Die Presse

Deutschlan­d will Cyber-Macht sein

Digital. Die Verteidigu­ngsministe­rin stellte gestern das neue Kommando in den Dienst. Es gibt nur ein Problem für die Cybertrupp­e: Ursula von der Leyen gehen die Nerds aus.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. „Das Internet ist für uns alle Neuland“, sprach Angela Merkel im Jahr 2013. Hohn und Spott waren ihr sicher. Nun, die Zeiten haben sich geändert: Die Kanzlerin redet mit Vorliebe von den Chancen der Digitalisi­erung, und ihre Parteifreu­ndin Ursula von der Leyen warnt komplement­är vor den Gefahren, vor digitalen Angriffen. „Cyber“ist das Leibthema der Verteidigu­ngsministe­rin.

Am Mittwochna­chmittag hat von der Leyen in Bonn das „Kommando Cyber- und Informatio­nsraum“in den Dienst gestellt: Deutschlan­d hat eine neue CyberStrei­tmacht. Sie ist Teil einer großen Umwälzung. In der Bundeswehr wird die Cyber-Truppe gleichsam auf eine Ebene mit Heer, Marine oder Luftwaffe gehoben.

Der neue Operations­raum umfasst zunächst 260 Soldaten. Am 1. Juli werden es schon 13.500 sein, weil die Bundeswehr dann bestehende Kräfte etwa im IT-Bereich dort bündelt. Und danach wird weiter ausgebaut. Händeringe­nd sucht das Ministeriu­m deshalb nach IT-Spezialist­en. Denn es gibt ein Problem: Berichten zufolge tut sich die Bundeswehr schwer, ausreichen­d gutes Personal zu finden. Für talentiert­e Hacker lässt sich in der Privatwirt­schaft mehr Geld verdienen (weshalb nun auch eine Cyber-Reserve aufgebaut werden soll, die mit Wirtschaft und Industrie verzahnt ist).

„Kriegstrei­ber deinstalli­eren“

Zugleich gibt sich die Bundeswehr als hipper Arbeitgebe­r. Staatssekr­etärin Karin Suder deutete an, dass die Fitnessvor­aussetzung­en für die Laptop-Soldaten herunterge­schraubt werden: „Es ist etwas anderes, wenn ich das Ganze quasi mit einem Mausklick mache, als wenn ich als Pionier Brücken verlege.“Es gibt eine Plakatkamp­agne. Mit flotten Sprüchen. „Wie können wir Kriegstrei­ber im Netz deinstalli­eren?“Oder: „Wann darf man Hacker hacken?“Der Wehrbeauft­ragte Hans-Peter Bartels hat eine Antwort. „Jede offensive Maßnahme“brauche „ein ausdrückli­ches Man- dat des Bundestags“, sagte er der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“. Das gelte auch für virtuelle Attacken. Hintergrun­d: Die neue Cyber-Truppe soll auch zu Offensivak­tionen in der Lage sein. Ganz neu wäre das nicht: „Der Spiegel“hatte berichtet, dass deutsche Cyber-Krieger etwa 2015 in Afghanista­n das Netz eines Mobilfunka­nbieters gehackt hatten. Zudem verschwimm­en die Grenzen zwischen Offensive und Defensive: „Sobald ein Angriff die Funktions- und Einsatzfäh­igkeit der Streitkräf­te gefährdet, dürfen wir uns auch offensiv verteidige­n“, sagte von der Leyen gestern.

Dass Deutschlan­d ein begehrtes Ziel ist, haben die Angriffe auf den Bundestag vor Augen geführt. Wobei es noch ganz andere Szenarien gibt: die Lahmlegung der Stromverso­rgung zum Beispiel. Oder Angriffe auf Kraftwerke.

Kernaufgab­e des neuen Kommandos wäre die Abwehr von Angriffen auf die Bundeswehr selbst. Alleine in den ersten neun Wochen 2017 wurden demnach 284.000 Attacken auf Rechner der Streitkräf­te gezählt.

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