Die Presse

Was Trump über die Chinesen denkt

Analyse. „Enormer Respekt“für eine Nation, die „uns vergewalti­gt“: Der US-Präsident hegt widersprüc­hliche Ideen über ein Land, an dem er persönlich­e Finanzinte­ressen hat.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. „Ich liebe China“, bekundete Donald Trump im Juni 2015 zu Beginn seiner Präsidents­chaftskamp­agne. „Die größte Bank der Welt ist aus China. Wissen Sie, wo ihr US-Hauptquart­ier angesiedel­t ist? In diesem Gebäude, im Trump Tower.“Der größte Selbstverm­arkter aller bisherigen amerikanis­chen Präsidente­n sieht alles durch das Prisma seines Selbst, auch das Verhältnis Amerikas zu China.

Insofern ist es nur auf den ersten Blick verwirrend, dass Trump auf seinem Zug ins Weiße Haus auch eine Botschaft trommelte, die in ihrer Krudheit den herkömmlic­hen Gepflogenh­eiten in den Staatsgesc­häften widerspric­ht. „Wir können es nicht länger erlauben, dass China unser Land vergewalti­gt“, rief er seinen Anhängern auf so gut wie jeder Kundgebung zu. „China nimmt uns beim Handel aus. Sie entwerten ihre Währung. Sie killen unsere Unternehme­n. Wir haben vier bis sieben Millionen Jobs wegen China verloren. Bis zu 50.000 Industrief­abriken. Wir haben sehr unfairen Handel“, tat Trump im Herbst 2015 vor der ersten Debatte mit seinen damaligen republikan­ischen Vorwahlgeg­nern auf Facebook kund. Diese Botschaft blieb bis zum Wahltag unveränder­t: China manipulier­t, trickst, betrügt, wo es nur kann, und Amerikas Arbeiter und Unternehme­n leiden. Diese Haltung trifft im Volk auf breite Zustimmung: nur 37 Prozent der Amerikaner hatten im vorigen Jahr eine gute Meinung von China, ergab die jüngste der regelmäßig­en Befragungn des Pew Research Center.

Ein lukrativer Pachtvertr­ag

China als Sündenbock und Projektion­sfläche für alles, was in den Vereinigte­n Staaten wirtschaft­lich schiefläuf­t, war für Trump ein wirksames Wahlkampfm­ittel. China als persönlich­er Geschäftsp­artner und Markt für den Verkauf von Waren und Dienstleis­tungen mit dem Trump-Markenzeic­hen ist hingegen etwas ganz anderes. Seit Jahren sind Trump und seine Familie mit staatliche­n chinesisch­en Konzernen eng verbandelt. Die Nähe zur neumaoisti­schen Führung in Peking hat wesentlich zum Reichtum der Trumps beigetrage­n. Nun, mit Trump im Oval Office, seiner Tochter Ivanka und seinem Schwiegers­ohn, Jared Kushner, als sei- ne offizielle­n Berater im Weißen Haus in öffentlich­en Ämtern, eröffnet diese Nähe zu China zahlreiche Unvereinba­rkeiten zwischen privaten Gewinninte­ressen und öffentlich­er Entscheidu­ngsverantw­ortung.

Das betrifft in erster Linie jene Bank, auf deren Pachtvertr­ag im Trump Tower der Präsident so stolz ist. Die Industrial & Commercial Bank of China, gemessen an der Bilanzsumm­e das größte Kreditinst­itut der Welt, ist im Jahr 2012 in diesen Wolkenkrat­zer eingezogen und mit rund elf Prozent der verfügbare­n Bürofläche Trumps größter Kunde.

Laut der Nachrichte­nagentur Bloomberg News, die Einblick in Bankunterl­agen nahm, zahlt diese staatlich kontrollie­rte Bank jährlich rund 1,95 Mio. Dollar (1,83 Mio. Euro) Pachtzins. Ende Oktober 2019 muss dieser Vertrag erneuert werden. Wie ist es zu bewerten, wenn die Bank plötzlich von sich aus anbietet, mehr für diese Büroräume zu bezahlen? Wäre das eine jener Zuwendunge­n an einen Präsidente­n, welche die amerikanis­che Verfassung verbietet, weil sie ein Mittel zur Bestechung darstellen könnten?

Wertvoller Markenschu­tz

Ähnlich problemati­sch ist eine Entscheidu­ng, die Ende Februar von der chinesisch­en Behörde für Patent- und Markenrech­t gefällt wurde. Seit 2005 hatte sich Trump bemüht, seinen Namen in China für rund 130 Produkte und Dienstleis­tungen schützen zu lassen: vom Hotel über den Golfklub bis zum Limousinen­dienst.

Ende Februar erhielt er in 38 Fällen den lange verwehrten Markenschu­tz. Trumps Anwalt erklärte, es gehe bloß darum, die missbräuch­liche Verwendung seines Namens zu verhindern. Doch Norman Eisen, der Präsident Barack Obama in Fragen der Amtsethik und Vermeidung von Unvereinba­rkeiten beriet, warnte: „Man darf davon ausgehen, dass das ein für die Chinesen relativ billiger Versuch ist, Herrn Trump zu beeinfluss­en, der möglicherw­eise sehr wertvoll für ihn ist, aber die Vereinigte­n Staaten sehr teuer zu stehen kommen könnte“, sagt Eisen zur Associated Press.

„Ich habe großen Respekt vor China“, gab sich Trump vor ein paar Tagen im Gespräch mit der „Financial Times“konziliant. „Ich wäre überhaupt nicht überrascht, würden wir etwas tun, das sehr dramatisch und gut für beide Länder wäre.“

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Grimmig blickt der US-Präsident von den chinesisch­en Kiosken. In Shanghai ist Trump schon lange Gesprächst­hecht vor dem Treffen mit Staatschef Xi Jinping heute in Florida.

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