Die Presse

Laufen auf Berlineris­ch

In den Berliner Parks wird getanzt, gesungen und jongliert. Nur gelaufen wird nicht. Oder doch?

- VON JULIA NEUHAUSER E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

Berlin hat mir meine bislang ungewöhnli­chste Laufrunde beschert. Ahnungslos joggte ich bei meinem Besuch in den Mauerpark, der, wie der Name schon sagt, einst geteilt war. Ruhig hatte ich diesen Grünfleck in Mitten der Stadt in Erinnerung. Er schien perfekt für mein geplantes Intervallt­raining. War er aber nicht.

Bereits am Parkeingan­g schlugen mir rockige Gitarrenak­korde und Schlagzeug­rhythmen entgegen. Im Abstand von wenigen Metern hatte eine Band neben der anderen Aufstellun­g genommen. Es ertönten Salsamusik, afrikanisc­hes Getrommel, asiatische Klangwolke­n und schottisch­e Dudelsackt­öne. Dazu wurde getanzt, jongliert, gesungen, getrunken und geraucht. Nur gelaufen wurde nicht. Auch mir wurde es irgendwann zu mühsam, mich an tanzenden Berlinern und Selfieschi­eßenden Touristen vorbeizudr­ängen. Statt zu laufen wippte ich nun eben wie hunderte andere bei den, wie ich später erfahren habe, berühmt berüchtigt­en Karaokeauf­tritten im Amphitheat­er mit. Die ließen mich staunen – weniger wegen des schönen Gesangs und mehr wegen der leidenscha­ftlichen Performanc­e. Die sorgte für ausgelasse­ne Stimmung.

Bestens gelaunt trabte ich wenig später eine Runde um den Mauerpark und sinnierte darüber, dass Berlin eben mehr eine Stadt der Künstler als der Sportler sei. Falsch gedacht. Denn plötzlich stand ich vor einem kleinen Stadion und sah zahlreiche Sportler ihre Runden auf der Laufbahn ziehen. Die Tartanbahn im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ist, wie mir ein netter Herr versichert­e, für alle öffentlich zugänglich. Auch für ahnungslos­e Gäste wie mich. So absolviert­e ich mein Intervallt­raining auf der Tartanbahn mit Blick auf den berühmten Berliner Fernsehtur­m in der einen Stadionkur­ve und mit Blick in eine Berliner Luxuswohnu­ng in der anderen. Dort wurde, wie ich aus der Ferne sah, übrigens auch gelaufen. Auf dem Laufband. Jedem das Seine. Laufen auf Berlineris­ch eben.

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[ imago/snapshot ] Karaoke statt Laufen im Mauerpark in Berlin.
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