Flüchtlinge: Brüssel weist Wunsch aus Wien zurück
Asyl. Kommissionspräsident Juncker antwortete auf Kerns Brief und erinnerte an die eingegangene Verpflichtungen zur Umverteilung.
Brüssel/Wien. Der Versuch der österreichischen Regierung, aus der Verteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf den Rest der EU auszusteigen, ist gescheitert. In einem an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) adressierten Brief stellt EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker klar, dass Österreich die entsprechenden Ratsbeschlüsse bezüglich Flüchtlingsumverteilung umzusetzen hat: „Österreich ist gesetzlich zur Umverteilung verpflichtet und ich erwarte persönlich von Österreich, dass es dieser Verpflichtung nachkommt“, schreibt Juncker.
Hintergrund: Als im Jahr 2015 der Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und dem Nahen Osten anzuschwellen begann, verständigten sich die EU-Mitgliedsstaaten darauf, insgesamt 160.000 Neuankömmlinge aus Italien und Griechenland auf den Rest der Union aufzuteilen. Der erste Beschluss wurde im Frühjahr gefällt, betraf insgesamt 40.000 Personen und wurde relativ problemlos fixiert. Im September 2015 wurde die Umverteilung von weiteren 120.000 Flüchtlingen beschlossen – diese Entscheidung sorgte allerdings für heftige Kontroversen und wurde gegen die Stimmen mehrerer osteuropäischer EU-Mitglieder gefällt.
Die zweite Relocation-Tranche wurde seither verkleinert – es geht derzeit um knapp 100.000 Menschen. Der österreichische Anteil beläuft sich auf 1953 Flüchtlinge, die aus Griechenland und Italien übernommen werden sollten. Aufgrund der Tatsache, dass Österreich im vergangenen Jahr überdurchschnittlich vielen Menschen Zuflucht gewährt hat, wurde die Umsetzung der Umverteilung bis März 2017 aufgeschoben – diese Gnadenfrist war vor wenigen Tagen ausgelaufen.
In seinem Antwortschreiben auf Kerns Ausnahmewunsch weist Juncker darauf hin, dass sich seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise Ende 2015 einiges getan habe: In der Zwischenzeit sei ein effektiver Schutz der Außengrenzen organisiert worden und die Zahl der Asylanträge in Österreich habe sich deutlich verringert. Es gebe folglich keine Gründe für eine Verlängerung des Aufschubs. „Ich vertraue daher, dass Österreich (...) mit der Umverteilung sowohl aus Italien als auch aus Griechenland beginnt.“
Kern sieht „gute Basis für Gespräche“
Im Bundeskanzleramt war man am Mittwoch bemüht, der Depesche aus Brüssel einen positiven Spin zu geben. Kanzlersprecher Nikolai Moser verwies gegenüber der „Presse“auf einen Passus des Briefs, dem zufolge die Umsetzung der Verpflichtungen „schrittweise“erfolgen solle und dabei die bisherige Solidarität Österreichs „berücksichtigt“werden müsse. Junckers Stellungnahme interpretiert man am Ballhausplatz als „gute Basis für Gespräche“.
Dass Juncker momentan Druck macht, dürfte auch mit der Tatsache zusammenhängen, dass die Flüchtlingsumverteilung alles andere als eine Erfolgsstory ist: In den eineinhalb Jahren seit der Beschlussfassung wurden lediglich 13.370 Neuankömmlinge von anderen Mitgliedsstaaten übernommen. Polen und Ungarn (beide nationalpopulistisch regiert) haben bis dato jegliche Zuteilung verweigert, Dänemark und Großbritannien sind nicht zur Teilnahme an der Umverteilung verpflichtet. Schweden, das 3766 Menschen aufnehmen sollte, hat bis dato lediglich 39 Personen geholt, Frankreich 2758 statt 19.714, Deutschland 3093 statt 27.536. (la)