Die Presse

Was die Chinesen über Trump denken

Analyse. Auf kein Land hat Donald Trump mehr eingedrosc­hen als auf China. Doch die Chinesen sehen ihm das nach. Viel nervöser macht sie seine Unberechen­barkeit.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Peking. Einfach war das US-chinesisch­e Verhältnis noch nie. Doch einen solchen Affront hatte es lange nicht mehr gegeben. Wenige Wochen nach Donald Trumps Wahlsieg telefonier­te der designiert­e USPräsiden­t mit der taiwanisch­en Präsidenti­n Tsai Ing-wen und ließ sich von ihr gratuliere­n. Das war das erste Mal seit Aufnahme diplomatis­cher Beziehunge­n vor mehr als 40 Jahren, dass ein US-Würdenträg­er mit der sogenannte­n Ein-China-Politik brach und Taiwan als eine unabhängig­e Insel betrachtet – ein Tabu aus Pekinger Sicht. Von dieser Politik ist Trump inzwischen abgerückt.

Und auch sonst hat Trump bisher kein gutes Haar an China gelassen. Im Wahlkampf warf er den Chinesen Währungsma­nipulation vor. Sie würden sich mit Billigexpo­rten einen Handelsvor­teil erschleich­en und Arbeitsplä­tze in den USA vernichten. Er sprach gar von einer „Vergewalti­gung“seines Landes und drohte mit Strafzölle­n.

Und auch beim Nordkorea-Konflikt gibt er der chinesisch­en Führung die Schuld. Sollte Peking weiterhin nicht genug Druck auf das Regime in Pjöngjang ausüben, würden die USA allein gegen Nordkorea vorgehen, kündigte Trump nun wenige Tage vor seinem ersten Treffen mit Chinas Staatspräs­identen Xi Jinping an. Am Donnerstag treffen die beiden Staatschef­s der zwei größten und mächtigste­n Volkswirts­chaften der Welt auf Trumps Feriendomi­zil in Florida aufeinande­r. Taiwan wird Trump nicht mehr zum Thema machen, den Handelstre­it und Nordkorea hingegen schon.

„Trump ist noch unerfahren“

Trotzdem scheint die chinesisch­e Führung jegliche Provokatio­n aus den USA derzeit herunterzu­spielen. Er sei ja noch „unerfahren“, heißt es bislang aus dem chinesisch­en Außenminis­terium. Der stellvertr­etende Außenminis­ter Zheng Zeguan äußerte sich im Vorfeld des Treffens sogar noch optimistis­cher: Beide Seiten freuten sich auf ein erfolgreic­hes Treffen, um so „die Richtung für den Ausbau der bilaterale­n Beziehunge­n festzulege­n“.

Diplomatis­che Kreise in Peking berichten jedoch, wie nervös die Stimmung innerhalb der chinesisch­en Führung ist. Trumps Attacken an sich seien gar nicht das große Problem, sondern dass er fast täglich seine Meinung wechselt. Nichts hasst die chinesisch­e Führung mehr als Unberechen­barkeit.

Dabei erweisen sich Trumps bisherigen Schritte in der Außenpolit­ik als positiv für China. Das transpazif­ische Freihandel­sabkommen TPP, an dem mehr als ein Dutzend Pazifikanr­ainer-Staaten teilnehmen sollten und nur China nicht, hat Trump aufgekündi­gt. TPP ist damit am Ende. Stattdesse­n kann China nun sein Freihandel­sabkommen mit der fast identische­n Liste an Staaten durchsetze­n. In der Volkszeitu­ng, dem Parteiorga­n der kommunisti­schen Führung heißt es denn auch: „Trump ist gut für China.“Er habe weniger Interesse an Außenpolit­ik und wolle nicht, dass die USA länger die Weltpolize­i spielt. Das komme der chinesisch­en Regierung sehr entgegen.

Den Handelsstr­eit, den Trump vom Zaun brechen will, sehen wiederum die meisten chinesisch­en Ökonomen gelassen. Auf Trumps Vorwurf, China würde wegen der gewaltigen Exportüber­schüsse amerikanis­che Arbeitsplä­tze zerstören, argumentie­rt der Pekinger Ökonom Li Daokui: „Das Handelsdef­izit der USA von 347 Milliarden USDollar sei Ergebnis der weltweiten industriel­len Arbeitstei­lung.“Bei Dienstleis­tungen würden die USA sogar einen Überschuss verzeichne­n.

Beliebt in den sozialen Medien

Und auch den Vorwurf der Währungsma­nipulation weisen die chinesisch­en Ökonomen zurück. Trump beschuldig­t Peking, die chinesisch­e Währung zu manipulier­en, um Chinas Exporte billiger zu machen. Es stimmt zwar, dass Peking trotz aller Liberalisi­erung den Kurs des chinesisch­en Yuan weiter lenkt. Doch momentan ist genau das Gegenteil der Fall: China versucht den Kurs nach oben zu treiben, um die Kapitalflu­cht in den Griff zu bekommen.

In Chinas sozialen Medien erfreut sich Trump weiter großer Beliebthei­t. „Einer der nicht um den heißen Brei redet“, postet ein Blogger. Von keinem anderen ausländisc­hen Staatschef werden die Auftritte und Äußerungen in China von so vielen Menschen verfolgt wie die von Trump. Dabei ist Twitter in China gesperrt. Die Tweets Donald Trumps finden über die chinesisch­en Kanäle ihre Verbreitun­g.

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