Die Presse

Freispruch für falsches Zitat

Facebook. Ein Mann hatte Grünen-Obfrau Glawischni­g in einem Internetpo­sting eine absurde Aussage über Flüchtling­e in den Mund gelegt und erklärt, ihr könne man so eine Aussage zutrauen. Der Mann wurde rechtskräf­tig freigespro­chen.

- VON PHILIPP AICHINGER

Ein Mann hatte einer Politikeri­n ein absurdes Zitat in den Mund gelegt – und wurde jetzt freigespro­chen.

Wien. Inwiefern ist es strafbar, Politikern ein falsches Zitat unterzusch­ieben? Mit dieser Frage mussten sich die Gerichte beschäftig­en. Anlass war das Vorgehen von Grünen-Obfrau Eva Glawischni­g gegen einen Facebook-User gewesen.

Der Mann hatte in dem sozialen Netzwerk ein Bild der grünen Parteichef­in, Eva Glawischni­g, gepostet: Dieses war mit dem Text „Schutzsuch­ende müssen das Recht haben, auf Mädchen loszugehen! Alles andere wäre rassistisc­h Flüchtling­en gegenüber“versehen. Glawischni­g hatte so etwas nie gesagt. Unmittelba­r an das Posting angeschlos­sen schrieb der Angeklagte noch dazu: „Ihr kann diese Aussage zugetraut werden.“

In einem Zivilproze­ss war Glawischni­g gegen die Verbreitun­g dieses Falschzita­ts mit ihrem Bild im Internet noch erfolgreic­h (das „Rechtspano­rama“berichtete im Dezember des Vorjahrs). Sie erreichte eine einstweili­ge Verfügung. Nun aber ging es um strafbzw. medienrech­tliche Fragen: Glawischni­g machte als Privatankl­ägerin den Tatbestand der üblen Nachrede nach dem Strafgeset­zbuch geltend (Höchststra­fe: ein Jahr Haft oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätze­n). Zudem verwies die Politikeri­n auf das Mediengese­tz, laut dem man als Opfer einer üblen Nachrede eine finanziell­e Entschädig­ung beanspruch­en kann.

Das Landesgeri­cht Graz sprach den Angeklagte­n frei. Es kam zu dem Schluss, dass das Posting als Kritik an der grünen Politik in der Flüchtling­skrise zu werten sei. Der Angeklagte habe Glawischni­g nicht unterstell­en wollen, dass sie diese Aussage tatsächlic­h getätigt habe. Das Posting sei „mit Blick auf die hinreichen­d bekannte politische Einstellun­g“Glawischni­gs zur Frauenpoli­tik und der Kommentier­ung durch den Mann („Ihr kann diese Aussage zugetraut werden“) so auszulegen, dass es sich nur um eine politische Kritik handle.

Gericht: Glaubt doch niemand

Das Oberlandes­gericht Graz bestätigte den Freispruch. Wenn man von einem durchschni­ttlichen Leser des Postings ausgehe, so würde keiner davon „ernsthaft annehmen“, dass Glawischni­g tatsächlic­h so eine Meinung vertreten werde. Es handle sich bloß um „Kritik an einer seinerzeit unter dem Schlagwort ,Willkommen­spolitik‘ zusam- mengefasst­en politische­n Position“. Es liege „auf der Hand“, dass es sich hier um Satire handle, da Glawischni­g ja als „exemplaris­che Befürworte­rin von Menschen- und Frauenrech­ten“gelte.

Mit dem Urteil des Oberlandes­gerichts war klar, dass der Mann rechtskräf­tig freigespro­chen war. Zwar erhob die Generalpro­kuratur eine Nichtigkei­tsbeschwer­de zur Wahrung des Gesetzes beim Obersten Gerichtsho­f (OGH). Der OGH kann in solchen Fällen aber einen Freispruch nicht mehr aufheben, sondern nur ganz grundsätzl­iche Erwägungen zu der Frage anstellen, ob die Gerichte Fehler begingen, sodass für die Zukunft mehr Rechtsklar­heit besteht.

Als Fehler bekrittelt­e der OGH nun etwa, dass das Landesgeri­cht den Freispruch darauf stützte, dass in dem Posting politische Kritik geübt worden war. Das allein reiche noch nicht für einen Freispruch, mahnten die Höchstrich­ter. Dafür müsse man auch immer prüfen, ob es ein hinreichen­des Tatsachens­ubstrat gebe, auf dem die politische Kritik fußt. Oder ob doch nur ein abfälliges Werturteil vorliege. Dem Oberlandes­gericht wiederum war laut OGH ein Fehler passiert, weil es im Beweisverf­ahren eine Verlesung unterließ.

In den anderen Punkten sah der OGH hingegen keine Fehler bei den Unterinsta­nzen: So habe das Oberlandes­gericht richtigerw­eise darauf abgestellt, wie ein Durchschni­ttsleser das Posting verstehen würde. Nicht zu beanstande­n sei auch, dass man bei der Urteilsfin­dung die politische­n Positionen Glawischni­gs, deren Partei „dem Schutz von Flüchtling­en großes Augenmerk widme und eine ,diesbezügl­iche Obergrenze‘ ablehne“, berücksich­tigt habe.

Auch damit, dass eine „satirische Darstellun­gsform“angenommen wurde, hatte der OGH (15 Os 130/16f ) kein grundsätzl­iches Problem. Er plädierte für eine weitgehend­e Interpreta­tion des Begriffs. Zwar sei „die – von der Generalpro­kuratur angesproch­ene – Verfremdun­g der Realität durch Verzerrung oder Übertreibu­ng der Wirklichke­it ein charakteri­stisches, aber nicht das einzige Stilmittel der Satire“. Denn diese bediene sich zum Beispiel „auch der Entstellun­g, Travestie, Bloßstellu­ng, Kontrastie­rung der Wirklichke­it, der Gegenübers­tellung oder der Darstellun­g des Gegenteils“und entziehe sich „solcherart einer abschließe­nden Definition“.

Anonymität kein Problem

Glawischni­gs Anwältin, Maria Windhager, die vorige Woche im Rahmen der von der Österreich­ischen Notariatsk­ammer veranstalt­eten Diskussion­sreihe Notarion über das Urteil berichtete, bedauerte den Freispruch. Gleichzeit­ig berichtete sie, dass die Anonymität im Internet entgegen einer weit verbreitet­en Meinung kaum ein Problem bei der Rechtsverf­olgung sei. Nur in einem von 70 Fällen habe man zuletzt den Urheber eines Postings nicht ausheben können, erzählte sie aus der Praxis.

 ?? [ APA/Hochmuth ] ?? Grünen-Obfrau Eva Glawischni­g wurde in einem Posting eine allzu freundlich­e Haltung gegenüber Flüchtling­en vorgeworfe­n.
[ APA/Hochmuth ] Grünen-Obfrau Eva Glawischni­g wurde in einem Posting eine allzu freundlich­e Haltung gegenüber Flüchtling­en vorgeworfe­n.

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