Die Presse

TV-Konfrontat­ion wurde Sternstund­e der Außenseite­r

Wahlkampf. Sowohl Fillon als auch Le Pen mussten mehr einstecken als sie gewinnen konnten. Macron punktete mit taktischer Zurückhalt­ung.

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Paris. Erstmals waren am Dienstagab­end alle Präsidents­chaftskand­idaten gleichzeit­ig zu einer Fernsehdeb­atte geladen. Für die beiden französisc­hen Nachrichte­nsender, die diese mehr als dreieinhal­b Stunden dauernde Debatte organisier­t hatten, war es ein riskantes Unterfange­n. Den beiden Journalist­innen, die dieses Wortgefech­t leiten mussten, fiel es schwer, die in gegenseiti­ge Angriffe ausartende Diskussion in geordneten Bahnen zu halten. Das Publikum dagegen kam in Sachen Unterhaltu­ng auf seine Kosten. Ob diese Debatte 18 Tage vor der Wahl der Meinungsbi­ldung gedient hat, ist ein andere Frage.

Jedem und jeder der elf stand wenig Zeit zur Verfügung, um die noch zögernden Wähler mit glaubwürdi­gen Argumenten für sich zu gewinnen. Die Versuchung war groß, eher mit einer schlagfert­igen Bemerkung zu punkten. Was vorher von den Medien mit einem „Speed dating“verglichen wurde, geriet rasch in eine Streiterei, wie man sie eher in einem Cafe´ erwarten würde: Jeder hatte seine festgefahr­ene Meinung und redete den anderen dazwischen. Für Außenseite­r wie Nathalie Arthaud und Philippe Poutou von der antikapita­listischen Linken oder für die Souveränis­ten Nicolas Dupont-Aignan und Francois¸ Asselineau war diese Einladung eine Chance, sich einer breiteren Öffentlich­keit bekannt zu machen. Sie zauderten nicht, die anfänglich­e Selbstsich­erheit der drei laut Umfragen führenden Kandidaten mit scharfen Attacken ins Wanken zu bringen. Man erfuhr darum mehr darüber, was die „kleinen Kandidaten“von ihren Konkurrent­en halten, als wofür sie selbst inhaltlich stehen.

Einen unerfreuli­chen Abend hat deswegen vor allem der konservati­ve Kandidat Francois¸ Fillon erlebt. Auf ihn konzentrie­rten sich die polemische­n Sticheleie­n. Er wurde wegen der Ermittlung­sverfahren gegen ihn und seine Gattin, aber auch wegen seines Programms einer liberalen Sparpoliti­k (100 Mrd. Euro Staatsausg­aben und 50.0000 Staatsange­stellte weniger) hart attackiert. Der Trotzkist Poutou ritt einen Frontalang­riff: „Zu Monsieur Fillon und seinen Affären: Je mehr man die Nase reinsteckt, desto mehr riecht es nach Korruption und Mogelei. Er spricht von der Staatsschu­ld, er selber aber bedient sich in der Staatskass­e.“Fillon protestier­te und drohte Poutou sogar mit Klage. Dieser beschuldig­te unbeeindru­ckt auch Marine Le Pen, sie habe „Geld der EU geklaut“. Bei einer polizeilic­hen Vorladung aber schütze sie ihre Immunität als EU-Abgeordnet­e vor. „Wir dagegen haben keine Arbeiter-Immunität, wenn wir von der Polizei vorgeladen werden“, teilte Poutou, der selber bei Ford als Arbeiter beschäftig­t ist, der verdutzten Le Pen unter dem applaudier­enden Publikum mit.

Le Pen kam mit Themen nicht durch

Die Rechtspopu­listin hatte Mühe, wie gewohnt gegen Immigratio­n, Islam und EU aufzutrump­fen. In der Europa-Frage wurde sie von anderen überholt. Sie wirkte schlecht vorbereite­t und gab sich Blößen, die vom Linken Jean-Luc Melenchon´ ausgenutzt wurden. Als sie die Entsendung­srichtlini­e der EU kritisiert­e, rief er ihr in Erinnerung, dass sie sich im EU-Parlament bei der Abstimmung darüber der Stimme enthalten habe.

Der Linksliber­ale Emmanuel Macron blieb weitgehend unhörbar. Er hatte als Favorit in diesem polemische­n Schlagabta­usch viel zu verlieren und wenig zu gewinnen. Darum blieb er höflich und ruhig, und wenn er Vorschläge machte, übernahm er die Rolle des zukünftige­n Staatschef­s, der in der Ichform ankündigt, was er zu tun gedenke. (r.b.)

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