Was Trump über die Chinesen denkt
Analyse. „Enormer Respekt“für eine Nation, die „uns vergewaltigt“: Der US-Präsident hegt widersprüchliche Ideen über ein Land, an dem er persönliche Finanzinteressen hat.
Washington. „Ich liebe China“, bekundete Donald Trump im Juni 2015 zu Beginn seiner Präsidentschaftskampagne. „Die größte Bank der Welt ist aus China. Wissen Sie, wo ihr US-Hauptquartier angesiedelt ist? In diesem Gebäude, im Trump Tower.“Der größte Selbstvermarkter aller bisherigen amerikanischen Präsidenten sieht alles durch das Prisma seines Selbst, auch das Verhältnis Amerikas zu China.
Insofern ist es nur auf den ersten Blick verwirrend, dass Trump auf seinem Zug ins Weiße Haus auch eine Botschaft trommelte, die in ihrer Krudheit den herkömmlichen Gepflogenheiten in den Staatsgeschäften widerspricht. „Wir können es nicht länger erlauben, dass China unser Land vergewaltigt“, rief er seinen Anhängern auf so gut wie jeder Kundgebung zu. „China nimmt uns beim Handel aus. Sie entwerten ihre Währung. Sie killen unsere Unternehmen. Wir haben vier bis sieben Millionen Jobs wegen China verloren. Bis zu 50.000 Industriefabriken. Wir haben sehr unfairen Handel“, tat Trump im Herbst 2015 vor der ersten Debatte mit seinen damaligen republikanischen Vorwahlgegnern auf Facebook kund. Diese Botschaft blieb bis zum Wahltag unverändert: China manipuliert, trickst, betrügt, wo es nur kann, und Amerikas Arbeiter und Unternehmen leiden. Diese Haltung trifft im Volk auf breite Zustimmung: nur 37 Prozent der Amerikaner hatten im vorigen Jahr eine gute Meinung von China, ergab die jüngste der regelmäßigen Befragungn des Pew Research Center.
Ein lukrativer Pachtvertrag
China als Sündenbock und Projektionsfläche für alles, was in den Vereinigten Staaten wirtschaftlich schiefläuft, war für Trump ein wirksames Wahlkampfmittel. China als persönlicher Geschäftspartner und Markt für den Verkauf von Waren und Dienstleistungen mit dem Trump-Markenzeichen ist hingegen etwas ganz anderes. Seit Jahren sind Trump und seine Familie mit staatlichen chinesischen Konzernen eng verbandelt. Die Nähe zur neumaoistischen Führung in Peking hat wesentlich zum Reichtum der Trumps beigetragen. Nun, mit Trump im Oval Office, seiner Tochter Ivanka und seinem Schwiegersohn, Jared Kushner, als sei- ne offiziellen Berater im Weißen Haus in öffentlichen Ämtern, eröffnet diese Nähe zu China zahlreiche Unvereinbarkeiten zwischen privaten Gewinninteressen und öffentlicher Entscheidungsverantwortung.
Das betrifft in erster Linie jene Bank, auf deren Pachtvertrag im Trump Tower der Präsident so stolz ist. Die Industrial & Commercial Bank of China, gemessen an der Bilanzsumme das größte Kreditinstitut der Welt, ist im Jahr 2012 in diesen Wolkenkratzer eingezogen und mit rund elf Prozent der verfügbaren Bürofläche Trumps größter Kunde.
Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg News, die Einblick in Bankunterlagen nahm, zahlt diese staatlich kontrollierte Bank jährlich rund 1,95 Mio. Dollar (1,83 Mio. Euro) Pachtzins. Ende Oktober 2019 muss dieser Vertrag erneuert werden. Wie ist es zu bewerten, wenn die Bank plötzlich von sich aus anbietet, mehr für diese Büroräume zu bezahlen? Wäre das eine jener Zuwendungen an einen Präsidenten, welche die amerikanische Verfassung verbietet, weil sie ein Mittel zur Bestechung darstellen könnten?
Wertvoller Markenschutz
Ähnlich problematisch ist eine Entscheidung, die Ende Februar von der chinesischen Behörde für Patent- und Markenrecht gefällt wurde. Seit 2005 hatte sich Trump bemüht, seinen Namen in China für rund 130 Produkte und Dienstleistungen schützen zu lassen: vom Hotel über den Golfklub bis zum Limousinendienst.
Ende Februar erhielt er in 38 Fällen den lange verwehrten Markenschutz. Trumps Anwalt erklärte, es gehe bloß darum, die missbräuchliche Verwendung seines Namens zu verhindern. Doch Norman Eisen, der Präsident Barack Obama in Fragen der Amtsethik und Vermeidung von Unvereinbarkeiten beriet, warnte: „Man darf davon ausgehen, dass das ein für die Chinesen relativ billiger Versuch ist, Herrn Trump zu beeinflussen, der möglicherweise sehr wertvoll für ihn ist, aber die Vereinigten Staaten sehr teuer zu stehen kommen könnte“, sagt Eisen zur Associated Press.
„Ich habe großen Respekt vor China“, gab sich Trump vor ein paar Tagen im Gespräch mit der „Financial Times“konziliant. „Ich wäre überhaupt nicht überrascht, würden wir etwas tun, das sehr dramatisch und gut für beide Länder wäre.“