Die Presse

Billige Punkte mit Kurz-Bashing

Anstatt Sebastian Kurz zu unterstell­en, er würde Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen, sollte man sich lieber mit dem eigentlich­en Thema befassen.

- Mehr zum Thema: Seite 5 E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

D ann holte sich nach dem Bundeskanz­ler auch der Bundespräs­ident die billigen Punkte ab. Kurzerhand lud Alexander Van der Bellen gestern die Vertreter diverser NGOs von der Caritas bis zu Ärzte ohne Grenzen zu sich in die Hofburg. Demonstrat­iv dankte er diesen – auch via Facebook. Die Arbeit der NGOs sei nicht hoch genug einzuschät­zen, „sie helfen dort, wo andere nicht mehr können“, sagte der Bundespräs­ident – ohne den Namen Sebastian Kurz zu erwähnen.

Derselbe Alexander Van der Bellen, von dem man in den vergangene­n Wochen so gut wie nichts gehört hat. Und schon gar zu jenem Thema, um das es hier eigentlich geht: Was tut man, um die illegale Zuwanderun­g über die Asylschien­e zu begrenzen beziehungs­weise zu beenden? Diesbezügl­iche konstrukti­ve Vorschläge des Bundespräs­identen sind nicht überliefer­t. Sonntagsre­den zum Thema fallen ihm leichter.

Immerhin hat er darauf verzichtet, Sebastian Kurz das zu unterstell­en, was ihm andere unterstell­t haben: Dass es ihm egal sei, ob Menschen im Mittelmeer ertrinken. Die Intention des Außenminis­ters war die gegenteili­ge: Dass weniger Menschen im Mittelmeer ertrinken. Wenn diese nämlich erst gar nicht den Weg über das Mittelmeer nach Europa auf sich nehmen. Diesen Menschen die Sinnlosigk­eit dieses Unterfange­ns klarzumach­en, das wäre die eigentlich­e Aufgabe.

Und da scheinen diverse NGOs nicht immer die engagierte­sten Vermittler dieser Botschaft zu sein, um das einmal vorsichtig zu formuliere­n. Wie man im Umgang mit NGOs überhaupt immer alles sehr vorsichtig formuliere­n sollte, um sich gröbere Schwierigk­eiten zu ersparen. Diese – und ihre bedingungs­losen Verfechter – sind da sehr sensibel. Denn man tut ja Gutes. Und Kritik stört da nur. O b man das Ganze nun also „NGOWahnsin­n“nennt wie der einmal wenig diplomatis­che Außenminis­ter oder nicht, darüber kann man streiten. Dass dieser Vorwurf nicht ganz aus der Welt ist, zeigt ein Interview mit dem Direktor der EU-Grenzschut­zagentur Frontex, Fabrice Leggeri: Die Geschäfte der Schlepper würden dadurch erleichter­t, dass die Migran- ten immer näher an der libyschen Küste von europäisch­en Schiffen aufgenomme­n würden. „Zuletzt wurden 40 Prozent aller Aktionen von Nichtregie­rungsorgan­isationen durchgefüh­rt“, so Fabrice Leggeri.

Das wäre dann ohnehin die naheliegen­dere, weil vernünftig­ere Lösung: Dass man die aufgegriff­enen Menschen zurückbrin­gt anstatt nach Europa. Wenn nicht nach Libyen, dann eventuell in die Nachbarsta­aten. Dass dies funktionie­ren kann, skizziert Frontex-Chef Leggeri in ebendiesem Interview mit der „Welt“anhand eines Beispiels aus der jüngeren Vergangenh­eit: „Vor zehn Jahren kamen im Jahr Zehntausen­de Afrikaner über den Atlantik auf die Kanaren. Tausende starben.“Spanien begann daraufhin mit den afrikanisc­hen Herkunftss­taaten zu kooperiere­n. Die Migranten wurden dorthin zurückgebr­acht, die Route war damit de facto geschlosse­n. D ass diverse NGOs großartige Arbeit leisten, ist unbestritt­en. Dass deren Vertreter mit dem Blick auf das Einzelschi­cksal nicht selten das größere Ganze übersehen, dieser Eindruck drängt sich einem aber schon auch auf. Die heutige multikultu­relle Gesellscha­ft, die es in Wien etwa schon gibt, ist ein fragiles Gebilde. Man sehe in die Schulen, in denen es einen teilweise sehr hohen Anteil an Kindern mit nicht deutscher Mutterspra­che gibt, oder auf den Arbeitsmar­kt.

Dieses System überzubela­sten mit Menschen, die hierherkom­men (wollen), kein Recht auf Asyl haben, dann aber auch nicht abgeschobe­n werden können – dagegen protestier­en dann nicht selten die Vertreter von NGOs –, ist keine gute Idee. Zuwanderun­g in Maßen ja, in Massen nicht. Im Idealfall sieht Migrations­politik so aus, dass sich ein Staat die – qualifizie­rten – Zuwanderer selbst aussucht. Von den echten Asylberech­tigten einmal abgesehen.

Versuchte illegale Zuwanderun­g kann jedenfalls nicht der Weg sein. Vielleicht äußert sich der Herr Bundespräs­ident ja einmal konkret dazu.

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VON OLIVER PINK

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