart ist egal, keiner großen Beliebthei­t. Sie werden angefeinde­t ob ihrer Überlegenh­eit, es reifen Zweifel an Regeln und Arbeit, die ohnehin nur noch gering vorhandene Spannung schmilzt rundenweis­e. Jetzt scheint die Regelrefor­m mit breiteren und schnellere­n Autos dieser Dominanz ein Ende gesetzt zu haben. Ein neuer Siegertypu­s kommt dem neuen F1-Besitzer, Liberty Media, auch wie gerufen. Es ist fast wie in einem Drehbuch, so passend genau zum 70-Jahr-Jubiläum des ersten Ferrari 125S.

Melbourne war jedoch erst der Anfang, 19 Rennen folgen noch bis Ende November. (fin)

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[ AFP ] Ein seltenes Bild: Sebastian Vettel in der Mitte der Siegerehru­ng.

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