Freispruch für falsches Zitat
Facebook. Ein Mann hatte Grünen-Obfrau Glawischnig in einem Internetposting eine absurde Aussage über Flüchtlinge in den Mund gelegt und erklärt, ihr könne man so eine Aussage zutrauen. Der Mann wurde rechtskräftig freigesprochen.
Ein Mann hatte einer Politikerin ein absurdes Zitat in den Mund gelegt – und wurde jetzt freigesprochen.
Wien. Inwiefern ist es strafbar, Politikern ein falsches Zitat unterzuschieben? Mit dieser Frage mussten sich die Gerichte beschäftigen. Anlass war das Vorgehen von Grünen-Obfrau Eva Glawischnig gegen einen Facebook-User gewesen.
Der Mann hatte in dem sozialen Netzwerk ein Bild der grünen Parteichefin, Eva Glawischnig, gepostet: Dieses war mit dem Text „Schutzsuchende müssen das Recht haben, auf Mädchen loszugehen! Alles andere wäre rassistisch Flüchtlingen gegenüber“versehen. Glawischnig hatte so etwas nie gesagt. Unmittelbar an das Posting angeschlossen schrieb der Angeklagte noch dazu: „Ihr kann diese Aussage zugetraut werden.“
In einem Zivilprozess war Glawischnig gegen die Verbreitung dieses Falschzitats mit ihrem Bild im Internet noch erfolgreich (das „Rechtspanorama“berichtete im Dezember des Vorjahrs). Sie erreichte eine einstweilige Verfügung. Nun aber ging es um strafbzw. medienrechtliche Fragen: Glawischnig machte als Privatanklägerin den Tatbestand der üblen Nachrede nach dem Strafgesetzbuch geltend (Höchststrafe: ein Jahr Haft oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen). Zudem verwies die Politikerin auf das Mediengesetz, laut dem man als Opfer einer üblen Nachrede eine finanzielle Entschädigung beanspruchen kann.
Das Landesgericht Graz sprach den Angeklagten frei. Es kam zu dem Schluss, dass das Posting als Kritik an der grünen Politik in der Flüchtlingskrise zu werten sei. Der Angeklagte habe Glawischnig nicht unterstellen wollen, dass sie diese Aussage tatsächlich getätigt habe. Das Posting sei „mit Blick auf die hinreichend bekannte politische Einstellung“Glawischnigs zur Frauenpolitik und der Kommentierung durch den Mann („Ihr kann diese Aussage zugetraut werden“) so auszulegen, dass es sich nur um eine politische Kritik handle.
Gericht: Glaubt doch niemand
Das Oberlandesgericht Graz bestätigte den Freispruch. Wenn man von einem durchschnittlichen Leser des Postings ausgehe, so würde keiner davon „ernsthaft annehmen“, dass Glawischnig tatsächlich so eine Meinung vertreten werde. Es handle sich bloß um „Kritik an einer seinerzeit unter dem Schlagwort ,Willkommenspolitik‘ zusam- mengefassten politischen Position“. Es liege „auf der Hand“, dass es sich hier um Satire handle, da Glawischnig ja als „exemplarische Befürworterin von Menschen- und Frauenrechten“gelte.
Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts war klar, dass der Mann rechtskräftig freigesprochen war. Zwar erhob die Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beim Obersten Gerichtshof (OGH). Der OGH kann in solchen Fällen aber einen Freispruch nicht mehr aufheben, sondern nur ganz grundsätzliche Erwägungen zu der Frage anstellen, ob die Gerichte Fehler begingen, sodass für die Zukunft mehr Rechtsklarheit besteht.
Als Fehler bekrittelte der OGH nun etwa, dass das Landesgericht den Freispruch darauf stützte, dass in dem Posting politische Kritik geübt worden war. Das allein reiche noch nicht für einen Freispruch, mahnten die Höchstrichter. Dafür müsse man auch immer prüfen, ob es ein hinreichendes Tatsachensubstrat gebe, auf dem die politische Kritik fußt. Oder ob doch nur ein abfälliges Werturteil vorliege. Dem Oberlandesgericht wiederum war laut OGH ein Fehler passiert, weil es im Beweisverfahren eine Verlesung unterließ.
In den anderen Punkten sah der OGH hingegen keine Fehler bei den Unterinstanzen: So habe das Oberlandesgericht richtigerweise darauf abgestellt, wie ein Durchschnittsleser das Posting verstehen würde. Nicht zu beanstanden sei auch, dass man bei der Urteilsfindung die politischen Positionen Glawischnigs, deren Partei „dem Schutz von Flüchtlingen großes Augenmerk widme und eine ,diesbezügliche Obergrenze‘ ablehne“, berücksichtigt habe.
Auch damit, dass eine „satirische Darstellungsform“angenommen wurde, hatte der OGH (15 Os 130/16f ) kein grundsätzliches Problem. Er plädierte für eine weitgehende Interpretation des Begriffs. Zwar sei „die – von der Generalprokuratur angesprochene – Verfremdung der Realität durch Verzerrung oder Übertreibung der Wirklichkeit ein charakteristisches, aber nicht das einzige Stilmittel der Satire“. Denn diese bediene sich zum Beispiel „auch der Entstellung, Travestie, Bloßstellung, Kontrastierung der Wirklichkeit, der Gegenüberstellung oder der Darstellung des Gegenteils“und entziehe sich „solcherart einer abschließenden Definition“.
Anonymität kein Problem
Glawischnigs Anwältin, Maria Windhager, die vorige Woche im Rahmen der von der Österreichischen Notariatskammer veranstalteten Diskussionsreihe Notarion über das Urteil berichtete, bedauerte den Freispruch. Gleichzeitig berichtete sie, dass die Anonymität im Internet entgegen einer weit verbreiteten Meinung kaum ein Problem bei der Rechtsverfolgung sei. Nur in einem von 70 Fällen habe man zuletzt den Urheber eines Postings nicht ausheben können, erzählte sie aus der Praxis.